Whistleblowing – Eine Zusammenfassung

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veröffentlicht am 28. Juni 2022 

 

Die Einrichtung von Hinweisgebermeldewegen bzw. Whistleblowing-Systemen ist weder eine Gewissensfrage noch eine Frage des Ermessens eines jeden einzelnen Unternehmens – ganz im Gegenteil…
 
Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz. Diese trat bereits Ende des Jahres 2019 in Kraft (2019/1937) und normiert, dass die Mitgliedstaaten diese EU-rechtlichen Vorgaben bis 17.12.2021 in nationales Recht umsetzen sollten. 
 
Einige Mitgliedstaaten kamen dieser Vorgabe nach, andere, auch die Bundesrepublik Deutschland, hielten sich mit Umsetzungsbestrebungen eher zurück mit der Folge: Die Frist zur Umsetzung wurde nicht eingehalten.
 
Welche Gründe für die mangelnde Umsetzung verantwortlich waren, darüber lässt sich nur orakeln. Fakt ist jedoch, dass der erste Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie, der noch aus der Feder des SPD-geführten Justizministeriums stammte, vor der letzten Bundestagswahl im September 2021 nicht mehr zur Ver­hand­lung in den Bundestag kam und das Gesetzgebungsverfahren somit „auf Eis“ gelegt wurde.
 
Dass nun das Thema „Hinweisgeberschutzgesetz“ wieder in den Vordergrund rückte, ist wohl auch der Aktivität der EU-Kommission geschuldet: Am 17. Januar 2022 leitete die EU-Kommission ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Deutschland ein, weil die EU-Whistleblower-Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt worden war.
 
Das derzeit durch die FDP geführte Bundesministerium der Justiz hat nun einen zweiten Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz am 13. April 2022 veröffentlicht. In diesem nun vorgelegten Referentenentwurf soll den Hinweisgebenden Klarheit dahingehend verschafft werden, wann und durch welche Vorgabe sie bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sein sollen. Der Hinweisgebende soll den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes unterliegen, wenn er Verstöße meldet, bei denen die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Ver­tre­tungs­organe dient.  
 
Doch nicht nur diese Klarstellung ging mit dem zweiten Referentenentwurf einher, sondern es wurden im Ver­gleich zum Vorgänger die darin enthaltenen Bußgeldvorschriften verschärft. 
 
Weiterhin Kernstück des Referentenentwurfs bleibt die Anlaufstelle interner und externer Meldestellen, die den hinweisgebenden Personen für die Meldung von Verstößen zur Verfügung stehen sollen. Hinsichtlich der unter­neh­mens­internen Meldestellen benennt der Referentenentwurf – im Gegensatz zu seinem Vorläufer – explizit auch die Schaffung interner anonymer Meldekanäle. Insoweit soll zwar keine Verpflichtung bestehen, dennoch sollten Unternehmen sorgsam prüfen, welche tatsächlichen und rechtlichen Vorteile die Anonymität der Hin­weis­gebenden bieten kann und wie eine derartige Anonymität technisch sichergestellt werden kann.
 
An dieser Stelle soll aber nicht verschwiegen werden, dass es dem Hinweisgebenden offensteht, ob er sich an die unternehmensintern geschaffene Meldestelle wendet oder eine der externen Meldestellen bei der Bundes­anstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) oder beim Bundesamt für Justiz kontaktiert. Unter gewissen Voraus­setzungen darf sich der Hinweisgebende sogar an die Presse oder Social Media wenden, um Missstände offen­zulegen. 
 
Insoweit ist nicht von der Hand zu weisen, dass es vorrangiges Ziel eines jeden Unternehmens sein sollte, die Möglichkeit zu schaffen, derartige Hinweise durch unternehmensinterne Meldestellen entgegenzunehmen sowie erforderliche Aktionen zur Aufklärung steuern zu können und „Irrläufer“ zu externen Meldestellen bzw. der Nutzung von Medien aller Art zu vermeiden. 
 
Auch aus diesem Grunde ist die Entscheidung zur Einrichtung eines Hinweisgebermeldesystems weder eine Gewissensfrage noch eine Ermessensentscheidung. Ein derartiges Hinweisgebersystem mit eigener interner Meldestelle, ggf. unter Einsatz eines digitalen Tools, ist Bestandteil guter Compliance und mitnichten ent­behr­lich oder gar überflüssig. Ein solches bildet vielmehr eine Chance ohne einen Nachteil. Dies gilt insbesondere und vor allem dann, wenn sich die Unternehmensaktivitäten auch ins (EU-) Ausland erstrecken und etwaige Tochter- bzw. Schwestergesellschaften derartige Meldekanäle ebenfalls aufgrund gesetzlicher Vorgaben vorzuhalten haben. Ein geplantes und einheitliches Vorgehen ist hierbei nicht nur von Nutzen, sondern auch von Vorteil, u.a. in der Vorbereitung, der Kommunikation im Unternehmen und aus ökonomischer Warte.
 
Insofern gilt es, sich mit der Vorbereitung und Einrichtung eines internen Meldeweges auseinanderzusetzen, dem etwaigen Einsatz eines digitalen Tools zur Ermöglichung der Abgabe eines anonymen Hinweises sowie dem Umgang und Reporting der Fallbearbeitung zeitnah zu befassen und einer Lösung zuzuführen.
 
Zum einen deshalb, weil es bei der Umsetzungsfrist zur Einrichtung derartiger Meldewege für kleine und mitt­lere Unternehmen (von 50 bis 249 Mitarbeitern) bis 17. Dezember 2023 bleibt und diese Frist durch den zweiten Referentenentwurf nicht verschoben wurde. Und zum anderen, weil davon ausgegangen werden muss, dass dieser vorliegende Referentenentwurf aufgrund des Drucks durch die EU-Kommission noch im Juni 2022 ver­handelt und wohl noch vor der Sommerpause verabschiedet werden und damit sehr zeitnah das entsprechende Gesetz in der dann vorliegenden Form in Kraft treten wird.
 
Bis dahin läuft die Zeit… und es sind noch essenzielle Vorfragen zu klären, unter anderem die des Arbeits­rechts, die diese Artikelserie – auch im internationalen Kontext – aufgreift und zur Reflexion anregen wird.
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