Meldepflicht und Sanktionen: Scheitert Deutschland an der Sanktions­durchsetzung?

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veröffentlicht am 27. September 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 
Die Änderungen des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes durch das erste Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) gelten seit dem 28. Mai 2022 und sind Deutschlands Reaktion auf den Ukraine Krieg und die daraufhin erlassenen europäischen Sanktionen. Doch tragen die neuen Regelungen, insbesondere § 23a Außenwirtschaftsgesetz (AWG), wirklich zu einer effektiveren Durchsetzung von Sanktionen bei? 

 

 


 

1. Wen betrifft die Auskunftspflicht und was ist von ihr umfasst?

Gegenstand von §23a AWG ist in erster Linie eine Auskunftspflicht von Ausländern und Inländern, die von Sanktionsmaßnahmen betroffen sind. Sanktionierte Personen müssen über ihre wirtschaftlichen Ressourcen und Gelder gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie der Bundesbank umfassend Meldung erstatten. Hiervon betroffen sind sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen.
 

2. Besteht eine Kollision mit dem Aussageverweigerungsrecht?

Im deutschen und europäischen Recht besteht der Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen. Er folgt direkt aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie der EU-Grundrechtecharta und ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit. Niemand kann daher dazu gezwungen werden aktiv an seiner Bestra­fung mitzuwirken. 
 
Dennoch werden durch die Meldepflicht sanktionierte Personen gezwungen, von sich aus ihre Vermögenswerte offenzulegen und damit den Staatsanwaltschaften Informationen zu liefern, die diese im Rahmen von Verfahren wegen etwaigen Sanktionsverstößen selbst ermitteln müssten. Wie wird also die Zulässigkeit einer solchen Meldepflicht begründet? 
 
Der juristische Dienst der EU-Kommission, der sich auf Anfrage des deutschen Nachrichtenformats ZDFheute geäußert hat, sieht den Anknüpfungspunkt für die Problematik der Selbstbelastungsfreiheit ausschließlich in der Strafbarkeit der Verletzung der Meldepflicht. Es gäbe für die betroffenen Personen ja keine Verpflichtung, die eigene Verletzung der Meldepflicht offenzulegen. Die Meldepflicht selbst ist nämlich mit einem Bußgeld von bis zu EUR 30.000 und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bewehrt. 
 
Jedoch können auch grundsätzlich Verstöße gegen die aktuellen EU-Sanktionsmaßnahmen strafbar sein, z.B. die Verschleierung oder Veränderung der eigenen Vermögenswerte sanktionierter Personen. Die Beteiligten würden mit einer Anzeige den Behörden die notwendigen Informationen zur Strafverfolgung diesbezüglich zur Verfügung stellen. Durch die Meldepflicht müssten sanktionierte Personen damit quasi den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden Hilfe leisten, und zwar in einem möglichen Verfahren gegen sich selbst. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Auffassung der EU-Kommission fraglich.
 
Ob die aktuellen Regelungen gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen, werden am Ende die Gerichte zu entscheiden haben.
 

3. Wie läuft die Umsetzung in der Praxis?

Trotz der drohenden Strafen bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht sind laut Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bisher keine Anzeigen eingegangen und das, obwohl die Regelung seit mehreren Monaten existiert. Trotz der hohen Strafen scheinen die Betroffenen keine Notwendigkeit einer Anzeige zu sehen. Aus welchen Gründen dies so ist, lässt sich nur mutmaßen. Auf jeden Fall scheidet eine Bestrafung von Unbekannten Personen aus und wer keine Anzeige abgibt, bleibt zunächst unbekannt.
 

4. Die deutsche Regelung, ein Erfolgsmodell?

Die deutsche Regelung ist mit hohen Strafen bewährt und kann daher nicht als zahnlos bezeichnet werden. Dennoch führt sie nicht zum gewünschten Erfolg. Der deutsche Gesetzgeber verlagert mit der neuen Regelung Aufgaben der Behörden auf die Betroffenen, die gewiss kein Interesse an einer Sanktionierung haben. Es gibt Stimmen die behaupten, dass Deutschland bereits grundsätzlich ein Problem bei der Geldwäscheprävention hat. Hat Deutschland auch ein Problem mit der wirksamen Durchsetzung von Sanktionen? 
 
Fakt ist, dass andere Länder, wie beispielsweise Italien, seit Beginn der Sanktionen eine Vielzahl von Ver­mö­gensgegenständen und -werten eingefroren haben und die Sanktionen deutlich effizienter umsetzen. Sank­tionen betreffen immer auch die eigene Wirtschaft, die jedes Land zu schützen versucht. Führt das ausgeprägte Russlandgeschäft der deutschen Wirtschaft zu einer halbherzigen Umsetzung von Wirtschaftssanktionen?
 
Fraglich ist, ob sich die Anzeigepflicht nach § 23a AWG in der Zukunft als wirksames Mittel in der Sank­tions­politik erweisen wird, oder ob der deutsche Gesetzgeber eher den Behörden mehr Eingriffskompetenzen und Möglichkeiten zur Durchsetzung von Sanktionen zur Verfügung stellen sollte, als die Betroffenen in die Pflicht zu nehmen
 
Ein erster Schritt in diese Richtung könnte die kürzlich erfolgte Ankündigung des Bundesfinanzministers Christian Lindner sein. So soll eine neue Bundesbehörde, das sogenannte Bundesfinanzkriminalamt geschaf­fen werden. Dort sollen die bisher bundesweit zersplitterten Kompetenzen zur Bekämpfung von Finanz­kri­mi­na­lität gebündelt werden. In dieser Behörde soll sich zukünftig auch die zentrale Stelle für die Durchsetzung von Sanktionen befinden. Ob Deutschland damit zu einem Vorreiter in der EU in Sachen effektiver Sanktions­durch­setzung werden wird, wird die Zukunft zeigen.
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