Whistleblowing in den VAE und Dubai

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zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten

Update

​Im Nachstehenden soll auf bedeutsame jüngere Entwicklungen im Bereich des Whistleblowings in den VAE – insbesondere in Dubai – eingegangen werden. Soweit es bisher an einer einheitlichen Rahmengesetzgebung in Bezug auf den Hinweis­ge­ber­schutz mangelte, sind mittlerweile Neuerungen zu verzeichnen, die zu einer genaueren Erörterung des sog. „Whistleblowing-Regimes“ veranlassen.
 

IDFSA - Whistleblowing Regime

Ausgangslage

Die Finanzaufsichtsbehörde von Dubai (DFSA), die als unabhängige Finanzaufsichtsbehörde des Dubai International Financial Centre (DIFC) fungiert, veröffentlichte am 7. Juli 2021 das Konsultationspapier Nr. 141 („CP 141“), in dem die Einführung von Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Meldung und Erfassung von Fehlverhalten vorgeschlagen wurde.
 
Auf Grundlage dessen führte die DFSA am 7. April 2022 eine Regelung zur Umsetzung des sog. „Whistleblowing-Regimes“ ein, welche die im CP 141 gemachten Vorschläge widerspiegelt. Die Regelung ist die erste ihrer Art, die von einer Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde in den VAE eingeführt wurde und gilt für alle von der DFSA beaufsichtigten Unternehmen, die im oder vom Dubai International Financial Centre (DIFC) aus tätig sind.
 
Inhalt der Regelung ist die Änderung des Regulierungsgesetzes von 2004 mit dem Ziel die Whistleblowing-Kultur in Unternehmen zu verbessern, indem alle von der DFSA beaufsichtigten Unternehmen der Verpflichtung unterliegen, wirksame Richtlinien und Verfahren zur Meldung und Bewertung von aufsichtsrechtlichen Be­denken einzuführen. So soll zur häufigeren Meldung von aufsichtsrechtlichen Bedenken ermutigt, Fehlverhalten vorgebeugt und die effektive Einhaltung jener Regelungen gesichert werden.
 

Anwendungsbereich

„Whistleblower“ im Sinne von Artikel 68A des Regulierungsgesetzes ist jeder, der eine qualifizierte Meldung an einen bestimmten Empfänger macht, obgleich diese anonym erfolgt. Eine Meldung gilt dann als qualifiziert im Sinne vorstehender Regelung, wenn sie sich auf den begründeten Verdacht bezieht, dass ein beaufsichtigtes Unternehmen oder (leitender) Angestellter gegen eine Bestimmung des Gesetzes oder anderer von der DFSA verwalteter Rechtsvorschriften verstoßen, Geldwäsche, Betrug oder ein sonstiges Finanzverbrechen begangen hat und die Offenlegung in gutem Glauben erfolgt ist. Letzteres setzt voraus, dass die Meldung ehrlich und nicht in unredlicher oder böswilliger Absicht vorgenommen wird. Beweisbelastet hinsichtlich des Vorliegens vorstehender Kriterien ist der Whistleblower selbst. Ob ein begründeter Verdacht vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Ein aufrichtiger und ehrlicher Verdacht, der sich auf objektive Tatsachen oder Beweise stützt, kann selbst dann als vernünftig angesehen werden, wenn er sich nach einer Untersuchung als unbegründet erweist.
  
Um den Schutz der Regelung zu erlangen, hat die Meldung intern innerhalb des von der DFSA beaufsichtigten Unternehmens oder extern an dessen Wirtschaftsprüfer, die DFSA oder eine Strafverfolgungsbehörde zu erfolgen.
  

Rechtsfolge

Die neue Gesetzeslage untersagt es grundsätzlich, denjenigen, der im Rahmen des dargestellten Anwendungs­bereichs eine qualifizierte Meldung macht, einer zivilrechtlichen oder vertraglich Haftung zu unterziehen oder in Anspruch zu nehmen. Eine strafrechtliche Verfolgung fällt jedoch nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften.
 
Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist eine Kündigung aufgrund einer solchen Offenbarung als ungerechtfertigt anzu­sehen.
 
Bei Verstoß obliegt es dem Whistleblower beim DIFC-Gericht eine Entschädigung für den erlittenen Schaden geltend zu machen.
 

Konsequenzen für Unternehmen

Jedes dem Anwendungsbereich des Regulierungsgesetzes unterfallende Unternehmen ist seit dem 7. April 2022 verpflichtet über schriftliche Richtlinien und Verfahrensregeln hinsichtlich Mitteilungen durch Whistleblower sowie deren Entgegennahme, Bewertung und Weiterleitung zu verfügen. Es sind zum einen Maßnahmen zum Schutz der Identität des Whistleblowers, der Vertraulichkeit seiner Mitwirkungshandlungen sowie zu seinem Schutz vor Nachteilen zu implementieren. Zum anderen bedarf es Maßnahmen zur Regelung von Interessen­konflikten sowie zur fairen Behandlung von Personen, die von einem Whistleblower beschuldigt werden, einen Verstoß begangen zu haben.
  
Die eingeführten Richtlinien und Verfahren haben nach Art, Umfang und Komplexität der Geschäftstätigkeit des Unternehmens angemessen zu sein. Zur Sicherstellung von Effektivität, Angemessenheit und Aktualität ist eine regelmäßige Überprüfung durchzuführen.
 
Ein von der DFSA beaufsichtigtes Unternehmen sollte im Rahmen der Umsetzung dieser neuen Anforderungen all seine leitenden Angestellten und Mitarbeiter über die ihnen zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen informieren.
 
Verpflichtend ist zudem die schriftliche Aufzeichnung des von einem Hinweisgeber gemeldeten Sachverhaltes sowie des Ergebnisses der Bewertung mitunter als Grundlage einer effektiven Kontrollmöglichkeit durch die DFSA.
 
Unbeachtlich der intern zu implementierenden Whistleblowing-Möglichkeiten von Unternehmen, hat die DFSA eine spezielle Whistleblowing-E-Mail-Adresse zur Meldung aufsichtsrechtlicher Anliegen eingerichtet. Zudem kündigte sie an, die Einhaltung der hier vorgestellten Regelung zu überwachen und bis Mitte 2023 die Umsetzung und Wirksamkeit der Maßnahmen zu evaluieren.

Raqeeb – Whistleblower Programm der FTA

Als weiterer Meilenstein in Richtung umfassender Regelungen zum Schutze von Hinweisgebern und der Herstellung eines Einklangs mit den internationalen Standards, hat die Steuerbehörde (Federal Tax Authority) das sog. Raqeeb Programm zum Schutze von Hinweisgebern hinsichtlich Steuerverstößen und -hinterziehungen verabschiedet, das am 15. April 2022 in Kraft getreten ist.
 
Ein etwaiger steuerlicher Verstoß kann dabei durch das Raqeeb Programm angezeigt werden, wobei die Daten des Hinweisgebers durch die Eingehung einer Verschwiegenheitsverpflichtung durch die Behörden als vertraulich behandelt werden. Zudem erhält der Hinweisgeber bei Anzeige eines Sachverhalts unter Umständen eine entsprechende Vergütung für die Offenbarung. Die genauen Anforderungen einer Anzeige und der daraus folgenden finanziellen Vergütung sowie die Vorgehensweise an sich, ist auf der Website der Steuerbehörde, über die auch die Anzeige aufzugeben ist, dargestellt.
 
Das Programm, das die Anzeige von Verstößen gegen Steuergesetze ermöglicht, bezieht sich daher denklogisch zum hiesigen Zeitpunkt lediglich auf die Mehrwertsteuer (VAT). Mit Einführung der Körperschaftssteuer im kommenden Jahr ist zu erwarten, dass das Programm weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Weitere Informationen

  1. Die allgemeine Situation in den Vereinigten Arabischen Emiraten »
  2. Hinweisgeberschutz im Emirat Dubai »
  3. Gesetzliche Regelungen einzelner Freihandelszonen »
  4. Einrichtung eines Whistleblowing-Portals durch die Zentralbank »
  5. Interne Whistleblowing-Richtlinien »     

 

1. Die allgemeine Situation in den vereinigten Arabischen Emiraten

Wenngleich eine Vielzahl der gesetzlichen Regelungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten den Hinweis­ge­ber­schutz behandeln oder zumindest teilweise ansprechen, so bleiben diese in den Voraussetzungen und vor allem der inhaltlichen Ausgestaltung des Schutzes zugunsten des Hinweisgebers regelmäßig unklar, so dass es weiterhin an einer einheitlichen (Rahmen-)Gesetzgebung mangelt. Insbesondere fehlt eine allgemeine Defini­tion von „Whistleblowing” innerhalb der einschlägigen Gesetzgebung. Da ein Großteil der den Hinweisgeber schützenden Regelungen erst seit kurzem bestehen, ist Whistleblowing in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Vergleich zu anderen Legislaturen, die Whistleblower umfassend schützen und darüber hinaus regelmäßig sogar Anreize zur Offenlegung enthalten, bisher traditionell weniger verbreitet.
 
Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die Vereinigten Arabischen Emirate mit ihren sieben Emiraten und mehr als 40 Freihandelszonen zwar grundsätzlich über allgemein geltendes Bundesrecht verfügen, die einzelnen Emirate – sozusagen im Rahmen einer Landesgesetzgebung – wie auch die jeweiligen Freihandelszonen jedoch eigenständig gesetzliche Regelungen erlassen können, obgleich diese dem Bundesrecht nicht widersprechen dürfen.

Auf Bundesebene verpflichtet das Strafgesetzbuch (UAE Penal Code) natürliche Personen Straftaten grund­sätz­lich anzuzeigen. Dabei handelt es sich jedoch um eine allgemeine Regelung, die insbesondere nicht auf spezielle Sachverhalte Anwendung findet, die beispielsweise im Rahmen von Whistleblowing einschlägig sein können oder auch von etwaigen gesetzlichen Regelungen in anderen Ländern erfasst sein dürften. So wird hierbei ausschließlich illegales, jedoch nicht unethisches Verhalten erfasst.

 

Zudem zeigt sich, dass diese Anzeigepflicht mangels detaillierter Ausgestaltung an sich schwer durchsetzbar ist.

 

In diesem Zusammenhang beschreibt das Strafgesetzbuch zwar ausdrücklich die Anzeigepflicht von Straftaten, bietet dem Hinweisgeber jedoch von Gesetzes wegen keinerlei Schutz vor eigener Inanspruchnahme oder straf­rechtlicher Verfolgung.


2. Hinweisgeberschutz im Emirat Dubai

Das Emirat Dubai regelt in dem 2016 erlassenen Financal Crime Law (Dubai Law No. 4 of 2016) erstmals aus­drücklich den Schutz von Whistleblowern. Durch dieses wurde das Dubai Centre for Economic Security zur Be­kämpfung der Finanzkriminalität eingerichtet. Die Offenlegung von illegalem und unethischem Verhalten im Emirat ist dabei jeweils an dieses zu richten.
 

Das DCES ist gesetzlich verpflichtet dem Hinweisgeber den notwendigen Schutz an seinem Aufenthaltsort zu gewähren. Eine Legaldefinition des notwendigen Schutzes gibt das Gesetz jedoch nicht. Zudem muss diese eingerichtete Stelle die Verschwiegenheit der Identität und des Aufenthaltsortes des Hinweisgeber, sowie Schutz vor Diskriminierung und Disziplinarmaßnahmen innerhalb des Arbeitsverhältnisses resultierend aus der Offenlegung, sicherstellen. Ein Hinweis and das DCES wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht als Verstoß von etwaigen Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsverpflichtungen angesehen, die zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurden.

 
Allerdings unterfällt der Hinweisgeber dem Anwendungsbereich dieser Schutzpflicht lediglich dann, wenn die Offenlegung des illegalen oder unethischen Verhaltens gegenüber dem Dubai Centre for Economic Security der Wahrheit entspricht und das offengelegte Verhalten die wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität des Emirats Dubai beeinträchtigen kann.
 

Auch schützt die Regelung innerhalb des Financal Crime Laws nicht vor einer strafrechtlichen Inan­spruch­nah­me durch Verstoß gegen etwaige datenschutzrechtliche Regelungen, sodass zwar zivilrechtliche Folgen größ­ten­teils ausgeschlossen sind, jedoch aufgrund einer strafrechtlichen Verfolgung weiterhin enorme Nachteile aus einer Offenlegung resultieren können.

 

3. Gesetzliche Regelungen einzelner Freihandelszonen

Die Freihandelszone Dubai International Financial Center (DIFC), die unter den Freihandelszonen regelmäßig als Vorreiter beim Erlass gesetzlicher Regelungen agiert, hat 2018 zudem das DIFC Operating Law (DIFC Law No. 7 of 2018) erlassen, das mitunter ausdrückliche Regelungen zum Whistleblowing und dem Umgang mit Hinweisgebern enthält. Eine zivilrechtliche Haftung des Hinweisgebers, als auch die Kündigung des Arbeits­verhältnisses oder etwaige arbeitsrechtliche Sanktionsmaßnahmen aufgrund der Offenlegung von Fehlver­hal­ten sollen dabei gesetzlich ausgeschlossen sein. Bei Verstoß gegen diese gesetzlichen Regelungen droht dem Arbeitgeber eine Geldstrafe von bis zu 30.000,00 USD.
 

Allerdings findet das DIFC Operating Law (DIFC Law No. 7 of 2018) und die darin enthaltenen ausdrücklichen Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern lediglich auf Sachverhalte innerhalb dieser Freihandelszone, also folglich auf Personen, die im DIFC oder von dort aus Geschäfte betreiben, Anwendung.


4. Einrichtung eines Whistleblowing-Portals durch die Zentralbank

Seit Juni 2021 können durch Arbeitnehmer, Vertragspartner und sonstige Vertreter der Central Bank of the UAE (CBUAE) innerhalb eines Online-Whistleblowing-Portals Hinweise zu Korruption, Betrug, nicht offengelegten Interessenkonflikten, ethischen Verstößen von Mitarbeitern der CBUAE sowie Verstößen gegen bestimmte Ge­setze und Vorschriften gemeldet werden. Auch Verstöße von Einrichtungen, die der Aufsicht der CBUAE unter­stehen, können über das Portal gemeldet werden, sofern die meldende Person keine Antwort über die entspre­chenden Aufsichtskanäle erhalten hat. Dieses eingerichtete Portal ermöglicht dabei anonyme Hinweise, wo­durch der umfassende Schutz des Hinweisgeber gewährleistet werden soll.
 
Wenngleich dieses Portal aus faktischer Sicht eine erleichterte – und vor allem anonyme – Offenlegung der obengenannten Verstöße ermöglicht, so besteht dies doch weiterhin nur bei Sachverhalten im Zusammenhang mit der CBUAE.
 

5. Interne Whistleblowing-Richtlinien

Nachdem es in den Vereinigten Arabischen Emiraten weiterhin an umfassenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern mangelt und die bestehenden Regelungen in deren Anwendungsbereich lokal ein­geschränkt sind, empfiehlt sich für Arbeitgeber grundsätzlich eine interne Whistleblowing-Richtlinie, sowie die Aufnahme diesbezüglicher Klauseln innerhalb von Arbeitsverträgen. Hiervon wird in den VAE von Seiten der Arbeitgeber bereits vermehrt Gebrauch gemacht. Eine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Meldung sämtlicher Fehlverhalten in Form von illegalen und unethischen Maßnahmen ist insofern aufzunehmen. Zudem sollte die Hinweisgabe, als auch die anschließenden Maßnahmen beim Eingang eines solchen Hinweises klar geregelt sein, wobei ebenso die Anforderungen an eine geschützte Offenlegung – insbesondere für Arbeitnehmer mit grenzüberschreitendem Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich – umfasst sein sollten, um einen Konflikt zum Anwendungsbereich divergierender Rechtsordnungen zu verhindern.
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