Die Europäische Lieferkettenrichtlinie – die geplanten Inhalte

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zuletzt aktualisiert am 24. Februar 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Dr. José Campos Nave und Clemens Bauer


Im Rahmen ihres Pakets für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft hat die EU-Kommission am 23.2.2022 den Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgestellt. Die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt soll damit auch auf europäischer Ebene in allen globalen Wertschöpfungsketten verankert werden. Mit der Pflicht zur Nachverfolgung ganzer Wertschöpfungsketten stellt das EU-Liefer­ketten­gesetz im Vergleich zu dem deutsche Lieferkettengesetz eine wesentliche Verschär­fung dar. Der deutsche Mittelstand wird sich auf einen erhöhten Kontroll- und Büro­kratieaufwand vorbereiten müssen.



Die Entwicklung des Europäischen Lieferkettengesetzes

Die Idee eines europäischen Lieferkettengesetzes wurde bereits im Jahr 2011 in Folge der Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte geboren. Der Europäische Rat ersuchte in Umsetzung der UN-Leitprinzipien die EU-Kommission, bis 2021 einen EU-Aktionsplan zu nachhaltigen Lieferketten auf den Weg zu bringen. Hierdurch kam es u.a. zur Verabschiedung von nationalen Aktionsplänen durch 18 EU-Mitgliedstaaten sowie vereinzelte Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene. Beispiele sind das französische „Loi de vigilance" aus dem Jahr 2017 oder das zuletzt im Jahr 2021 verabschiedete deutsche „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz".

 

Da in den Mitgliedstaaten lediglich vereinzelt Gesetzesinitiativen ergriffen wurden, haben die europäischen Institutionen Pläne zur Einführung eines Lieferkettengesetzes für Europa gefasst. Ziel dabei ist zum einen die Förderung des sog. Europäischen Grünen Deals, dem Nachhaltigkeitsprogramm der Europäischen Union, als auch die Prävention etwaiger Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt durch nationale Gesetzgebung.

 

So verkündete der EU-Justizkommissar in Folge im April 2020 Pläne für ein umfassendes europäisches Lieferkettengesetz, die im Dezember 2020 durch den Europäischen Rat befürwortet wurden. Das EU-Parlament unterstützt das Legislativvorhaben, indem es am 10. März 2021 mit der Mehrheit seiner Abgeordneten die Kommission aufforderte, den Entwurf einer Richtlinie über Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorzulegen.

 

Der EU-Legislativprozess geriet im Mai 2021 ins Stocken, als der Europäische Normenkontrollausschuss den geplanten und nicht veröffentlichten Richtlinienentwurf des Justizkommissars zurückwies und eine Überarbeitung des Legislativvorschlags verlangte. Nach Medienberichten kritisierte der Ausschuss den Entwurf als unverhältnismäßig und rügte u.a. den ausschweifenden Anwendungsbereich, der ein breites Spektrum von klima-, umwelt-, menschenrechts-, sozial- und gesundheitsbezogenen Themen umfasst hat. Ferner fanden nach Auffassung des Ausschusses bestehende Rechtsvorschriften auf EU-Ebene sowie Initiativen des Privatsektors keine ausreichende Beachtung. Beispielhaft, aber nicht abschließend, können als solche Regelungen die EU-Holzhandelsverordnung, die EU-Verordnung über Konfliktmineralien sowie die CSR-Richtlinie genannt werden. Für die Ausarbeitung eines neuen Kommissionsentwurfs wurde in Folge neben dem EU-Justizkommissar der EU-Binnenmarktkommissar betraut.

 

Der Kommissionsentwurf stellt den ersten Schritt im europäischen Gesetzgebungsverfahren dar, in dem die Kommission den Legislativvorschlag gegenüber dem Europäischen Parlament (bestehend aus den Abgeordneten der Mitgliedstaaten) sowie dem Rat der Europäischen Union (bestehend aus Fachministern der Mitgliedstaaten) unterbreitet. Politische Zielvorstellungen spielen bei etwaigen Änderungsanträgen sowie der anschließenden Beschlussfassung eine Rolle. Abschließend muss der Legislativakt durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden.


Die Kernpunkte zum EU-Lieferkettengesetz nach dem Kommissionsentwurf

Der Anwendungsbereich des EU-Lieferkettengesetzes erstreckt sich auf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro (Unternehmen der Gruppe 1). In der sog. Gruppe 2 wird das Schadensrisiko der Unternehmen berücksichtigt, wonach bereits Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro dem EU-Lieferkettengesetz unterfallen, wenn diese in ressourcenintensiven Bereichen tätig sind.

Eine bedeutende Erweiterung des EU-Lieferkettengesetzes stellt die Aufnahme des Klima- und Umwelt­schutzes in den Sorgfaltspflichtenkatalog dar. Während das deutsche Lieferkettengesetz sich schwerpunkt­mäßig auf die Einhaltung der Menschenrechte beschränkt und Umweltschutz nur mittelbar umfasst, nimmt das EU-Lieferkettengesetz negative Auswirkungen auf die Umwelt bspw. durch Umweltverschmutzung oder den Verlust an biologischer Vielfalt ausdrücklich in den Schutzbereich auf. So sind Unternehmen der Gruppe 1 u.a. verpflichtet, in ihrer Geschäftsstrategie die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris zu berücksichtigen.

Die Geschäftsführung wird zur Gewährleistung der Umsetzung und Überwachung der Sorgfaltspflichten und zur Einbindung der Nachhaltigkeitsbestrebungen in die Unternehmensstrategie verpflichtet. So sollen bei allen unternehmerischen Entscheidungen die Folgen für Menschenrechte, Klimawandel und Umwelt berücksichtigt werden. Erfolge bzw. Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten sollen auf die variable Vergütung von Führungs­kräften Einfluss nehmen.

Das europäische Lieferkettengesetz verlangt im Gegensatz zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eine anlasslose Überwachung der gesamten Wertschöpfungskette. Auch wenn die zur Einhaltung der Sorgfalts­pflichten vorgesehenen Maßnahmen Parallelen zum deutschen Lieferkettengesetz aufzeigen, entstehen mit dieser Entscheidung gegen einen risikobasierten Ansatz enorme Prüf- und Dokumentationspflichten für Unter­nehmen.

Verstöße gegen Sorgfaltspflichten sind bußgeldbewährt und richten sich nach dem Umsatz des Unternehmens. Im Falle von Verstößen gegen Sorgfaltspflichten ist außerdem eine zivilrechtliche Haftung vorgesehen – offen ist, ob die Verantwortlichkeit vertraglich auf Zulieferer übertragen werden kann.

Ausblick – die Auswirkungen auf den deutschen Mittelstand

Der Richtlinienentwurf muss in einem nächsten Schritt durch das Europäische Parlament und den Rat gebilligt werden und nach Annahme durch die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.

Kommt es zur Umsetzung des Richtlinienentwurfs in der vorliegenden Form, werden die Auswirkungen ins­be­sondere auf den deutschen Mittelstand schwerwiegend sein. Die EU-Kommission fordert eine Führungsrolle der Europäischen Union beim ökologischen Wandel und flankiert diesen Anspruch mit einem Katalog an obligatorischen Maßnahmen, die für kleine Unternehmen in der Praxis häufig nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umsetzbar sind. Unberücksichtigt bleibt dabei der Umstand, dass deutsche Unternehmen bereits heute führend sind im Bereich nachhaltiger Unternehmenspraxis. 

Gegenüberstellung der Kernpunkte, Stand 23.2.2022

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​Europäisches Lieferkettengesetz

​Deutsches Lieferkettengesetz

Anwendungsbereich
EU-Unternehmen:
Gruppe 1: alle EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft (mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit)
Gruppe 2: andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und die nicht beide Schwellenwerte der Gruppe 1 erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit haben. Für diese Unternehmen gelten die Vorschriften zwei Jahre später als für Gruppe 1.

In der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten,
die einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 und Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen nicht direkt in den Anwendungsbereich des Kommissionsentwurfs
Anwendungsbereich richtet sich nach der Größe des Unternehmens:

Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder satzungsgemäßen Sitz in Deutschland und mindestens 3.000 (Jahr 2023) bzw. 1.000 Mitarbeiter (ab 2024)



​​Reichweite
​Gesamte Wertschöpfungskette
​Unmittelbare Geschäftspartner in der Lieferkette, risikobasiert: bei Hinweisen auf Verstöße auch Erstreckung auf mittelbare Lieferanten
Haftung
​Bußgelder und zivilrechtliche Haftung bei Verstoß gegen Sorgfaltspflichten
​Bußgelder bei Verstoß gegen Sorgfaltspflichten, keine zivilrechtliche Haftung
Sorgfaltspflichten
betreffen potenzielle oder tatsächliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte​
​Weitgehende Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz (Bezugnahme auf die wichtigen Umweltübereinkommen)
​Umweltschutz nur mittelbar, soweit Menschenrechte von Umweltschädigung unmittelbar betroffen sind oder internationale Umweltabkommen ausdrücklich auf den Umweltschutz Bezug nehmen
​​Maßnahmen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten
Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen
​Obligatorische Maßnahmen: Unternehmen müssen
  • die Sorgfaltspflicht zum integralen Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik machen,
  • tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln,
  • potenzielle Auswirkungen verhindern oder abschwächen,
  • tatsächliche Auswirkungen abstellen oder sie auf ein Minimum reduzieren,
  • ein Beschwerdeverfahren einrichten,
  • die Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht kontrollieren und
  • öffentlich über die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht kommunizieren.
  • Verknüpfung von Bonuszahlungen mit Lieferketten-Compliance
​Risikoanalyse sowie aufeinander aufbauende und miteinander verknüpfte Präventions- und Abhilfemaßnahmen, namentlich:
  • die Einrichtung eines Risikomanagementsystems
    (§ 4 Absatz 1 LkSG),
  • die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit für den Menschenrechtsschutz
    (§ 4 Absatz 3 LkSG),
  • die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
    (§ 5 LkSG),
  • die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung
    (§ 6 Abs. 2 LkSG),
  • die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Absatz 1 und 3 LkSG) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
    (§ 6 Absatz 4 LkSG),
  • das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei Verletzung einer geschützten Rechtsposition
    (§ 7 Abs. 1 bis Absatz 3 LkSG),
  • das Einrichten eines Beschwerdeverfahrens
    (§ 8 LkSG) zur Mitteilung von Menschenrechtsverstößen,
  • die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9 LkSG) und
  • die Dokumentation (§ 10 Absatz 1 LkSG) und Berichterstattung (§ 10 Absatz 2 LkSG) im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten.
Kontrolle und Durchsetzung
​Aufsicht durch nationale Behörden​
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