Risiko Produkthaftung in den USA – „Gerüstet-Sein” ist das A und O

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veröffentlicht am 9. Oktober 2018
 
Fragt man nach rechtlichen Risiken in den USA, fällt häufig sofort das Stichwort „Produkthaftung”. Geschürt von den Medien, steckt in den Köpfen der Unternehmer v.a. die Angst vor horrenden Schadensersatzzahlungen. Die zugrunde liegenden Sachverhalte sind nach deutschem Verständnis oftmals abwegig und die berichteten Summen nicht im Ansatz in vernünftiger Relation zum entstandenen Schaden. Eine genaue Vorstellung davon, wie das konkrete Risiko für das eigene Unternehmen tatsächlich zu bewerten ist, haben jedoch die Wenigsten.
 

 

Die Praxis zeigt, dass oft zu Unrecht ein großer Respekt vor dem Mythos „US-Produkthaftung” besteht. Viele Risiken lassen sich mit entsprechender Vorbereitung in den Griff bekommen oder zumindest auf ein überschaubares Maß reduzieren. Hinzu kommt, dass die abschreckenden Schadensersatzsummen i.d.R. durch die nachfolgenden Instanzen deutlich reduziert werden. So wurde in dem berühmt gewordenen Kaffeebecher-Fall aus dem Jahr 1994 der zu leistende Schadensersatz von eingangs 2,9 Mio. US-Dollar auf „nur” 480.000 US-Dollar beschränkt. Damals klagte eine US-Amerikanerin, die sich durch das Heißgetränk einer Fast-Food-Kette schwere Verbrennungen zuzog. 
 

Mangelnde Vorbereitung auf den Ernstfall

Gleichwohl stehen solche Ansprüche im Ernstfall zunächst im Raum und es gilt sie abzuwehren, was häufig umfangreiche interne und externe Ressourcen bindet. Unerlässlich sind daher die richtigen Weichenstellungen im Vorfeld. Genau daran fehlt es in der Praxis meist. Teilweise bestehen mit Lieferanten, Kunden oder Vertriebspartnern in den USA nur unzureichende oder im schlechtesten Fall gar keine vertraglichen Regelungen, teilweise werden schlicht „ins Blaue hinein” US-Verträge unterschrieben, deren Tragweite man sich weder bewusst ist, geschweige denn vorab überprüft hat. Im Streitfall stehen die Unternehmen dann vor dem Problem, sich erst einmal „sortieren” zu müssen. In aller Eile muss geklärt werden, wer, wann, für was, in welchem Ausmaß haftet und welches Recht überhaupt gilt. Erschwerend kommt hinzu, dass es „das” US-Recht nicht gibt. Die Gesetzgebungskompetenz liegt in den USA bei den Bundesstaaten, sodass sich die rechtliche Ausgangslage von Bundesstaat zu Bundesstaat unterscheiden kann.

 

Maßnahmen zur größtmöglichen Absicherung ergreifen

Jedes Unternehmen, das sich auf dem US-Markt bewegt, ist dringend dazu angehalten, die sich ergebenden Risiken zu identifizieren und alles zu unternehmen, um sich so gut wie möglich dagegen abzusichern. Dazu gehört zunächst die „interne” Absicherung: Es muss geklärt werden, wer bei möglichen Produkthaftungsansprüchen in die Verantwortung genommen werden kann  –  nur der US-Vertriebspartner, die US-Vertriebstochter oder (auf der Suche nach den „deep pockets”) vielleicht auch die deutsche Muttergesellschaft? Primär muss also das Risiko einer möglichen Durchgriffshaftung bewertet werden.
 
Nächster Baustein ist die „externe” Absicherung in der Lieferkette. D.h., es muss geprüft werden, in welchen Fällen eine mögliche Haftung „nach unten” an die eigenen Lieferanten durchgereicht werden kann und wann man sie „nach oben” gegenüber dem Kunden wirksam ausschließen oder begrenzen kann. Insofern gilt es, die Reichweite von möglichen Rechtswahl-, Haftungs- und Freistellungsregelungen auszuloten.
 
Ferner sollte eine effektive Absicherung schon bei den Produkten selbst anfangen. Das Stichwort „Produkt-Compliance” wird vielerorts noch stiefmütterlich behandelt. Bereits vor Inverkehrbringen sollte geklärt sein, ob auf dem US-Markt möglicherweise abweichende oder zusätzliche Anforderungen an die Rechtskonformität der eigenen Produkte gestellt werden. Das gilt selbstredend nicht nur für das Produkt an sich, sondern auch für dessen Ausstattung. Ein Unternehmen muss sich die Frage stellen, ob in Bedienungsanleitungen oder auf Verpackungen besondere Warnhinweise notwendig sind, weil die Gerichte in den USA von einem anderen Sicherheitsmaßstab oder einem anderem Empfängerhorizont ausgehen als wir es nach deutschem Verständnis tun. Schließlich sollte geprüft werden, welche Risiken versicherbar sind und welche nicht. Vor dem Hintergrund der Organhaftung trifft die Pflicht zur Ergreifung der Absicherungsmaßnahmen allen voran die Geschäftsführer und leitenden Organe der betreffenden Unternehmen.
 

Verbleibende Risiken

Nichtsdestotrotz können auch mit bester Vorbereitung nicht alle Unwägbarkeiten, die sich aus dem US-Recht ergeben, restlos beseitigt werden. Als sog. „Common Law” ist das US-Recht viel mehr durch Präzedenzfälle geprägt, als durch richterliche Auslegung von geschriebenen Rechtsnormen. Zudem weist gerade das Prozessrecht viele Besonderheiten auf, die wir in Deutschland nicht kennen  –  angefangen vom Ausforschungsbeweis über das Geschworenengericht bis hin zur fehlenden Erstattung von Verteidigungskosten. Diese Unterschiede sind es, die den Ausgang eines Produkthaftungsverfahrens in den USA in der Praxis oft so unvorhersehbar erscheinen lassen. Umso mehr gilt es deshalb, zumindest die Risiken, die man vorhersehen und begrenzen kann, auch tatsächlich anzupacken, um für den Ernstfall „gerüstet” zu sein. Dazu gehört neben der aufgezeigten rechtlichen Absicherung das Aufstellen eines Notfallplans, der gewährleistet, dass  –  wenn es einmal schnell gehen muss  –  alle Informationen über die eigenen Produkte, deren Beschaffenheit und Sicherheitsrisiken sowie der getroffenen Absicherungsmaßnahmen kurzfristig abrufbar sind.

   

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