Produkthaftung 4.0 – Die neue EU-Marktüberwachungs­verordnung

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veröffentlicht am 4. Dezember 2019 / Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Nicht rechtskonforme Produkte stellen ein hohes Sicherheitsrisiko dar. Zudem ver­schaffen sie so manchem Hersteller einen „Vorsprung durch Rechtsbruch“ und verzerren damit den Wettbewerb. Um dem verstärkt entgegenzutreten, wurde am 25. Juni 2019 die neue Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/Nr. 1020 veröffentlicht. Sie bildet künftig den Rahmen für die Marktüberwachung von Produkten, deren Kon­formitätsanforderungen derzeit in 70 (!) einzelnen Verordnungen und Richtlinien geregelt sind. Sowohl die Befugnisse der Behörden als auch die Haftung der Beteilig­ten werden erheblich ausgeweitet.

  

  

Angefangen von Maschinen über Elektrogeräte, Bauprodukte und Batterien bis hin zu klassischen B2C-Pro­dukten wie Spielzeug, Kosmetik, Textilien und Verpackungen erfasst die neue Richtlinie sämtliche Produkte im sog. „Non-Food-Bereich“. Sie gilt in Deutschland ab 16. Juli 2021; einzelne Regelungen greifen aber schon ab dem 1. Januar 2021. Betroffene Unternehmen sind gut beraten, jetzt schon zu prüfen, ob sie ausreichend vorbereitet sind.
 
Ziel ist es, nicht rechtskonforme Produkte erst gar nicht auf den Unionsmarkt kommen zu lassen und so für Sicherheit zu sorgen. Mit Blick auf den stetig wachsenden Online-Handel und immer komplexer werdende Lieferketten war es für die Behörden in der Vergangenheit oftmals schwer, einen Verantwortlichen „fassen zu können“. Die neue Richtlinie soll daher besonders dazu dienen, bestehende Regelungsdefizite bei der Durch­setzung von Marktüberwachungsmaßnahmen zu beheben.

 

Inverkehrbringen von Produkten

Ein Produkt gilt fortan nicht erst mit seiner erstmaligen (physischen) Bereitstellung auf dem Unionsmarkt als „in Verkehr gebracht“, sondern schon wenn es online oder über eine andere Form des Fernabsatzes an End­nutzer in der Union zum Verkauf angeboten wird. Das soll dann der Fall sein, wenn der betreffende Anbieter seine geschäftliche Tätigkeit in irgendeiner Weise auf einen Mitgliedstaat ausrichtet, also z. B. sein Verkaufs­angebot in deutscher Sprache verfasst.
 
Bestimmte Produkte – u.a. Elektronikgeräte und Bauprodukte – dürfen künftig nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn ein in der Union niedergelassener Verantwortlicher für alle rechtlichen Vorgaben zur Produkt­sicherheit zur Verfügung steht. Als möglichen Verantwortlichen nennt die Richtlinie neben dem Hersteller, dem Importeur oder dem Bevollmächtigten jetzt auch den sog. „Fulfillment-Dienstleister“. Als solcher gilt jede natürliche oder juristische Person, die „im Rahmen einer Geschäftstätigkeit“ die Lagerhaltung, die Verpackung, die Adressierung und / oder den Versand von Produkten anbietet, aber nicht deren Eigentümer ist. Die Neu­regelung zielt ganz klar darauf ab, auch Verkaufsplattformen wie Amazon mit in die Verantwortung für die Produktsicherheit zu nehmen. Die Marktüberwachung erfasst demnach in Zukunft alle Stufen der Lieferkette – angefangen von der Einfuhr bis hin zum digitalen Vertrieb.
 

Behördliche Befugnisse

Die Marktüberwachungsbehörden sind verpflichtet, in ihrem Hoheitsgebiet effektive Marktüberwachung von online und offline bereitgestellten Produkten zu gewährleisten. Sie müssen in angemessenem Umfang Stich­proben und Überprüfungen durchführen. Die neue Richtlinie stattet sie mit deutlich verschärften Befugnissen aus. Künftig können die Behörden neben der Vorlage von Dokumenten und technischen Spezifikationen auch den Zugang zu eingebetteter Software fordern, einschließlich der Befugnis, Kopien davon anzufertigen. Ferner können sie Auskunft zu Lieferkette, Vertriebsnetz, den auf dem Markt befindlichen Produktmengen sowie zu anderen Produktmodellen verlangen, die identische technische Merkmale wie das betreffende Produkt auf­weisen. Zudem können sie Informationen darüber einfordern, wer Eigentümer einer Webseite ist, auf der Produkte zum Verkauf angeboten werden. Sie können ferner unangekündigte Inspektionen vor Ort sowie physische Überprüfungen von Produkten durchführen und bekommen ein entsprechendes Betretungsrecht zugewiesen. Am Ende dürfen die Behörden die Durchführung von geeigneten Korrekturmaßnahmen, einen Vertriebsstopp und auch einen Rückruf anordnen.
 

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Daneben sieht die Richtlinie die Intensivierung des Informationsaustausches zwischen den nationalen Behör­den der Mitgliedstaaten über RAPEX und ICSMS vor, inklusive einer Schnittstelle zum Zoll. So dürfen auch die Zollbehörden in Zukunft Produkte an der Grenze festhalten, wenn die vorgeschriebenen Unterlagen nicht beigefügt sind bzw. Zweifel an der Echtheit, der Richtigkeit oder der Vollständigkeit der Unterlagen bestehen. Gleiches gilt, wenn das Produkt nicht richtig gekennzeichnet, etikettiert oder mit einer falschen CE-Kenn­zeichnung versehen ist.
 

Fazit

Mit der neuen Marktüberwachungsverordnung werden die Risiken der Entdeckung von Rechtsverstößen sowie die Konsequenzen einer Nicht-Konformität deutlich verschärft. Unternehmen sollten daher das Thema Produkt-Compliance ernst nehmen und rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen treffen, um 2021 keine „bösen Überraschungen“ zu erleben.
 

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