Gesetzesdekrete „Sostegni" und Nr. 30/2021: Die wichtigsten Neuerungen im Bereich Arbeitsrecht in Italien

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

Am 23. März 2021 ist das Gesetzesdekret Nr. 41/2021 (sog. ‘Gesetzesdekret Sostegni’) in Kraft getreten, mit welchem die Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmern im Zusammenhang mit der durch Covid-19 verursachten Gesundheitsnotlage aktualisiert wurden.

  

  

Die Verabschiedung des „Gesetzesdekrets Sostegni“ erfolgte nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Gesetzesdekrets Nr. 30/2021, welches sich auf die Bereiche Elternurlaub und Smart-Working bezog. Diese Gesetzesdekrete stellen die Instrumente dar, mit denen die neue Regierung unter Mario Draghi zum ersten Mal wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Maßnahmen im Zusammenhang mit der durch die Covid-19-Pandemie verursachten Gesundheitsnotlage ergreift. 

Im Nachfolgenden, eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuerungen im Bereich Arbeitsrecht:

Kurzarbeit (Art. 8 Absätze 1-8 Gesetzesdekret Sostegni)

In Bezug auf die Ordentliche Kurzarbeit („CIGO“) wurden weitere 13 Wochen der Lohnergänzungsmaßnahme eingeführt, welche im Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 30. Juni 2021 genützt werden können. In Bezug auf die Sonderkurzarbeit („CIGD“) sowie den Lohnergänzungsfonds („FIS“) wurden hingegen weitere 28 Wochen Kurzarbeit eingeführt, welche im Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 31. Dezember 2021 in Anspruch genommen werden können.

In beiden Fällen werden die Lohnergänzungsmaßnahmen in Bezug auf Arbeitnehmer gewährt, die zum Datum des Inkrafttretens des „Gesetzesdekrets Sostegni“ (23. März 2021) angestellt sind, und es ist kein Zusatzbeitrag auf Seiten des Arbeitgebers vorgesehen.

Die Anträge auf Lohnergänzungsmaßnahmen müssen bis zum Ende des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Reduzierung oder Unterbrechung der Arbeitszeit begann, an die INPS (Italienische Sozialversicherungsbehörde) übermittelt werden. In der Erstantragsphase ist die Frist – falls diese nach der gewöhnlichen liegt – mit dem dreißigsten Tag ab dem Datum der Veröffentlichung des „Gesetzesdekrets Sostegni“ festgelegt.

Bei direkter Zahlung der Lohnergänzungsmaßnahme sind der Sozialversicherungsbehörde ferner die dazu erforderlichen Daten mitzuteilen. Diese Mitteilung muss bis zum Ende des Monats erfolgen, der auf die Lohnperiode folgt, auf welche sich die Zahlung bezieht.

Mit besonderem Bezug auf die Sonderkurzarbeit ist es weiterhin möglich, bei der INPS eine Vorauszahlung von bis zu 40 % der fälligen Maßnahme für die beantragten Sonderkurzarbeitsstunden anzufragen.

Für die von den Bilateralen Fonds gewährten Lohnergänzungsmaßnahmen gelten die für die Sonderkurzarbeit und den Lohnergänzungsfonds („FIS“) vorgesehenen Regelungen.

In formaler Hinsicht bleibt die Notwendigkeit der Information an die Gewerkschaftsorganisationen gemäß Artikel 19 Absatz 2 des Gesetzesdekrets Nr. 18/2020 (sog. "Gesetzesdekret Cura Italia") in Kraft, wobei die Gewerkschaftsvertreter innerhalb von 3 Tagen eine gemeinsame Prüfung beantragen können, welche auf elektronischem Wege und ohne die Notwendigkeit der Erzielung einer Einigung in der Angelegenheit durchgeführt wird.

Kündigungsverbot (Art. 8 Absätze 9-11 Gesetzesdekret Sostegni)

Das “Gesetzesdekret Sostegni” dehnt das Kündigungsverbot weiter aus und sieht dabei zwei verschiedene Fristen vor, je nachdem, welche Art von sozialen Abfederungsmaßnahmen den Unternehmen zur Verfügung stehen, und trifft praktisch somit eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten. Insbesondere wird das Verbot erga omnes bis zum 30. Juni 2021 verlängert, während es in bestimmten Fällen bis zum 31. Oktober 2021 ausgedehnt wird. Bis zu diesem Datum bleibt das Verbot nur für Arbeitgeber in Kraft, welche die Arbeitstätigkeit reduzieren oder unterbrechen, und dabei die Anwendung folgender Maßnahmen beantragen:
  • Lohnausgleichsscheck (Lohnergänzungsfonds „FIS“), 
  • Sonderkurzarbeit („CIGD“) oder
  • Kurzarbeit für den Landwirtschaftssektor („CISOA“).
Im erläuternden Bericht zum „Gesetzesdekret Sostegni“ ist jedoch vorgesehen, dass dieses Verbot nur für Arbeitgeber gilt, welche Lohnergänzungsmaßnahmen mit dem Grund „Covid-19" in Anspruch nehmen. Auf den ersten Blick scheint diese Formulierung das Verbot auch auf Unternehmen auszudehnen, welche die Ordentliche Kurzarbeit nutzen, die jedoch – nach den derzeitigen Bestimmungen – am 30. Juni 2021 ausläuft. Wir halten es daher für plausibel, dass in der Anwendungsphase das Verbot, das zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober 2021 gilt, auf Unternehmen beschränkt wird, welche den Lohnausgleichsscheck („FIS“), Sonderkurzarbeit („CIGD“) oder Kurzarbeit für den Landwirtschaftssektor („CISOA“) in Anspruch nehmen können, und zwar für den gesamten Zeitraum der Verwendung dieser Maßnahmen. Entsprechend stellt der Bericht klar, dass Arbeitgeber, die – ohne die oben genannten Lohnergänzungsmaßnahmen beantragt zu haben – ein Massenentlassungsverfahren oder individuelles Kündigungsverfahren aus objektiv gerechtfertigtem (betriebsbedingten) Grund einleiten, daraufhin von einer späteren Beantragung der Lohnergänzungsmaßnahmen mit dem Grund „Covid-19“ ausgeschlossen sind. 

Das Verbot bezieht sich, wie schon zuvor, auf Einleitungen von Massenentlassungsverfahren (die nach dem 23. Februar 2020 eingeleiteten Verfahren bleiben weiterhin ausgesetzt) und auf Kündigungen – unabhängig von der Zahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer – aus objektiv gerechtfertigtem (betriebsbedingten) Grund.

Wie bereits durch die vorangehenden Gesetzesbestimmungen vorgesehen wurde, sind die folgenden Fälle von dem gegenständlichen Kündigungsverbot ausgenommen: 
  • Kündigungen, die durch die endgültige Einstellung der Unternehmenstätigkeit nach Liquidation eines Unternehmens begründet sind, die keine (auch nur teilweise) Fortführung der Unternehmenstätigkeit vorsieht, abgesehen von Fällen, in denen eine Übertragung einer Gesamtheit von Vermögen/Tätigkeiten stattfindet, die eine Übertragung des Unternehmens (oder eines Unternehmenszweiges) gemäß Art. 2112 des italienischen Zivilgesetzbuches darstellt;
  • Kündigungen, die in Folge einer mit den auf nationaler Ebene vergleichsweise repräsentativeren Gewerkschaftsorganisationen abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vorgenommen werden, mit der die anreizorientierte Beendigung der Arbeitsverhältnisse vereinbart wird (nur auf die Arbeitnehmer beschränkt, die der genannten Vereinbarung zustimmen);
  • Kündigungen, die im Falle eines Konkurses ausgesprochen werden, falls kein vorläufiger Weiterbetrieb des Unternehmens vorgesehen ist.
Eine weitere Ausnahme vom Kündigungsverbot besteht in Fällen, in denen die gekündigten Arbeitnehmer im Rahmen eines Werkvertrags beschäftigt sind und von einem neuen Auftragnehmer nach geltenden Bestimmungen – die im Gesetz, einem nationalen Tarifvertrag oder dem Werkvertrag selbst vorgesehen sind –  wiedereingestellt werden. 

Befristete Arbeitsverträge (Art. 17 Gesetzesdekret Sostegni)

Die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge ohne Angabe von rechtfertigenden Gründen für maximal 12 Monate und innerhalb der Höchstgrenze von 24 Monaten zu verlängern oder zu erneuern, wurde bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Diese Möglichkeit kann nur einmal genutzt werden, aber das Gesetzesdekret stellt explizit klar, dass Verlängerungen/Erneuerungen ohne Angabe von rechtfertigenden Gründen, welche bereits unter den vorherigen Gesetzesbestimmungen vorgenommen wurden, die durch die neue Regelung gewährte Möglichkeit nicht beeinträchtigen.

Bestimmungen zur Unterstützung von Eltern (Art.2 Gesetzesdekret Nr.30/2021)

Smart-Working

Mit dem Gesetzesdekret Nr. 30/2021 wurde die Möglichkeit von Smart-Working für Arbeitnehmer, die Eltern von Kindern sind, welche mit ihnen zusammenleben und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer der entsprechenden Zeiträume erweitert:
  • Unterbrechung der Schultätigkeit in Anwesenheit in Bezug auf das Kind;
  • Covid-19 Erkrankung des Kindes; oder
  • Quarantäne des Kindes aufgrund erfolgtem Kontakt, wo auch immer dieser zustande kam, mit einer Covid-19-positiven Person. Diese Möglichkeit steht, alternativ, beiden Elternteilen zu.

Ausserordentlicher Elternurlaub

Darüber hinaus hat ein Elternteil (alternativ zum anderen) ausschließlich für den Fall, dass die Ausübung der Arbeitstätigkeit nicht in Remote erfolgen kann, Anspruch auf einen außerordentlichen Elternurlaub, d.h. die Möglichkeit, für die gesamte oder einen Teil der Zeit der Unterbrechung der Schultätigkeit in Anwesenheit, Krankheit oder Quarantäne des Kindes der Arbeit fernzubleiben. 

Ist das betreffende zusammenlebende Kind jünger als 14 Jahre alt, hat der erwerbstätige Elternteil Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 50 % der Tagesvergütung für die gesamte Dauer des Fernbleibens von der Arbeit. In Bezug auf Kinder zwischen 14 und 16 Jahren besteht kein Anspruch auf eine Entschädigung, jedoch bleiben das Kündigungsverbot und das Recht auf Arbeitsplatzerhaltung unberührt. Die Entschädigung für den Zeitraum des Fernbleibens steht auch den Eltern von Kindern mit schweren Behinderungen zu.
Im Falle, dass berufstätige Eltern zwischen dem 1. Januar 2021 und der Veröffentlichung des Gesetzesdekrets Nr. 30/2021 gewöhnliche Elternzeit beantragt haben, kann diese auf Antrag in den oben genannten außerordentlichen Elternurlaub umgewandelt werden und wird daher nicht als gewöhnliche Elternzeit gezählt oder als solche vergütet.

Bonus für Kinderbetreuungsleistungen

Erwerbstätige Eltern, die bei der INPS in der sog. „Gestione Separata“ eingeschrieben sind; selbstständige Arbeitnehmer, die nicht bei der INPS registriert sind; Personal im öffentlichen Sicherheits-, Verteidigungs- und Rettungssektor, das für die Notwendigkeit im Zusammenhang mit der von Covid-19 verursachten Gesundheitsnotlage beschäftigt wird sowie Arbeitnehmer im öffentlichen und privat zugelassenen Gesundheitssektor, die zur Kategorie der Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Biomedizinische Labortechniker, Medizinische Radiologie-Techniker und Beschäftigte im Gesundheitswesen angehören, wird im Falle von zusammenlebenden Kindern unter 14 Jahren ein oder mehrere Boni für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 100,00 € pro Woche gewährt. Dieser Bonus gebührt für Leistungen, die während der Unterbrechung der Schultätigkeit in Anwesenheit, Krankheit oder Quarantäne des Kindes erbracht werden, und wird über das in Artikel 54-bis des Gesetzesdekrets Nr. 50 vom 24. April 2017 genannte „libretto di famiglia“ ausgezahlt. Im Falle einer nachgewiesenen Einschreibung in Sommerzentren, ergänzenden Dienstleistungen für Kinder gemäß Art. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 65 vom 13. April 2017, territoriale sozialpädagogische Dienstleistungen, Zentren mit Bildungs- und Freizeitfunktion und ergänzende oder innovative Dienstleistungen für die frühe Kindheit, kann der Bonus, alternativ, direkt an den Antragsteller ausgezahlt werden.

Der sog. „Babysitter-Bonus“ ist mit dem Kindergarten-Bonus (“bonus asilo nido“) unvereinbar und kann nur in Anspruch genommen werden, falls der andere Elternteil keine anderen Formen einer Absicherung, vergütete Elternzeit oder Smart-Working nutzt.

Während der Tage, an denen ein Elternteil in Smart-Working arbeitet oder außerordentlichen Elternurlaub genießt (auch wenn dieser nicht vergütet wird) oder keiner Arbeitstätigkeit nachgeht oder von dieser suspendiert ist, kann der andere Elternteil weder außerordentlichen Elternurlaub – vergütet oder nicht vergütet – noch den „Babysitter-Bonus“ in Anspruch nehmen, es sei denn, dass Letzterer auch ein zusammenlebender Elternteil von anderen Kindern unter 14 Jahren ist, welche dieser mit einer anderen Person hat.

Alle oben genannten Maßnahmen stehen den Arbeitnehmern bis zum 30. Juni 2021 zur Verfügung.

Smart-Working während der Gesundheitsnotlage
(Art. 19 Abs. 1 Gesetzesdekret Nr. 183/2020 ('Milleproroghe Dekret'), konvertiert von Gesetz Nr. 21/2021)

Gemäß Artikel 19, Absatz 1 des Gesetzesdekrets Nr. 183 vom 31. Dezember 2020, konvertiert durch das Gesetz Nr. 21 vom 26. Februar 2021, kann bis zum Datum der Beendigung der durch Covid-19 verursachten Gesundheitsnotlage und in jedem Fall bis zum 30. April 2021 die Smart-Working Arbeitsmodalität, welche normalerweise durch das Gesetz Nr. 81 vom 22. Mai 2017 geregelt wird, auch in Ermangelung der durch das vorgenannte Gesetz vorgesehenen Individualvereinbarungen, angewandt werden.

Die Informationspflichten in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer können elektronisch erfüllt werden, indem das auf der Website des Nationalen Instituts für die Arbeitsunfallversicherung (INAIL) zur Verfügung gestellte Dokument übermittelt wird.

In der Praxis gelten die Regelungen während der Gesundheitsnotlage zwar gerade deshalb als vereinfacht, da eine Individualvereinbarung nicht notwendig ist, aber geradeben gibt es zahlreiche Probleme, die sich bei fehlender schriftlicher Vereinbarung ergeben. Bei Fehlen dieser Vereinbarung hat der Arbeitgeber nämlich keine Möglichkeit, die Modalitäten der Arbeitsleistung in Smart-Working - zum Beispiel - durch die Bestimmung der Arbeitszeiten des Smart-Workers, die Festlegung der Zeitfenster der Verfügbarkeit/Bereitschaft sowie der Zeiten der Abschaltung der Geräte und die Begrenzung der Orte, von denen aus der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistungen erbringen kann, zu regeln. 

Darüber hinaus hat daran erinnert zu werden, dass die Individualvereinbarung unerlässlich ist, um spezifische Modalitäten für die Ausübung von Kontroll- und Disziplinarbefugnisse durch den Arbeitgeber umzusetzen, von denen der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt werden muss.

Vor diesem Hintergrund, ist vielen Arbeitgebern nach mehr als einem Jahr seit der Einführung der Regelungen während der Gesundheitsnotlage in Bezug auf Smart-Working klargeworden, dass das Fehlen von Individualvereinbarungen mit den Arbeitnehmern - auf lange Sicht - die Entstehung zahlreicher potenzieller kritischer Punkte mit sich bringt. Insbesondere falls Unternehmen planen, die Smart-Working Modalität auch nach Ende der Gesundheitsnotlage, wenn auch nur teilweise, weiter anzuwenden, ist es ratsam, ohne die weiteren Verlängerungen der Notfallregelung für Smart-Working abzuwarten, spätestens aber bis zum Ende der Gesundheitsnotlage, mit den betroffenen Arbeitnehmern entsprechende schriftliche Vereinbarungen (auf individueller oder kollektiver Basis) vorzubereiten, aufzusetzen sowie zu unterzeichnen, um bereits jetzt die im Gesetz Nr. 81 vom 22. Mai 2017 vorgesehenen Verpflichtungen zu erfüllen und in Zukunft die Smart-Working Modalität weiterhin wirksam umsetzen zu können.
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