Wirtschaftsmotor Asien – Ein Detailblick auf den Markt in Fernost

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veröffentlicht am 24. April 2019
 

Prof. Dr. Peter Bömelburg antwortet

 

 

Welche Regionen Asiens sind für Investoren aktuell interessant?

Eine spezielle Region innerhalb Asiens auszumachen, wäre zu kurz gegriffen. So unterschiedlich die Wirtschafts­kraft, Entwicklung und Kultur, so unterschiedlich sind auch die Potenziale in den einzelnen Ländern. Dass Asien als Ganzes betrachtet einer der wichtigsten Wirtschaftsmotoren weltweit ist und sich der Aufwind der letzten Jahre in absehbarer Zeit nicht signifikant ändern wird, ist unbestritten. Betrachten wir dennoch die drei großen zusammengefassten Wirtschaftsräume Ostasien, Südasien und Südostasien, zeigen sich einige Unterschiede.

 

In Ostasien erfährt China mit den Auswirkungen der amerikanischen Handelspolitik kräftigen Gegenwind. Dennoch – oder gerade deshalb – bleibt der Markt für Investoren und Unternehmen sehr interessant. Mit Japan wurde die Handelsbeziehung durch das frisch in Kraft getretene EU-Japan-FTA auf eine neue Stufe gehoben. Taiwan, Hongkong und Korea bleiben für bestimmte Industrien ebenfalls attraktiv.

 

Im südasiatischen Raum ist mit dem Zugpferd Indien ein riesiger heterogener Wachstumsmarkt am Start, der durch die wirtschaftsliberale Regie­rung weiter reformiert wird – zuletzt mit der weitreichenden Umsatz­steuer­reform. Für deutsche Unternehmen ist u.a. das MIIM-Förderprojekt der indischen Regierung ein zentraler Anknüpfungspunkt, um in den Markt einzusteigen.

 

Südostasien bleibt zwar ein aufstrebender Wirtschaftsraum, sollte bei länderspezifischen Investitionen jedoch genauer betrachtet werden, da die Unterschiede in Hinblick auf das Potenzial und die Wirtschaftskraft sehr groß sein können. Für deutsche Unternehmen bleiben Thailand, Vietnam, Singapur (v.a. als Ausgangspunkt für Investitionen in den gesamten Asien-Pazifik-Raum), Malaysia, Indonesien und die Philippinen die wichtigsten Märkte. Wird der Infrastrukturausbau der übrigen ASEAN-Länder weiter vorangetrieben, besteht hier großes Potenzial für die deutsche Wirtschaft.

 

Worin bestehen die größten Investitionshürden?

In einigen asiatischen Ländern bestehen weiterhin sog. „Negativlisten”, die eine Beschränkung von ausländ­ischen Investitionen in bestimmten Sektoren vorsehen. Zudem beklagen deutsche Unternehmen zunehmend Benachteiligungen bei Ausschreibungen oder der Einwerbung von Fördergeldern gegenüber lokalen oder anderen asiatischen Unternehmen. Darüber hinaus gelten für fast alle Länder die kulturellen Unterschiede und die Suche nach geeignetem Fach- und Führungspersonal als eine der entscheidenden Herausforderungen, um im jeweiligen Land zu investieren.

 

Steigende Lohnkosten führen zu Standortverlagerungen innerhalb Asiens, z.B. von China nach Vietnam. Darüber hinaus gelten die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern als schwierig  –  auch, weil es teils an einer klaren Gesetzgebung fehlt. Korruption im politischen und ökonomischen Umfeld, die Volatilität der Währungen, die z.T. starke Wechselkursschwankungen nach sich zieht, und fehlender Infrastrukturausbau abseits bekannter Metropolen werden ebenfalls kritisch beurteilt.

 

Welche wirtschaftliche Rolle spielt der Verband Südostasiatischer Nationen (kurz: ASEAN) im internationalen Handel?

ASEAN ist der sechstgrößte Wirtschaftsraum mit über 600 Mio. Menschen und gewinnt weiter an Attraktivität. Mit der Bildung der AEC (ASEAN Economic Community) wurde eine Institution geschaffen, die die wirtschaft­liche Integration innerhalb der Region weiter vorantreiben soll. Dazu zählen auch die Harmonisierung von Standards, die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Förderung der Fachkräftemobilität. Eine Vielzahl regionaler und überregionaler Freihandelsabkommen in der Asien-Pazifik-Region hat dazu geführt, dass bereits heute ein Wirtschaftsraum besteht, der drei Mrd. Menschen umfasst. Ein weiterer Meilenstein könnte das vornehmlich durch China vorangetriebene Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) werden, das noch in 2019 unterschrieben werden soll. Wird das FTA unterzeichnet, wäre es das größte Freihandels­abkommen, das ohne die USA geschlossen wurde und 40 Prozent des Welthandelsvolumens abbildet.

 

Das kürzlich unterschriebene EUSFTA (EU-Singapore FTA) und die Verhandlungen mit Vietnam senden darüber hinaus positive Signale nach Europa. Neben dem Abbau von Zöllen sollen nichttarifäre Handelshemmnisse minimiert und der Zugang für deutsche Unternehmen erleichtert werden. Perspektivisch gehen wir davon aus, dass die EU ein multilaterales Abkommen mit der ASEAN-Gemeinschaft anstreben wird.

 

Allerdings wird jedes der Mitgliedsländer weiterhin eine sehr eigenständige Wirtschaftspolitik und -förderung betreiben.

 

Wie sind die Erfahrungen mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2017?

Durch die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2017 wurden weltweite Standards vereinheitlicht. Die Bedeutung der Verrechnungspreisdokumentation ist erheblich gestiegen und wir können feststellen, dass sich der Großteil der asiatischen Länder an den neuen OECD-Richtlinien orientiert, wenngleich bei der Umsetzung lokale Inter­pretationen und zusätzliche Dokumentationsanforderungen zum Einsatz kommen. Besonders spannend stellt sich in diesem Fall Thailand dar, das seine Anforderungen zuletzt drastisch erhöht hat. Updates zu den Doku­mentationsanforderungen gab es zudem in Vietnam, Singapur, Malaysia und Indonesien. Lokalkolorit zeigt sich auch in China, wo bspw. Dienstleistungen wie Rechtsberatung, Personalberatung u.ä., anders als in der von der OECD vorgegebenen Einordnung, als non-beneficial ausgelegt werden, was wiederum Auswirkung auf die Safe-Habour-Regelung hat.

 

Festhalten können wir, dass es fast immer länderspezifische Ausnahmeregelungen geben wird, deren Beachtung und Umsetzung erforderlich ist – weltweite Standards hin oder her.

 

Die letzte Ausgabe unseres Entrepreneur widmete sich dem Thema „Künstliche Intelligenz” (KI). Asien gilt in Sachen Technik oft als Vorreiter: Wie weit ist uns der Kontinent bei der technischen Innovation voraus?

Eine pauschalisierte Antwort wäre hier der falsche Ansatz. Sehen wir uns China als neue KI-Supermacht genauer an, lässt sich kaum von der Hand weisen, dass sie uns in einigen Bereichen voraus sind. In Indonesien existiert zwar eine staatliche KI-Strategie, jedoch mangelt es an der (Ausbildungs-)Infrastruktur, um kurz- oder mittelfristig in Schlagdistanz zu kommen. Die verschiedenen politischen Rahmenbedingungen sowohl in Asien als auch Europa spielen zudem eine entscheidende Rolle  –  sei es bei der Vergabe von Fördergeldern als auch bei der Dynamik, wie Innovationen im KI-Bereich geschaffen werden. Außerdem ist zu unterscheiden, in welchen Bereichen KI eingesetzt wird. Die asiatische Gesellschaft ist vermeintlich digitalaffiner und hegt kulturell bedingt einen lockereren Umgang mit persönlichen Daten als der Europäer, der viel Wert auf den Schutz seiner Daten und den Datenschutz im Allgemeinen legt. Diesen Datenschutz sollten europäische Unternehmen bei der Entwicklung als einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sehen, der aktuell deutlich unterschätzt wird. Wir sollten hier aber auch nicht übertreiben.

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Prof. Dr. Peter Bömelburg

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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