BGH-Urteil: US-Sanktionen als Grundlage für das Einfrieren von Vermögenswerten – Schadensersatzklage einer iranischen Bank gegen deutsche Wertpapiersammelbank

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 20. März 2025 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 18. März 2025 im Verfahren XI ZR 59/23 eine grundlegende Entscheidung zu einer Schadensersatzforderung einer iranischen Bank gegen die deutsche Wertpapiersammelbank getroffen. Streitpunkt war das Einfrieren von Wertpapieren der klagenden Bank durch die Beklagte. Das Urteil beleuchtet zentrale rechtliche Fragen zum Eigentumsschutz nach § 823 Abs. 1 BGB sowie zur Anwendung der EU-Blocking-Verordnung.


Sachverhalt

​Die klagende Bank, die in München eine Zweigniederlassung betreibt, erwarb 2019 Wertpapiere im Nennwert von rund 10,5 Mio. Euro. Diese wurden von der Beklagten als Zentralverwahrerin verwahrt. Im August 2019 fror die Beklagte die Wertpapiere ein, indem sie diese auf ein Sperrkonto umbuchte. Hintergrund dieser Maßnahme war die Aufnahme der Klägerin in die Specially Designated Nationals and Blocked Person List (SDN-Liste) des Office of Foreign Assets Control (OFAC) der USA im November 2018.

Im Januar 2020 beauftragte die Klägerin eine Volksbank, die Wertpapiere zu veräußern. Die Beklagte verweigerte jedoch die Umbuchung der Wertpapiere mit der Begründung, dass noch eine rechtliche Klärung hinsichtlich möglicher US-Sanktionen erforderlich sei. Die Klägerin machte daraufhin Schadensersatz in Höhe von 11,1 Mio. Euro geltend, unter anderem wegen entgangener Veräußerungserlöse und nicht ausgezahlter Zinsen.

Bisheriger Prozessverlauf

​Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte das Urteil, hielt jedoch einige Hilfsanträge für unbegründet. Die Klägerin legte daraufhin Revision ein und verfolgte ihr Begehren weiter. Auch die Beklagte legte Revision ein, um die Klage endgültig abweisen zu lassen.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Er stellte fest, dass der Klägerin keine vertraglichen Schadensersatzansprüche zustehen, wohl aber eine Eigentumsverletzung durch die Beklagte nach § 823 Abs. 1 BGB vorliegt.

Kernaussagen des Urteils:

  • Kein vertraglicher Schadensersatzanspruch: Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand weder ein Depotvertrag noch ein Kommissionsvertrag. Ein Depotvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde nicht angenommen.
  • Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB: Das Einfrieren der Wertpapiere stellt eine widerrechtliche Verletzung des Eigentums der Klägerin dar. Die Beklagte hat durch die Sperrung den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Wertpapiere verhindert.
  • Keine Ansprüche aus der EU-Blocking-VO: Die Klägerin kann sich nicht auf Art. 6 Abs. 1 der EU-Blocking-VO berufen, da sie als nach iranischem Recht gegründete Bank keine juristische Person im Sinne von Art. 11 dieser Verordnung ist.
  • Widerrechtlichkeit der Maßnahme: Die Beklagte hätte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Auswirkungen der US-Sanktionen auf ihre Geschäftstätigkeit vornehmen müssen. Zum fraglichen Zeitpunkt (Januar 2020) waren die US-Sekundärsanktionen jedoch noch nicht in Kraft.
  • Offene Fragen zur Schuldhaftigkeit: Das Berufungsgericht muss nun klären, ob die Beklagte schuldhaft gehandelt hat und ob die Eigentumsverletzung kausal für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden war.

Rechtliche Grundlage

​Das Urteil stützt sich insbesondere auf folgende Vorschriften:
  • § 823 Abs. 1 BGB: Schutz des Eigentums und sonstiger Rechte
  • Art. 1, 5, 6, 11 EU-Blocking-VO (Verordnung (EG) Nr. 2271/96): Schutz gegen extraterritoriale Anwendung von Drittstaatensanktionen
  • Iran Freedom and Counter-Proliferation Act of 2012: US-Gesetzgebung zur Sanktionierung von Unternehmen mit Iran-Geschäften

Vergleich zur Rechtslage bei EU-Sanktionen

​Während das BGH-Urteil sich mit den Auswirkungen von US-Sanktionen befasst, ist die Rechtslage bei EU-Sanktionen anders geregelt. Die EU-Sanktionsverordnungen enthalten explizite Vorschriften zu Schadensersatzansprüchen im Falle des Einfrierens von Vermögenswerten. Unternehmen, die aufgrund von EU-Sanktionen Vermögenswerte einfrieren, handeln in der Regel auf einer klaren gesetzlichen Grundlage und sind vor Schadensersatzforderungen geschützt, sofern sie die Vorgaben der jeweiligen EU-Verordnungen einhalten.

Bedeutung des Urteils

Die Entscheidung des BGH ist wegweisend für den Umgang mit den Auswirkungen extraterritorialer US-Sanktionen auf Unternehmen in Deutschland. Sie stärkt den Eigentumsschutz und zeigt Grenzen für die freiwillige Befolgung von US-Sanktionsrecht auf. Gleichzeitig stellt sie hohe Anforderungen an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und betont die Bedeutung der EU-Blocking-VO. Das Urteil könnte auch auf weitere Fälle mit Bezug zu internationalen Sanktionen ausstrahlen.

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