Breaking News – Vermittlungsausschuss findet Kompromiss zum Schutz von Whistleblowern

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veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Am Dienstag, 9. Mai 2023 hat der Vermittlungsausschuss laut einer Pressemitteilung des Deutschen Bundestags einen Kompromiss zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) gefunden.



Der Kompromiss betrifft insbesondere Änderungen zum Anwendungsbereich des Gesetzes, zu den Melde­we­gen für anonyme Hinweise sowie zu den vorgesehenen Bußgeldern. Zuvor hatte die Bundesregierung den Ver­mittlungsausschuss, ein Gremium aus Bundesrat und Bundestag, einberufen, nachdem der Bundesrat im April 2023 die erforderliche Mehrheit zu dem im Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf des HinSchG versagt hatte. Weil das HinSchG aber der Zustimmung des Bundesrats bedarf, konnte es bislang nicht in Kraft treten. Das könnte sich nun endlich ändern.


​1. Lesung (RegE)
​Anhörung (RegE)
​2./3. Lesung (RegE)
​1. Le­sung
​Anhörung
​2./3. Lesung (abgesetzt)
​Vermittlungs­ausschuss
​2./3. Lesung



Inhalte des Kompromisses

Der im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss besteht laut der Pressemittelung vom 9. Mai 2023 insbesondere aus den folgenden Punkten:

Einschränkung des Anwendungsbereichs des HinSchG

Laut der Pressemitteilung sehe der Kompromiss des Vermittlungsausschusses eine Einschränkung des sach­li­chen Anwendungsbereiches des HinSchG vor. Das HinSchG soll hiernach nur noch für Informationen über Ver­stöße gelten, die sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen. Dieser betriebliche bzw. berufliche Zusammenhang war in der bisherigen Fassung des HinSchG nicht vorgesehen.

Interne vor externer Meldestelle

Aus der vom Bundestag beschlossenen Fassung erhalten bleiben soll demgegenüber die Priorisierung der in­ter­nen gegenüber der externen Meldestelle. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses enthält nun eine Re­ge­lung nach der hinweisgebende Personen in Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen wer­den könne, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen sollten.

Keine Pflicht zur Ermöglichung anonymer Meldungen

Während die vom Bundestag beschlossene Fassung des HinSchG noch die Pflicht zur Einrichtung eines ano­ny­men Meldekanals bis 1. Januar 2025 vorgesehen hatte, nähert sich der Vermittlungsausschuss nun offenbar wieder der ursprünglich angedachten Fassung des Regierungsentwurfs (RegE) an. Auf eine Pflicht, die Abgabe anony­mer Meldungen zu ermöglichen, wird im gefundenen Kompromiss verzichtet. Das soll sowohl für die in­terne als auch für die externe Meldestellen gelten. Erhalten bleibt aber offenbar die Pflicht, dass die Stellen auch an­onym eingehende Meldungen zu bearbeiten haben. Eine Präferenz der Bearbeitung, d.h. die vorrangige Bear­beitung nicht anonymer Meldungen, ist nicht mehr vorgesehen.

Beweislastumkehr 

Bereits die bisherige Fassung des HinSchG sah eine Beweislastumkehr vor, wenn die hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erfährt. Erleidet eine hinweisgebende Person hiernach nach einer Meldung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine unzulässige Repressalie darstellt. Die Beweislastumkehr soll nach dem Kompromiss erhalten bleiben. Jedoch soll die Vermutung, dass die Benachteiligung eine Re­pres­salie für den Hinweis ist, nur dann bestehen, wenn die hinweisgebende Person das auch selbst geltend macht.

Absenkung des maximalen Bußgeldhöhe

Die zuletzt vorgesehene maximale Bußgeldhöhe von 100.000 Euro bei Verstößen gegen das HinSchG wurde offensichtlich im Vermittlungsausschuss als deutlich zu hoch empfunden. Der Kompromiss sieht nun auf der Basis der Pressemeldung eine Absenkung auf 50.000 Euro vor. Gleichzeitig soll die Nichteinrichtung der in­ter­nen Meldestelle innerhalb der nächsten sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ohne Sanktion blei­ben.

Bewertung des Kompromisses

Der im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss ist – an sich – angesichts der erheblichen Dauer des Gesetz­gebungsverfahrens sowie des gegen Deutschland deshalb eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens mehr als begrüßenswert. Ob dieser Kompromiss allerdings dem Ziel des europäischen Gesetzgebers bzw. der Bundesregierung gerecht wird, einen umfassenden Schutz für hinweisgebende Personen zu schaffen, darf noch bezweifelt werden. Zwar erscheinen die vorgenannten Einschränkungen auf das berufliche Umfeld des Hin­weis­gebers zweckmäßig, um einem Ausufern von Meldungen vorzubeugen. 

Die nun aufgegebene Verpflichtung zur Implementierung eines anonymen Meldekanals ist jedoch Fluch und Se­gen zugleich. Denn die Möglichkeit, keine anonyme Meldung abgeben zu können, könnte den Hinweis­ge­ber­schutz erheblich gefährden. Schließlich gewährleistet erfahrungsgemäß vor allem ein anonymer Meldekanal den größtmöglichen Schutz des Hinweisgebers und verringert zugleich die Hemmschwelle, überhaupt eine Mel­dung abzusetzen. 

Dennoch ist es zu begrüßen, dass die ausschließliche Verpflichtung zur Schaffung anonymer Kanäle dem Kom­promiss zum Opfer gefallen ist. Insoweit werden Unternehmen nun Meldestellen schaffen können, die es dem Hinweisgeber freistellen, selbst zu wählen, ob er anonym oder unter Offenlegung seiner Identität einen Verstoß melden möchte. Dennoch wäre aber die Möglichkeit der anonymen Meldung weiterhin wünschenswert und auch zielführend.

Ausblick und Checkliste 

Auch wenn das HinSchG vor Inkrafttreten damit freilich erneut Bundestag und Bundesrat passieren muss, ist nicht zuletzt angesichts der steigenden Kosten aufgrund des Vertragsverletzungsverfahrens mit einer zeitnahen Verkündung zu rechnen. Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten sollten daher spätestens jetzt 
  • eine interne Meldestelle einrichten,
  • diese ggf. – trotz nicht mehr bestehender Verpflichtung – mit einem anonymen Meldekanal versehen,
  • ein Verfahren zur Überprüfung und Dokumentation der Meldungen schaffen,
  • angemessene Folgemaßnahmen bei Verstößen vorhalten,
  • mögliche Auswirkungen auf etwaige Konzernstrukturen und ausländische Tochtergesellschaften überprüfen sowie
  • ggf. einschlägige arbeitsrechtliche sowie datenschutzrechtliche Anforderungen (z.B. Betriebsratsbeteiligung, DSGVO-Konformität) abklären.
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