Das Liefer­ketten­sorg­falts­pflichten­gesetz: HR und Arbeitsrecht im Fokus

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zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Da die Mehrheit der vom „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ (Lieferketten­sorg­falts­pflichten­gesetz – nachfolgend: „Lieferkettengesetz“ oder „LkSG“) geschützten men­schen­recht­li­chen Risiken einen unmittelbaren Bezug zum Arbeits- sowie Arbeits­schutz­recht haben und das LkSG zudem unmittelbare individual- wie auch kollektiv­arbeits­recht­li­che Auswirkungen hat, werden die HR-Abteilungen nicht umhin kommen, sich mit den Regelungen vertraut zu machen.
 

 

 

Ein kurzer Aufriss

Zum 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft getreten, das eine Vielzahl deutscher Unternehmen mit Sitz im Inland sowie ausländischer Unternehmen mit Zweigniederlassungen in Deutschland dazu verpflichtet, Verantwortung für Menschenrechte und die Umwelt entlang ihrer Lieferketten zu über­neh­men. Die Erfüllung dieser Anforderungen stellt insbesondere multinational tätige, deutsche Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten in Ländern mit hohem Risiko für Rechtsverletzungen vor Compliance-Herausforderungen von bisher ungekanntem Ausmaß.
 
Schließlich werden Unternehmen gem. § 3 Abs. 1 LkSG dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten die in diesem Abschnitt festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu mini­mieren oder die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden. Dabei müssen die Unternehmen folgenden Sorgfaltspflichten nachkommen:
  • Die Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Abs. 1 u. 3 LkSG)
  • Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit zur Überwachung des Risikomanagements (§ 4 Abs. 1 u. 3 LkSG),
  • die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5 LkSG),
  • die Abgabe einer Grundsatzerklärung (§ 6 Abs. 2 LkSG),
  • die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 u. 3 LkSG) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Abs. 4 LkSG),
  • das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Abs. 1 bis 3 LkSG),
  • die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG),
  • die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9 LkSG) und
  • die Dokumentation sowie die Berichterstattung (§ 10 Abs. 1 u. 2 LkSG).
 
Die angemessene Weise eines den vorstehenden Sorgfaltspflichten genügenden Handelns bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 LkSG nach (i) Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, (ii) das Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher, (iii) die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzungen und (iv) der Verursachungsbeitrag des Unternehmens. Ausweislich der Gesetzesbegründung gilt dabei zweierlei (vgl. BT Drs. 19/28649, S. 42): Je größer das Einflussvermögen des Unternehmens, je schwerer und wahrscheinlicher die zu erwartenden Verletzungen und je größer der Verursachungsbeitrag des Unter­neh­mens, desto größere Anstrengungen muss das Unternehmen tätigen, um den Anforderungen der Sorgfalts­pflichten zu genügen. Je anfälliger eine Geschäftstätigkeit nach Produkt und Produktionsstätte für men­schen­recht­li­che Risiken ist, desto wichtiger ist die Überwachung der Lieferkette.
 
Damit begründet LkSG lediglich eine Bemühungspflicht und gerade keine Erfolgspflicht oder Garantiehaftung (vgl. auch: BT Drs. 19/28649, S. 2). Dennoch: Die Anforderungen an ein entsprechendes Bemühen dürften im Einzelfall recht hoch und unkalkulierbar sein und dem einen oder anderen Unternehmer[1] Kopfschmerzen bereiten.
 
Wie ernst der Gesetzgeber die Umsetzung des LkSG und die Verfolgung von Verstößen gegen dieses nimmt, zeigt allein, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend: „BAFA“) ein mehr­spra­chiges (Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch) Online-Beschwerdeformular eingerichtet hat, mit welchem – auch anonym – bevorstehende oder bereits eingetretene Verletzungen gemeldet werden können.
 

Welche Unternehmen das Lieferkettengesetz wirklich betrifft

Das Gesetz gilt unmittelbar zwar zunächst für deutsche Unternehmen mit Sitz im Inland sowie ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in Deutschland (nachfolgend: „Unternehmen“) mit in der Regel mindestens 3.000 im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und ab dem 1. Januar 2024 auch für Unternehmen mit in der Regel mindestens 1.000 im Inland beschäftigten Arbeitnehmern – jeweils einschließlich der ins Ausland entsandten Arbeitnehmer.
 
Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl werden neben den ins Ausland entsandten Arbeitnehmern sämtliche inländische Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften der Obergesellschaft hinzugerechnet. Des Weiteren werden Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl des Entleihunternehmens berücksichtigt, sofern die Einsatzdauer sechs Monate überschreitet.
 
Da die unmittelbar erfassten Unternehmen angehalten sind, auch bei ihren Zulieferern menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu reduzieren oder ganz abzuschalten, werden auch Unternehmen, die Arbeit­nehmer unter dem jeweiligen Schwellenwert beschäftigen, aber Teil einer Lieferkette sind, mittelbar von den Sorgfaltspflichten des LkSG betroffen sein. Schließlich wären die vom LkSG unmittelbar betroffenen Unter­nehmen schlecht beraten, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht an die Zulieferer weitergeben würden.
 

Das Lieferkettengesetz im Lichte des Arbeitsrechts

1. Schutzgüter des LkSG mit arbeitsrechtlicher Prägung

Das Lieferkettengesetz enthält in § 2 Abs. 2 und 3 LkSG einen detaillierten Katalog der geschützten menschen­rechtlichen und umweltbezogenen Rechtspositionen nebst Verweis auf die jeweils einschlägigen inter­natio­na­len Übereinkommen (z.B. das Übereinkommen Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung).
 
Eine Vielzahl der geschützten menschenrechtlichen Rechtspositionen beziehen sich unmittelbar auf das Arbeits­leben und bestimmen sich – national wie auch international – nach arbeits- und arbeitsschutz­recht­lichen rechtlichen Normen. Zu den menschenrechtlich geschützten Rechtspositionen gehören u.a. (i) das Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit sowie jeglicher Form von Sklaverei, (ii) die Beachtung des Arbeitsschutzes am Ort der Beschäftigung, (iii) das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit, (iv) der Schutz vor Diskri­minierung sowie (v) die Zahlung eines angemessenen Lohns.

2. Die neuen Rollen des Wirtschaftsausschusses und Betriebsrats

Mit Einführung des LkSG wurde der Katalog der Unterrichtungspflichten in § 106 Abs. 3 Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz (nachfolgend: „BetrVG“) erweitert. Nunmehr ist der Wirtschaftsausschuss – wenn und soweit der Anwendungsbereich des LkSG eröffnet ist – auch über „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gem. dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ rechtzeitig und umfassen zu unterrichten (§ 106 Abs. 3 Nr. 5b. BetrVG). 
 
Zwar wurden im Rahmen der Einführung des LkSG hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats keine Ände­rungen oder Ergänzungen des BetrVG vorgenommen. Dennoch sollten Arbeitgeber besonderes Augenmerk auf die bereits bestehenden Mitbestimmungsrechte legen. Denn je nach Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten im jeweiligen Einzelfall, kommt eine Vielzahl von Mitbestimmungsrechten in Frage. Im Einzelnen:
  • Bereits bei Einrichtung eines Risikomanagements kann es zu einer Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG kommen. Dies ist dann der Fall, sofern das Ordnungsverhalten im Betrieb und nicht die Arbeitspflicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt wird. Das Ordnungsverfahren und damit eine zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats wäre dann anzunehmen, sofern ein standardisiertes Verfahren zum Verhalten bei der Meldung von Gesetzesverstößen geregelt wird. 
  • Auch im Rahmen der Risikoanalyse gem. § 5 LkSG besteht in bestimmten Konstellationen ein Mitbestim­mungsrecht des Betriebsrats. Ein solches Mitbestimmungsrecht kann in Form von § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorliegen, wonach Personalfragebögen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Der Gesetzgeber lässt es offen, in welcher Form eine Risikoanalyse gem. § 5 LkSG zu erfolgen hat, so dass auch eine Risikoanalyse durch einen standardisierten Personalfragebogen möglich ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG dann nicht besteht, wenn die Teilnahme an der Befragung lediglich auf freiwilliger Basis erfolgt. 
  • Sofern ein Risiko nach § 5 LkSG festgestellt wurde und deshalb Präventionsmaßnahmen gem. § 6 Abs. 1 LkSG zu erfolgen haben, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 6 BetrVG zu beachten, wonach der Betriebsrat bei der Durchführung sonstiger Bildungsmaßnahmen mitzubestimmen hat. Um solche sonstigen Bildungsmaßnahmen dürfte es sich im Falle der Durchführung von Schulungen in den relevanten Geschäfts­bereichen nach § 6 Abs. 3 Ziff. 3 LkSG handeln. 
  • Im Rahmen der zu ergreifenden Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG) entsteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wenn und soweit es um konkretisierende Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und den Schutz der Gesundheit geht. 
  • Schließlich kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Betracht, sofern ein elektro­nisches Beschwerdemanagement umgesetzt wird und der hinweisgebende Arbeitnehmer beispielsweise in Form einer Online-Eingabemaske die Beschwerde absenden muss. 
 

3. Arbeitsrechtliche Umsetzung der Grundsatzerklärung

Die Implementierung der vom Unternehmen gem. § 6 Abs. 2 LkSG abzugebenden Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie und der darin enthaltenen Verhaltenserwartungen an die Arbeitnehmer erfolgt nicht schon durch den Pflichtenkatalog des Lieferkettengesetzes. Schließlich sind nicht die Arbeitnehmer des Unternehmens, sondern das Unternehmen selbst Normadressat des LkSG.
 
Daher muss ein entsprechender Code of Conduct, um Verbindlichkeit gegenüber den Arbeitnehmern zu erhalten, bei der Einführung in das Arbeitsverhältnis durch (i) das Direktionsrecht des Arbeitgebers, (ii) eine arbeitsvertragliche Regelung oder (iii) einer Betriebsvereinbarung implementiert werden.
 
Der Charme der Implementierung eines Code of Conduct durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung liegt darin, dass in dessen Rahmen zahlreichen der zuvor angeschnittenen Beteiligungsrechten des Betriebsrats Rechnung getragen werden kann.
 

4. LkSG – eine Chance für HR-Abteilungen

Die Schutzgüter nach dem LkSG haben – wie zuvor herausgearbeitet – mehrheitlich Bezug zum Arbeitsleben. Angesichts dessen bietet sich unseres Erachtens an, das in den HR-Abteilungen vorhandene Know-how bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen betreffend das Risikomanagement und die Präventions­maß­nah­men entsprechend zu nutzen. Naheliegend und eine Chance für alle Beteiligten dürfte daher sein, die vom Gesetz im Rahmen des Risikomanagements vorgeschlagene Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten in der HR-Abteilung umzusetzen. Mehr mehr über den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Arbeitsrecht erfahren Sie hier.

Fazit und Ausblick

Das LkSG stellt einen wichtigen Schritt für den weltweiten Schutz von Menschenrechten und Umwelt dar, welches auch kleinere Zulieferer-Betriebe aufgrund der mittelbar geltenden Sorgfaltspflicht, Beachtung schenken sollten.  
 
Zwar verpflichtet das LkSG ausdrücklich Unternehmen, ohne unmittelbare Bezugnahme auf das Arbeits­ver­hält­nis. Bei einem genaueren Blick zeigen sich mit Blick auf die Implementierung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG jedoch mehr als nur arbeitsrechtliche „Berührungspunkte“, auf die sich die HR-Abteilungen künftig einstellen und entsprechend vorbereiten sollten. Insbesondere sollten die an das Unternehmen adressierten Sorgfaltspflichten in das jeweilige Arbeitsverhältnis als Arbeitspflichten – z.B. durch Einführung bzw. Aktualisierung eines Code of Conduct – implementiert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Sorgfaltspflichten auch tatsächlich eingehalten werden. 
 
Wenn ein Betriebsrat existiert, sollte besonderes Augenmerk auch auf die konkrete Ausgestaltung der Sorg­faltspflichten gelegt werden. Denn je nach Ausgestaltung kommen einige Mitbestimmungsrechte des Betriebs­rats in Betracht.
 
Insgesamt betrachtet ist das Lieferkettengesetz für die HR-Abteilungen eine Chance, (i) ihr Know-how auch in diesem Bereich gewinnbringend für die Unternehmen einzusetzen, (ii) sich bei den Themen betreffend das ESG (Environmental – Social – Governance) frühzeitig zu positionieren und (iii) den Change-Prozess hin zu einem „Green HRM“, also nachhaltigen Human Resources Management, einzuleiten bzw. erfolgreich fortzuführen.
 


[1] Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird im Folgenden lediglich das generische Maskulinum verwendet. Es sind jedoch stets Personen jeglichen Geschlechts bzw. jeglicher Geschlechtsidentität gleichermaßen gemeint.
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