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Am 19. Dezember 2019 trat die EU-Whistleblowing-Richtlinie in Kraft. Die Mitgliedstaaten sind bis zum 17. Dezember 2021 verpflichtet, sie in jeweils nationales Recht umzusetzen. Infolgedessen träfe Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern die Verpflichtung, Whistleblowing-Meldewege (sog. „Integrity Channels”) zu schaffen und zudem den Schutz des Whistleblowers vor Repressalien zu gewährleisten.
Die Bundesregierung hat das Hinweisgeberschutzgesetz „auf Eis gelegt“. Es wurde vor der Wahl zwar nicht mehr darüber entschieden; doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Dieses vorläufige Scheitern verlagert – wie so häufig – die Entscheidung des Umgangs mit den europäischen Vorgaben in die Sphäre des Unternehmers, der international tätig ist und der sich mit dieser Situation arrangieren muss. Die EU-Richtlinie gründet die Implementierung eines effektiven Whistleblowing-Systems auf sieben Pfeiler:
Die Umsetzung in den 27 Mitgliedstaaten ist unterschiedlich weit fortgeschritten: In den wenigsten, wie Italien und Dänemark, wurde die EU-Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt und tritt zum Ende des Jahres in Kraft. Viele Länder, so auch Deutschland, sind im Gesetzgebungsprozess noch nicht weit vorangeschritten oder sogar bewusst stecken geblieben. Doch von dem vorläufigen Scheitern der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie in das nationale Hinweisgeberschutzgesetz sollte man sich nicht täuschen lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland ein derartiges Gesetz in Kraft tritt. Nicht nur der Druck aus Brüssel, sondern der deutliche internationale Trend wird das beschleunigen. Bis dahin müssen insbesondere die Unternehmen mit internationaler Aktivität mit dieser Rechtsunsicherheit umgehen: Es ist unvermeidbar, sich mit der Einrichtung von Meldekanälen und dem damit verbundenen Schutz des Whistleblowers auseinander zu setzen.
Die Einführung von Whistleblowing erfordert jedoch einen Sinneswandel. Ein solcher wird die Erkenntnis befeuern, dass Whistleblower in den überwiegenden Fällen gerade keine Denunzianten sind; vielmehr sind sie häufig maßgeblich an der Aufklärung von Missständen beteiligt. Aufgrund dessen, dass v.a. wirtschaftskriminelle Aktivitäten im Unternehmen nicht nur Rufschädigungen bedingen, sondern häufig zu hohen finanziellen Schäden führen, sollte dem positiven Aspekt des Whistleblowings mehr Raum gegeben werden. Dabei ist wichtig, dass Whistleblowing als Teil des gesamten unternehmensweiten Compliance-Management-Systems betrachte wird; es bildet sozusagen dessen Krönung. Gerade deshalb gilt es, einzelstaatliche Insel-Lösungen zu vermeiden. Im Einzelnen bedeutet das: Ist das Unternehmen in den Ländern aktiv, in denen die gesetzlichen Regeln zum Hinweisgeberschutzgesetz gelten, wird sich das Unternehmen an ihrer Einhaltung messen lassen müssen. Deshalb bleibt kein anderer Weg als in diesen Ländern voranzuschreiten und derartige Integrity Channels einzuführen – selbst für eine deutsche Muttergesellschaft. Doch Vorsicht! Ein solches Vorgehen sollte dennoch im Kontext zu den deutschen Gesetzen gesehen werden. Das betrifft v.a. die Regeln zu Mitbestimmungspflichten des Betriebsrats. Insoweit kann die Einführung eines Integrity Channels in der deutschen Unternehmensgruppe trotz fehlender deutscher Umsetzung des Gesetzes unmittelbare Auswirkung entfalten.
Auch ohne gesetzliche Verpflichtung gab es in vielen Unternehmen bereits einen „Kummerkasten“ oder sogar ein „rotes Telefon“. Diese Einrichtungen dienten dazu, vertraulich bzw. anonym Hinweise abgeben zu können. Beide Alternativen haben aber deutliche Schwächen: häufig mangelnde Anonymität, aber auch eingeschränkte Erreichbarkeit der Telefon-Hotline samt Hemmschwelle, nicht in der jeweiligen Muttersprache das Anliegen darlegen zu können. Ein Integrity Channel, der einem international tätigen Unternehmer gerecht wird, sollte für alle Mitarbeiter gleich gut zugänglich sein – unabhängig vom Standort. Was dabei hilft, ist ein digitales Tool, das den Whistleblowing-Prozess abbildet, dokumentiert und den jeweiligen Bearbeitungsstand aufzeigt. Es kann sogar gewährleistet sein, dass das Tool in mehreren Sprachen hinterlegt ist, sodass damit die Sprachbarriere beseitigt wird. Die übrigen notwendigen Aspekte bei Einführung von Whistleblowing, wie die Einbettung in die Unternehmenskultur, das möglichst einfache und selbsterklärende Handling des digitalen Tools und der Umgang mit eingehenden Hinweisen bleibt dem unternehmenseigenen Compliance-Verständnis und der Compliance-Methodik vorbehalten. Es ist wichtig, alle Mitarbeiter durch Information und Schulung – selbstverständlich in Landessprache – mitzunehmen.
Trotz fehlender Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland sollten entsprechende Überlegungen zur Einführung von Whistleblowing-Meldekanälen nicht auf die lange Bank geschoben werden. International agierende Unternehmen sollten die Erfahrungen aus den anderen Mitgliedstaaten nutzen und die Einführung von Integrity Channel vorantreiben. Dabei stets im Blick: die jeweiligen nationalen gesetzlichen Vorgaben, wichtige Guidelines für die Belegschaft und ein fortschrittliches, zukunftsorientiertes Compliance-Verständnis des Managements.
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Ulrike Grube
Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Rechtsanwältin
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