Italien: Power Purchase Agreements und Risikoverteilung

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​​​​​veröffentlicht am 9. April 2025 | Lesedauer ca. 8 Minuten


Der Abschluss von Power Purchase Agreements (PPA) – d.h. von langfristigen Energielieferverträgen - stellt ein für Unternehmen überaus interessantes Instrument dar, um auf die Herausforderungen, die die Energiewende an Unternehmen stellt, zu reagieren. 

 
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Es gibt verschiedene Arten von PPA: Corporate-PPA, die zwischen Entwicklern/Erzeugern und Käufern/Endverbrauchern abgeschlossen werden. Utility- oder Merchant-PPA, die mit Versorgungsunternehmen abgeschlossen werden, d.h. mit Unternehmen, die die Energie auf dem Markt weiterverkaufen. On-site PPA, bei denen die Anlage physisch bei dem Käufer verortet ist und nur die vom Käufer nicht verbrauchte Energie an das Netz verkauft wird. Off-site PPA, bei denen der eingekaufte Strom in das Netz eingespeist wird. Physische PPA oder virtuelle PPA.

Abgesehen von ihren unterschiedlichen Konfigurationen und Klassifizierungen regeln PPA-Verträge die Geschäftsbeziehungen zwischen Erzeugern, Zwischenhändlern und Abnehmern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen (auch mit Blick auf die Herkunftsnachweise) und sind funktional mit Verträgen über den Bau, die Wartung und den Betrieb von Anlagen sowie mit Finanzierungsverträgen verbunden. Es ist daher äußerst wichtig, die Ziele der verschiedenen beteiligten "Akteure“ zu ermitteln und deren vielfältigen, nicht immer gleichlaufenden Interessen vertraglich zu schützen, und zwar durch eine sorgfältige Gestaltung nicht nur der PPA, sondern aller damit zusammenhängenden Verträge: EPC-Verträge, O&M-Verträge, Flächennutzungsverträge, Finanzierungsverträge, direct agreements, um nur einige zu nennen.

Welche Ziele und Interessen werden durch die PPA aus der Sicht von Verkäufer und Abnehmer geschützt?

Die Erzeuger sind daran interessiert, durch die PPA eine garantierte Rendite für ihre Investitionen zu erzielen und so Zugang zu Finanzmitteln für die Entwicklung, den Bau und die Errichtung von Anlagen zu erhalten, und zwar außerhalb des Einspeisetarifsystems, das den italienischen Markt der erneuerbaren Energien in den ersten Jahren seiner Entwicklung kennzeichnete. Die Abnehmer/Käufer (hauptsächlich energieintensive Unternehmen) sind daran interessiert, sich die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu einem stabilen und wettbewerbsfähigen Preis zu sichern und gleichzeitig die Ziele der Verringerung schädlicher Emissionen zu erreichen, die aufgrund der Herkunftsnachweise belegt werden können. 

Aus Sicht der einkaufenden Unternehmen ist die Möglichkeit, die Strombeschaffungskosten zu senken und zu stabilisieren, das Hauptziel, dass sie mit dem Abschluss von PPA verfolgen. Diese ermöglichen es, die Kostenvolatilität zu verringern, langfristig Einsparungen zu erzielen und gleichzeitig die negativen Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf das Klima zu reduzieren. Andererseits sind PPA aus Sicht der Entwickler von EE-Anlagen und der Energieerzeuger das Instrument zur Sicherung und Regulierung künftiger Einnahmen aus dem Energieverkauf, dass die Rückzahlung von Finanzierungen und damit, wie erwähnt, die Finanzierbarkeit von Projekten garantiert.

„Flexibilitätsrisiken" und die Rolle der Händler

Es gibt jedoch Variablen und Risiken, die typischerweise mit langfristigen Energieverträgen und der Nichtprogrammierbarkeit erneuerbarer Energiequellen verbunden sind. Dabei handelt es sich um die so genannten "Flexibilitätsrisiken", die damit zusammenhängen, dass die Stromerzeugungskapazität der EE-Anlage niedriger sein kann als mit dem Käufer vereinbart, so dass das Delta durch anderweitigen Energieerwerb geschlossen werden muss. Das Flexibilitätsrisiko kann dadurch gemindert werden, dass ein Großhändler, Trader oder ein Versorgungsunternehmen damit betraut wird, die Energie, die der Erzeuger nicht in seinem EE-Kraftwerk erzeugen kann, anderweitig zu beschaffen und an den Käufer/Abnehmer zu verkaufen. Auch aus diesem Grund werden Corporate PPAs häufig als drei- oder vierseitige Verträge konzipiert und gestaltet, die durch Erzeuger, Händler, Versorgungsunternehmen und Endabnehmern unterzeichnet werden. Alternativ werden sie häufig nach dem Schema der Sleeved PPAs abgeschlossen, bei denen zwei funktional miteinander verbundene Verträge nebeneinander bestehen: ein Vertrag zwischen Erzeuger/Verkäufer und Händler/Großhändler bzw. Versorgungsunternehmen, und ein zweiter Vertrag zwischen Händler/Großhändler bzw. Versorgungsunternehmen und Endabnehmer.

Die wichtigsten zu berücksichtigenden Risiken 

Zu den wichtigsten Risiken, die bei der Ausarbeitung und Verhandlung von PPA zu berücksichtigen sind, gehören die folgenden.

Projektentwicklungsrisiko

Wird das PPA vor der Errichtung und dem Bau des Projekts abgeschlossen, besteht das Risiko, dass das Kraftwerk nicht die erforderlichen Genehmigungen für den Bau und den Anschluss an das Stromnetz erhält oder dass es später als im vereinbarten Zeitplan errichtet und an das Stromnetz angeschlossen wird. In den PPA wird dieses Risiko durch aufschiebende Bedingungen, aber auch durch Vertragsstrafen geregelt (die als Haftungsbeschränkung für den Erzeuger und als Entschädigung für den Käufer/Abnehmer dienen). Dem Käufer kann die Möglichkeit eingeräumt werden, den Vertrag zu kündigen, wenn die Verspätung eine bestimmte Nachfrist überschreitet. Im vorgelagerten Bereich, d.h. in Beschaffungs-, Entwicklungs- und Mitentwicklungsverträgen, muss der Hersteller mit seinen Vertragspartnern (insbesondere mit den Unternehmen, die für den Bau und den Netzanschluss der Anlage zuständig sind) Schutzklauseln aushandeln, die den Risiken und der potenziellen Haftung des Herstellers gegenüber dem Käufer Rechnung tragen und Entschädigungsmaßnahmen vorsehen, die dem Umfang der vom Hersteller gegenüber dem Abnehmer übernommenen Haftung entsprechen. Aus Sicht der finanzierenden Bank ist die Einhaltung des Zeitplans und die ordnungsgemäße Ausführung des Baus nicht nur mit Blick auf die Genehmigungstitel, sondern auch mit dem Blick auf etwaige Fördertarife von Bedeutung, und weil der Beschluss der Bank keine übermäßig langen Vorlaufzeiten vorsehen kann.

Risiken betr. Leistung, Menge und Stundenprofil 

Die einmal installierte EE-Anlage kann ausfallen, nicht die erwartete Strommenge produzieren oder den Strom nicht in den erwarteten Stunden erzeugen. Eine solche Eventualität stellt ein erhebliches Risiko für den Käufer dar (der kontinuierlich beliefert werden muss), aber auch für den Lieferanten, der sich mit Grundlastverträgen verpflichtet hat, unabhängig von Schwankungen der Nachfrage oder der Produktion kontinuierlich Energie zu liefern. Ein wichtiges Element für die Bankfähigkeit ist die Beschränkung der Haftung des Erzeugers/Verkäufers auf die Grenzen seiner Verpflichtungen und auf das Eintreten von Umständen, die in seinem Einflussbereich liegen, z.B. der Ausschluss der Haftung für Ereignisse höherer Gewalt oder für die Nichterfüllung aufgrund von Verschulden Dritter. Im Hinblick auf dieses Risiko müssen die PPA-Verträge die gegensätzlichen Interessen des Erzeugers (der daran interessiert ist, seine eigene Haftung so weit wie möglich zu begrenzen) und des Käufers (der daran interessiert ist, eine konstante Stromversorgung zu gewährleisten) ausgleichen und implizieren die Aufnahme spezifischer Leistungsgarantieklauseln in die EPC- und O&M-Verträge, die zwischen dem Erzeuger und den mit dem Bau, der Wartung und dem Betrieb der EE-Anlage beauftragten Unternehmen geschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, dass PPA zusammen mit den anderen Verträgen ausgehandelt werden, die mit dem Bau, dem Anschluss an das Stromnetz und der Finanzierung der EE-Anlage in Zusammenhang stehen.

Preisrisiko 

Wird ein PPA zu einem festen Preis abgeschlossen, übernimmt der Verkäufer das Risiko in Bezug auf die erzeugte und gelieferte Energiemenge, während der Käufer das Preisrisiko übernimmt, d.h. das Risiko, dass der vertraglich vereinbarte Preis höher ist als der Preis für den Strom, den er sich anderweitig auf dem Markt hätte beschaffen können. Das größte Risiko aber resultiert insoweit aus dem Kaufpreis für Energie, die die Kapazität der EE-Anlage des Erzeugers übersteigt und deshalb auf dem Markt eingekauft werden muss.

Kannibalisierungsrisiko 

Der stündliche Strompreis steht in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zum Umfang der Stromerzeugung. Wenn die Produktion von EE-Anlagen in einem bestimmten Gebiet Spitzenwerte erreicht, sinkt der Energiepreis aufgrund des Überangebots gegenüber der Nachfrage. Ist das Angebot gering, z. B. aufgrund des Wetters, führt der Nachfrageüberschuss zu einem Anstieg des stündlichen Preises.
Dieses Risiko wird in der Regel von Zwischenhändlern getragen, die sich vertraglich verpflichtet haben, die Energie zu liefern, die die Produktionskapazität der EE-Anlage des Erzeugers/Verkäufers übersteigt, und diese auf dem Markt einkaufen müssen. 

Aber es reflektiert sich auch als ein Risiko für den Energiekäufer, der aufgrund einer geringen Energieproduktion auf den Kauf von Strom zu einem nicht im Voraus festgelegten Preis zurückgreifen muss und hierfür die Kosten trägt. 

Kreditrisiko / Kreditabwicklung| 

Der Käufer kann mit seinen Zahlungen in Verzug kommen Daher können in den PPA Garantieklauseln und -instrumente - einschließlich Patronatserklärungen, Bank- und Versicherungsbürgschaften - vorgesehen werden, die es dem Erzeuger ermöglichen, die Einziehung der Energieentgeltzahlungen so weit wie möglich sicherzustellen.
 

Kreditrisiko/Kreditersatz 

Nach einem längeren Ausfall des Käufers könnte der Erzeuger von einer Klausel profitieren, die es ihm ermöglicht, die Lieferung zu unterbrechen und einen neuen Käufer zu finden, mit dem er die Energielieferbeziehung fortsetzen kann. Insoweit sei auch darauf hingewiesen, dass der italienische Gestore dei Sevizi Energetici (GSE) gemäß der kürzlich in Kraft getretenen Gesetzesverordnung Nr. 208 vom 31. Dezember 2024 (sog. "Notstandsgesetz") im Falle eines über die Plattform des Gestore dei mercati energetici (GME) abgeschlossenen PPA an die Stelle des säumigen Vertragspartners tritt, dies jedoch nur als letztes Mittel.

Änderungen in der Gesetzgebung 

Änderungen anwendbarer Rechtsvorschriften, auch steuerlicher Art, könnten die Lebensfähigkeit, die finanzielle Nachhaltigkeit und die Rentabilität der Projekte beeinträchtigen. Der PPA-Vertrag sollte Maßnahmen zur Minderung gesetzlicher und regulatorischer Risiken vorsehen und regeln, z.B. durch die Verpflichtung, die wirtschaftlichen Bedingungen neu zu verhandeln, falls für die Parteien neue Vorschriften eingeführt werden, die das vertragliche Gleichgewicht übermäßig stören.

Höhere Gewalt 

Unvorhersehbare Ereignisse können die Erfüllung von PPA-Verträgen beeinträchtigen. In den PPA-Verträgen müssen daher die Folgen des Auftretens von Umständen höherer Gewalt, die die Vertragserfüllung verhindern oder übermäßig erschweren, genau beschrieben werden. 

Risikoverteilung und Vertragsdauer

Alle oben genannten Risiken müssen angemessen auf die verschiedenen Vertragsparteien des PPA verteilt werden, um sie wirksam mittigeren bzw. ihre Auswirkungen mindern zu können. Eine sehr wichtige Rolle spielt insoweit die Laufzeit des Vertrags, die mit der Laufzeit aller anderen Verträge, Rechtsgeschäfte und Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der EE-Anlage abgestimmt sein muss. Grundsätzlich gilt: Je länger die Laufzeit des PPA ist, desto besser ist die Finanzierbarkeit des Projekts (zugunsten des Erzeugers) und die Stabilität der Energiepreise im Vertragsverlauf (zugunsten des Abnehmers).

Vorteile von PPA für Unternehmen als Energiekonsumenten

Der Abschluss eines PPA kann insbesondere für Unternehmen mit hohem Energieverbrauch ein wertvolles Instrument darstellen, um sich vor Energiepreisschwankungen zu schützen und dabei die Energiewende und die Nachhaltigkeit der Unternehmenstätigkeit effektiv zu fördern. ​​
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