Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG: Wichtige Änderungen für Kreditinstitute bei der Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsumsätzen

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 7. Januar 2025​ | Lesedauer ca. 6​ Minuten

 

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat nach gut zwanzig Jahren mit umfang­reichem BMF-Schreiben vom 9. Dezember 2024 (GZ III C 2 - S 7306/19/10003 :004; DOK 2024/1060856) neue Regelungen zur sachgerechten Vorsteueraufteilung bei Kredit­instituten veröffentlicht. Im Fokus des Schreibens stehen die Anforderungen an die Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsumsätzen sowie die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG.
 
 

 
Zu den wesentlichen Neuerungen gehören die Forderung nach der Erstellung einer Verfahrensdokumentation zur Darlegung und Aufzeichnung der Aufteilungsmethodik für den Vorsteuerabzug und die Einführung der sog. Segmentierung. Klargestellt wird zudem, dass die Regelungen des früheren BMF-Schreibens vom 12. April 2005 (GZ IV A 5-S 7306-5/05) zum sog. „Bankenschlüssel“ (Margenschlüssel) noch bis zum Ende des Übergangszeit­raums am 31. Dezember 2025 angewendet werden können. Dies ist insbesondere interessant, da das BMF-Schreiben vom 12. April 2005 bereits für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht wurden, keine Rechtswirk­ung mehr entfaltet, denn es wurde nicht mehr in der Positivliste des BMF vom 23. April 2010 (GZ IV A 6 – O 1000/09/10095; DOK 2010/0197416) aufgeführt.
 

Grundlegendes zur Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge und zur Vorsteueraufteilung​​

​Mit aktuellem umfangreichen Schreiben vom 9. Dezember 2024 hat sich das BMF nun nach gut 20 Jahren konkret zum Vorsteuerabzug von Kreditinstituten geäußert und die Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsumsätzen sowie die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG erläutert und aktualisiert. 

Grundlegend führt das BMF zunächst (wie mehrfach bekannt) aus, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerab­zug eine funktionale Zuordnung von Vorsteuern zu Ausgangsumsätzen vorzunehmen ist (vgl. Abschn. 15.17 Abs. 1 UStAE). Dementsprechend hat zunächst die Abgrenzung der bezogenen Eingangsumsätze zwischen einem (möglichen) nichtunternehmerischen Bereich und dem unternehmerischen Bereich zu erfolgen.  

In Bezug auf die Zuordnung zum unternehmerischen Bereich wird hierbei zwischen Vorsteuerbeträgen, die in voller Höhe abzugsfähig sind (ausschließliche Zuordnung zu Abzugsumsätzen), Vorsteuerbeträgen, die in voller Höhe nicht abzugsfähig sind (ausschließliche Zuordnung zu Ausschlussumsätzen) sowie Vorsteuerbeträgen, die sowohl mit Abzugs- als auch mit Ausschlussumsätzen (also insbesondere unecht steuerfreien und steuerpflich­tigen) in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, unterschieden. Nur für diese letztgenannten Vorsteuerbe​­träge, die nicht unmittelbar/direkt und wirtschaftlich zugeordnet werden können, ist eine Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG erforderlich. Weiter legt das BMF die Grundsätze zur Vorsteueraufteilung dar. Hierfür ist nach Unionsrecht gem. Art. 173 Abs. 1 und Art. 174 der MwStSystRL grundsätzlich der Umsatz­schlüssel anzuwenden und die abzugsfähige Vorsteuer mit Hilfe des Pro-rata-Satzes zu ermitteln, der sich auf die Gesamtheit der vom Unternehmer bewirkten Umsätze bezieht. Dieser Pro-rata-Satz ist nach Unionsrecht gem. Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL jährlich festzusetzen und auf einen vollen Prozentsatz aufzurunden. 

In seinem letzten BMF-Schreiben zur Vorsteueraufteilung vom 13. Februar 2024 (GZ III C – S 7306/22/100001: 001; DOK 2024/0128292) hat die Finanzverwaltung dahingehend klargestellt​, dass eine Aufrundung des Pro-rata-Satzes auf den nächsten vollen Prozentpunkt nur dann zulässig ist, wenn die Berechnung des Aufteilungs­schlüssels für den Vorsteuerabzug auf Basis der Umsätze des gesamten Unternehmens (Gesamtumsatz­schlüssel) und damit nach dem Verhältnis der Umsätze gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG erfolgt. Der deutsche Gesetzgeber priorisiert basierend auf Art. 173 Abs. 2 der MwStSystRL jedoch die vorrangige Verwendung einer „anderen, präziseren wirtschaftlichen Zuordnung“, bei der keine Aufrundung i.S.d. Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL, sondern „nur“ eine Rundung auf die zweite Nachkommastelle erfolgt.  

Praktisch gesehen dürfte somit, basierend auf den nachfolgend dargelegten Aufteilungsmethoden, der Pro-rata-Satz und die Aufrundung auf den nächsten vollen Prozentsatz für die Aufteilung der Vorsteuer bei Kreditinstituten keine Anwendung finden. 

Darüber hinaus sind Unternehmen, die nur teilweise Umsätze erbringen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (nicht ausschließlich aber insbesondere auch Kreditinstitute) verpflichtet, eine detaillierte Dokumentation über die Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsumsätzen und die Vorsteueraufteilung zu führen, vgl. § 22 UStG und § 63 UStDV. Diese Aufzeichnungspflichten erfordern eine klare und nachvollziehbare Dokumentation aller zu­grunde liegenden Transaktionen, damit im Falle einer Prüfung der Nachweis der sachgerechten Zuordnung möglich ist. 

Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten ​​

​Bezüglich der Zuordnung der unternehmerisch bezogenen Eingangsleistungen zu den Ausgangsumsätzen gelten auch für Kreditinstitute die oben genannten allgemeinen Grundsätze. Das aktuelle BMF-Schreiben verlangt jedoch eine klarere und präzisere Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den Ausgangsumsätzen. Eine zentrale Neuerung ist die Einführung der Segmentierung als bevorzugte Methode. Zwar hat die deutsche Finanzverwaltung bereits im Schreiben vom 12. April 2005 die isolierte Betrachtung von verselbstständigten Organisationseinheiten in Bezug auf die Aufteilung der Vorsteuer berücksichtigt. Hierzu gehörten Organ­gesellschaften, Bausparkassen, Hypothekenbanken oder Filialen mit besonderen Aufgaben einer Großbank. Die Segmentierung umfasst jedoch weitere getrennte Betrachtungen einzelner abgrenzbarer Teile des Unter­nehmens für Zwecke des Vorsteuerabzugs. Neben den vorgenannten Organisationseinheiten sind dies ausländische Betriebsstätten, Filialen (allgemein, ohne weitere Einschränkung), Geschäftsbereiche (z.B. Privatkunden- und Firmenkundengeschäft), Abteilungen oder Produktgruppen (z.B. Kredit-/Depotgeschäft, Immobilienhandel, Windkraftanlagen, Zertifikathandel). 

Damals wie heute ist eine eigenständige Buchführung der o.g. Segmente nicht erforderlich. 

Ziel ist es, die Eingangsleistungen den Ausgangsumsätzen auf segmentbezogener Ebene zuzuordnen (sog. Segmentschlüssel). Soweit möglich, wird jede Eingangsleistung dem jeweiligen Segment direkt zugeordnet, andernfalls erfolgt ggf. eine Aufteilung. Für jedes Segment ist gem. BMF-Schreiben ein separater Vorsteuer­schlüssel zu bilden. Nicht direkt zuordenbare Gemeinkosten und Aufwendungen, die keinem Segment direkt zugeordnet werden können, werden nach dem sog. Residualschlüssel („Restschlüssel“) auf das gesamte Unternehmen aufgeteilt.  

Im Ergebnis ergibt sich bei der Segmentierung für den Vorsteuerabzug von Kreditinstituten folgende „Prüfungsreihenfolge“ hinsichtlich der Zuordnung von Eingangsleistungen: 
  • ​Direktzuordnung zu nichtunternehmerischen Tätigkeiten, Ausschlussumsätzen (jeweils kein Vorsteuerabzug) sowie Abzugsumsätzen (voller Vorsteuerabzug) 
  • Direktzuordnung der Vorsteuer, die nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen ist zu einem/mehreren Segmenten (Vorsteueraufteilung nach Segmentschlüssel) 
  • Direktzuordnung zu einem​/mehreren Segmenten nicht möglich (Vorsteueraufteilung nach Residualschlüssel) 

Neben der Segmentierung sind grundsätzlich ebenso andere Methoden zur Zuordnung der Vorsteuer zu Ausgangsumsätzen möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Methoden den Besonderheiten der Kredit­wirtschaft gerecht werden und eine möglichst präzise und sachgerechte Zuordnung der Eingangsleist­ungen zu den Ausgangsumsätzen gewährleisten. Dazu gehören Verfahren, die auf wirtschaftlich nachvollzieh­baren Kriterien wie der Nutzung oder den Kosten basieren. 

In bestimmten Bereichen des Kredit- und Handelsgeschäfts kommt beispielsweise eine umsatzbasierte Auf­teilung (ggf. auch für einzelne Segmente) in Betracht. Allerdings schränkt das BMF diese Methode insoweit ein, als dass es ausführt, dass die reinen Umsatzgrößen nicht die erwirtschaftete Wertschöpfung widerspiegeln. Eine Vergleichbarkeit der einzelnen Umsätze ist darzustellen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass bei der Verwendung von alternativen Aufteilungsmodellen (zum Pro-rata-Satz), zu denen die Aufteilung von Teilumsätzen zählt, keine Aufrundung auf volle Prozentpunkte erlaubt ist. Dies wurde durch den EuGH mit Urteil vom 16. Juni 2016 (Rs. C-186/15, Kreissparkasse Wiedenbrück) klargestellt (vgl. dazu bereits die Umsetzung des Urteils durch die Finanzverwaltung in Abschn. 15.17 Abs. 3 S. 5 und S. 6 UStAE). Stattdessen ist nur eine Aufrundung auf die zweite Nachkommastelle zulässig.  

Zudem kann in bestimmten Fällen typischer Bankgeschäfte (im Eigengeschäft) der Margenschlüssel – wie bisher – für die Aufteilung der Vorsteuer i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG genutzt werden; dies betrifft z.B. das Kredit­geschäft, das Handelsgeschäft oder das Wertpapiergeschäft. Für untypische Bankgeschäfte (z.B. Vermietungs­umsätze, Leasingumsätze, Immobilienvermittlung) greift diese Aufteilungsmethode nicht. Insoweit kommt es in diesem Bereich nicht zwingend zu einer Abkehr von den bisherigen Grundsätzen aus dem BMF-Schreiben vom 12. April 2005, sondern erlaubt die Nutzung des Margenschlüssels für bestimmte Segmente.  

​Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Unternehmensstrukturen in der Kreditwirtschaft​

​Das BMF nimmt Bezug auf grenzüberschreitende Unternehmensstrukturen. Die bisher im BMF-Schreiben vom 12. April 2005 aufgestellten umsatzsteuerlichen Grundsätze zu inländischen Betriebsstätten ausländischer Institute sowie zu ausländischen unselbständigen Betriebsstätten inländischer Kreditinstitute werden in Anlehnung an zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des EuGH ausgeweitet.  

Für inländische Betriebsstätten ausländischer Institute gilt, dass sie für umsatzsteuerliche Zwecke als eigenständige Organisationse​inheiten angesehen werden. Die Vorsteueraufteilung erfolgt nach den Regelungen für inländische Unternehmen. Diese Betriebsstätten müssen eigenständige Aufteilungsschlüssel entwickeln, die es ermöglichen, die Vorsteuerbeträge den jeweiligen Ausgangsumsätzen zuzuordnen. Ebenso müssen ausländische Betriebsstätten inländischer Kreditinstitute den Vorsteuerabzug nach deutschem Umsatzsteuer­recht handhaben. 

Darüber hinaus kündigt das BMF an, dass ein (bereits lange erwartetes und schon einmal als Entwurf vor einigen Jahren zirkuliertes) gesondertes BMF-Schreiben zu den Besonderheiten von grenzüberschreitenden Organschaften sowie zu den Auswirkungen der EuGH-Urteile vom 17. September 2014 (Rs. C-7/13, Skandia America) und vom 11. März 2021 (Rs. C-812/19, Danske Bank) veröffentlicht wird. 

​Auswirkungen und Empfehlungen für die Praxis bei Banken und Kreditinstituten – Prüfung und Anpassung bestehender Vorsteueraufteilungen

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 9. Dezember 2024 sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Übergangsweise dürfen Kreditinstitute noch bis zum 31. Dezember 2025 die Grundsätze des früheren BMF-Schreibens vom 12. April 2005 entsprechend der dortigen Voraussetzungen anwenden. Dies ist insbesondere interessant, da dieses Schreiben für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht wurden, bereits keine Rechtswirkung mehr entfaltete. Dennoch scheint es die Finanzverwaltung weiterhin akzeptiert zu haben, wenn Steuerpflichtige sich an den dort aufgeführten Kriterien orientierten – und dies taten etliche Banken und Kreditinstitute bisher.  

Ab dem 1. Januar 2026 sind jedoch die Regelungen des neuen BMF-Schreibens zu beachten. Dabei ist es zwingend erforderlich, die Vorgaben zu präziseren Methoden entsprechend zu berücksichtigen. In der Praxis empfiehlt sich die Sachverhaltsaufarbeitung und Darstellung bzw. Beschreibung der Kostenzuordnungen (sowie Doku­mentation) sowie der Segmente und Gedanken zum Geschäft dazu.  

Kreditinstituten, die bisher den Margenschlüssel allumfassend genutzt haben, ist zu empfehlen, die bisherigen Prozesse und Geschäftsbereiche zu überprüfen und ggf. zukünftig entsprechende Anpassungen bei der Vorsteueraufteilung vorzunehmen. Dies kann zu einem erheblichen Mehraufwand, insbesondere in der Um­stellungszeit, führen. Denn das BMF führt aus, dass die Exaktheit bei der Zuordnung von Eingangs- zu Aus­gangsleistungen mit Detaillierungsgrad der Segmentierung zunimmt. Dies bedeutet entsprechend auch, dass Kreditinstitute die Bereiche ggf. anders oder detaillierter abgrenzen müssen als zuvor. Des Weiteren sind etwa für die verschiedenen Segmente unterschiedliche Aufteilungsschlüssel zu verwenden. Dabei müssen die spezifischen Gegebenheiten im Einzelfall angemessen berücksichtigt werden, wie etwa die Größe des Kredit­instituts, unterschiedliche Geschäftsmodelle, inhomogene Geschäftsfelder oder die Kreditgrößenstruktur.  

Zusätzlich ist es entscheidend, die gewählte Methode im Vergleich zu alternativen Ansätzen zu dokumentieren und zu bewerten, um sicherzustellen, dass sie den Besonderheiten der Kreditwirtschaft in ausreichendem Maße gerecht wird. Eine solche Aufbereitung der Sachverhalte und des Vorgehens erfolgt durch die Steuer­pflichtigen selbst, denen sich die Finanzverwaltung grundsätzlich anzuschließen hat. Ein Vergleich der Ansätze bzw. der gewählte Ansatz sollte unbedingt erstellt (und ausreichend dokumentiert) sein, um einer möglichen Prüfung durch die Finanzverwaltung Stand zu halten.  

Bei der Vorsteueraufteilung ist erfreulicherweise eine deutliche Präzisierung der Anforderungen durch das BMF erfolgt; allerdings einhergehend mit umfassenden Aufzeichnungspflichten, was aber bereits bisher in der Praxis so stets beratend empfohlen wurde, um die gewählte Vorsteueraufteilungssystematik eindeutig und leicht nachprüfbar zu stellen. Spätestens bis zum 31. Dezember 2025 sollten die Überprüfung und die Anpassungen an die neuen Regelungen erfolgt sein; v.a. ein bisher noch verwendeter Bankenschlüssel bedarf der Revision. 

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Alena Schmidt

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