Umsatzsteuer und Immobilien: Option zur Steuerpflicht im Grundstückskaufvertrag und zeitliche Grenze beim Verzicht auf eine Steuerbefreiung

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zuletzt aktualisiert am 18. August 2017
 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 21. Oktober 2015 (Az. XI R 40/13) zur Frage einer zeitlichen Grenze beim Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstücks­lieferung entschieden, dass ein Verzicht auf die Steuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) nur in dem der Grundstücksübertragung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag zu erklären ist. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung, auch wenn er notariell beurkundet wird, ist unwirksam.
 

 
Das BMF hat nun mit Schreiben vom 2. August 2017 die im BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 aufgestellten Leitsätze zum Verzicht auf die Umsatzbesteuerung einer Grundstückslieferung im notariellen Vertrag wortgleich in den UStAE übernommen. Ebenfalls in den UStAE aufgenommen wurde im Übrigen die Klarstellung des BFH nach Urteil vom 19. Dezember 2013 über die zeitliche Grenze der Erklärung des Widerrufs einer Option nach § 9 UStG.

 

Hintergrund

Grundstücksverkäufe von in Deutschland belegenen Grundstücken durch Unternehmer an Unternehmer können ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. bei Fortführung der bisherigen Mietverhältnisse durch den Erwerber und damit Fortführung eines Vermietungsunternehmens, als nicht (umsatz-) steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen behandelt werden. Grundsätzlich ist der „Grundstücksverkauf” als Lieferung steuerbar und steuerfrei (§ 4 Nr. 9a UStG) oder steuerpflichtig (bei sog. Option zur Steuerpflicht). Eine Option zur Steuerpflicht bzw. ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist wegen nicht abziehbarer Vorsteuern aus Transaktionskosten und möglicher Vorsteuerkorrekturrisiken aus der (nachträglichen) Anschaffung/Herstellung einer Immobilie und aus der laufenden Unterhaltung des Grundstücks – je nach bisheriger Verwendung der Immobilie – für den Veräußerer i.d.R. vorteilhaft.
 

Im vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt wurde ein Grundstück, das nach Ansicht der Kläger für umsatz­steuer­pflichtige (Vermietungs-) Umsätze genutzt wurde, 2009 entgeltlich auf einen Erwerber übertragen. Der Übertragungsvorgang wurde von den Vertragsparteien als nicht steuerbare (Teil-) Geschäftsveräußerung im Ganzen behandelt. Die Option zur Umsatzsteuerpflicht wurde zunächst nicht ausgeübt, also nicht im zugrunde liegenden notariellen Kaufvertrag erklärt. Ein nachträglich notariell beurkundeter Verzicht wurde im Jahr 2013 formuliert.
 

Der BFH ließ die nachfolgende Neufassung des ursprünglichen Vertrags und damit eine nachträgliche Erklärung nicht zu. Er urteilte, dass eine Ausübung des Optionsrechts nach § 9 Abs. 3 S. 2 UStG nur im ursprünglichen notariell zu beurkundenden Kaufvertrag über die Grundstückslieferung erfolgen könne. Er stützt sich hierbei auf den Wortlaut der Vorschrift „in dem … Vertrag”. Bei anderer Auslegung müsse es sonst „in einem … Vertrag” heißen. Zusätzlich argumentiert er mit der Gesetzesbegründung des zeitgleich eingeführten § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG bezüglich des Übergangs der Steuerschuldnerschaft auf den Erwerber. § 9 Abs. 3 S. 2 UStG diene demnach „dem Schutz des Leistungsempfängers vor einer nachträglichen Ausübung der Option durch den leistenden Unternehmer, durch die eine nachträgliche Steuerschuld beim Leistungsempfänger entstehen würde”. Daraus soll sich ergeben, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG auf den Zeitpunkt der Verzichtserklärung abstelle.
 

Damit bestätigt der BFH die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung, die sich im Nachgang zur BFH-Rechtsprechung zur Wirksamkeit und zum Widerruf der Option entwickelt hat. Nach mehreren Diskussionen in der Literatur und anderslautenden OFD-Verfügungen zur Formulierung von entsprechenden Auffang­steuer­klauseln hat das BMF mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 (Az. IV D 3 – S 7198/12/10002) reagiert und eine wirksame Option nur bei unbedingter, aber vorsorglich möglicher Steuerklausel vorgesehen. Mit BMF-Schreiben vom 2. August 2017 wird Abschnitt 9.2 Abs. 9 UStAE nun neu gefasst.
 

Mit Urteilen vom 19. Dezember 2013 (Az. V R 6/12 und V R 7/12) hat der BFH klargestellt, dass die Option zur Steuerpflicht solange ausgeübt und widerrufen werden kann, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserstellung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist. Mit BMF-Schreiben vom 2. August 2017 wurde diese Klarstellung auch in Abschnitt 9.1 Absatz 3 Satz 1 UStAE übernommen.
 

Gehen die Parteien übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen lediglich für den Fall, dass etwa die rechtliche Beurteilung seitens der Finanzbehörde anders ausfällt, eine Option zur Steuerpflicht, ist sie daher vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariell zu beurkundenden Kaufvertrag zu erklären.
 

Hinweise für die Praxis und Handlungsbedarf

Die Ausübung der Option zur Steuerpflicht, die grundsätzlich formlos erfolgen kann, ist im Falle von „normalen” Immobilienveräußerungen an eine bestimmte Form gebunden, d.h. in dem gemäß § 311b Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) notariell zu beurkundenden Vertrag zu erklären.
 

In der Praxis sind daher in Fällen einer erst nachträglich notariell beurkundeten Vereinbarung zum Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung die Erfolgschancen bei eingelegten Rechtsmitteln gering, da auch die Finanz­verwaltung eine nachträgliche Verzichtserklärung – wie der BFH – nicht zulässt.
 

Es sollten bereits bei der (umsatz-) steuerlichen Beratung zur Grundstücksveräußerungen vor Vertrags­abschluss dringlich und sorgfältig die vorzusehenden Umsatzsteuerklauseln – je nach konkreter Fall­konstellation und individuellen Gegebenheiten – bedacht werden, um etwaige Vorsteuer-, Vorsteuer­korrektur- oder Umsatzsteuernachzahlungsrisiken für die jeweiligen Vertragsparteien möglichst abzufangen und/oder über den Kaufpreis auszugleichen. Hierzu beraten wir Sie gerne.
 

Eine „hilfsweise” oder „bedingt” erklärte Option, die erst nach dem Eintritt der formellen Bestandskraft wirksam wird, ist nicht geeignet, ein Vorsteuerrisiko des Grundstücksveräußerers zu verhindern, weil sie grundsätzlich als nicht rechtzeitig ausgeübt gilt. 
  

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