Anpassung der Umsatzsteuer an das digitale Zeitalter: VAT in the digital Age (VIDA) verabschiedet!

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 10. Januar 2025​ | Lesedauer ca. 6​ Minuten

 

Nach langen Besprechungen, Diskussionen und Anpassungen in den letzten zwei Jahren, hat sich am 5. November 2024 der EU-Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) nun einstimmig über Inhalt und Zeitplan der Initiative „VAT in the digital Age“ (VIDA) nach dem Vorschlag der EU-Kommission geeinigt. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) wird durch VIDA umfangreich angepasst, womit das Umsatzsteuerrecht stärker an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters anknüpft​. ​
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Konkret plant die EU-Kommission mit dem VIDA-Vorschlag ab 1. Juli 2030 insbesondere ein effizientes Melde­system, durch welches die Daten der Steuerpflichtigen zeitnah auch den Finanzbehörden bereitstehen. Unter anderem wird die Zusammenfassende Meldung durch das sog. digitale Meldesystem („Digital Reporting Requirements“ – kurz: DRR) abgelöst. Damit das Meldewesen auch effizient funktioniert, werden insbesondere Anpassungen im Bereich der Rechnungsstellung vorgenommen. 

Darüber hinaus sollen durch die VIDA-Änderungen schon zu einem früheren Zeitpunkt auch die Steuerpflicht von elektronischen Schnittstellen/Plattformbetreibern ausgeweitet werden und der Gedanke der sog. „Single VAT Registration“ durch die Implementierung des OSS-Verfahrens („One-Stop-Shop“) für das innergemein­schaftliche Verbringen eigener Ware innerhalb der EU weitergeführt werden. 

Die geplanten Änderungen sollen also zum einen Erleichterungen für die Steuerpflichtigen schaffen, und zum anderen zügiger Daten an die jeweiligen Finanzbehörden bereitstellen, so dass eine schnellere Reaktion seitens der Finanzbehörden bei etwaigen Unregelmäßigkeiten ermöglicht würde.
 

​​​​​Konkrete Anpassungen in der MwStSystRL

Dem Grunde nach beinhaltet der verabschiedete VIDA-Entwurf einen mehrstufigen Plan​:
  • Änderungen erfolgen zum 1. Januar 2027, 1. Juli 2028, 1. Juli 2029 und zum 1. Juli 2030.
  • EU-Mitgliedstaaten, die bereits zum 1. Januar 2024 eine Erlaubnis von der EU zur Umsetzung nationaler Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung nach Art. 395 MwStSystRL erhalten haben, müssen einige Rechtsänderungen erst in 2035 umsetzen. Insoweit kann es dahingehend zeitliche Abweichungen zwischen den Fristen in der MwStSystRL und dem jeweiligen nationalen Recht geben.
​Dennoch wird die MwStSystRL unmittelbar nach Inkrafttreten Wirkung für die EU-Mitgliedstaaten entfalten, was die sog. Stufe „0“ ist. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen im Überblick dargestellt.
 

Stufe 0: Anpassung bei Inkrafttreten – elektronische Rechnungsstellung (für Inlandsumsätze, nach länderspezifischer nationaler Umsetzung) 

Durch Anpassungen der Art. 218 neue Fassung (n.F.) und Art. 232 n.F. MwStSystRL ist es für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten möglich, dass Unternehmer, die eben in diesem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, elektronische Rechnungen (sog. E-Rechnung) für im jeweiligen Land ausgeführte steuerbare Lieferungen und sonstige Leistungen ausstellen dürfen. Diese Möglichkeit ist nicht an die Annahme der Rechnung durch den Empfänger gebunden.
 
Hinweis: Diese Änderung ist für Deutschland dem Grunde nach obsolet, da Deutschland eine Erlaubnis nach Art. 395 MwStSystRL erhalten hat und damit durch das Wachstumschancengesetz national bereits E-Rechnungsvorgaben mit Wirkung seit 1. Januar 2025 implementiert hat, die ebenso nicht an die Annahme des Empfängers gebunden sind.
  

Stufe 1: 1. Januar 2027: Anpassung Art. 17a MwStSystRL (Konsignationslager) und neuer Rechnungshinweis

Das Konsignationslager wurde zum 1. Januar 2020 durch die sog. „Quick Fixes“ EU-weit angepasst und damit für alle EU-Mitgliedstaaten vereinheitlicht. Eine Anpassung wird dann dahingehend erfolgen, als bereits aufgenommen wird, dass eine letztmalige Lieferung in ein Konsignationslager am oder vor dem 30. Juni 2028 erfolgen kann und die Geltung des bisherigen Art. 17a MwStSystRL am 30. Juni 2029 endet. 

Hinweis: Das Modell des Konsignationslagers, also die Beförderung/Versendung von eigenen Gegenständen in ein ausländisches Warenlager und die Übertragung des Eigentums an den Gegenständen bei Entnahme, gilt weiterhin, es wird sich jedoch die umsatzsteuerliche Behandlung ändern; siehe dazu auch Konsignationslager und Umsatzsteuer zum Vormerken: Erneute umsatzsteuerliche Änderung zum 1. Juli 2028​.​

Darüber hinaus muss auf einer Rechnung ab 1. Januar 2027 verpflichtend ein Hinweis auf die „Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ enthalten sein, sofern die sog. Ist-Besteuerung Anwendung findet.
 

Stufe 2: 1. Juli 2028: Plattformwirtschaft/Leistungskettenfiktion und Anwendung OSS-Verfahren bei grenzüberschreitenden Konsignationslagerstrukturen

 Für sog. „elektronische Schnittstellen“ wird eine Leistungsfiktion in der Kette implementiert. Bereits mit der Einführung des „VAT e-Commerce-Pakets“ zum 1. Juli 2021 führte der Gesetzgeber die sog. Lieferkettenfiktion ein, um elektronische Schnittstellen (Marktplätze, Plattformen, Portal oder Ähnliches) zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens in die Steuerpflicht zu nehmen. Nun wird dasselbe Prinzip auf bestimmte „sonstige Leistungen“ ausgeweitet. Ab Juli 2028 können (und müssen spätestens ab Januar 2030) die EU-Mitgliedstaaten diese Leistungsfiktion bei kurzfristigen Vermietungen zur Übernachtung, gemeint sind max. 30 Nächte, und bei Personenbeförderungen freiwillig anwenden. 
 
Hinweis: Da die Vereinfachungsregelungen für Konsignationslager im Rahmen der bestehenden Fassung zum 30. Juni 2028 aufgehoben werden, hat die EU-Kommission ein neues Verfahren zur Abwicklung der Konsig­nationslagerstrukturen implementiert. Dieses sieht die Meldung eines steuerfreien innergemeinschaft­lichen Erwerbs (im Bestimmungsland) via OSS-Verfahren vor sowie die Ausweitung des Reverse Charge-Verfahrens für lokale Inlandslieferung im Zeitpunkt der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager. Für Details ver­weisen wir auf unseren Artikel​ Konsignationslager und Umsatzsteuer zum Vormerken: Erneute umsatzsteuerliche Änderung zum 1. Juli 2028​.
 
 

Stufe 3: 1. Juli 2029: Ende Aufzeichnungspflichten für die bisherigen Lieferungen in das Konsignationslager

Wenn die Vereinfachungsregelungen für die Beförderungen/Versendungen von Waren in ein Konsignationslager letztmalig angewendet werden können, enden die damit einhergehenden Aufzeichnungspflichten spätestens ein Jahr später (aufgrund der Entnahmeverpflichtung innerhalb von 12 Monaten). Art. 243 Abs. 3 MwStSystRL wird zum 1. Juli 2029 als Rechtsvorschrift obsolet und daher gelöscht. Die Entnahme aus diesem Lager kann nicht mehr dazu führen, dass entsprechende innergemeinschaftliche Lieferungen in einer Zusammenfassenden Meldung im Abgangsmitgliedstaat durch den leistenden Unternehmer deklariert werden müssen, was ebenfalls zur Löschung des Art. 262 Abs. 2 MwStSystRL führt.​
 

Stufe 4: 1. Juli 2030: E-RECHNUNG (EU-grenzüberschreitend), weitere verpflichtende Rechnungshinweise und Fristen zur Ausstellung einer elektronischen Rechnung sowie Einführung des DRR

Rechnungen sind in elektronischer Form nach den europäischen Vorgaben gem. 2014/55/EU – Standard EN 16931 – auszustellen. Für Rechnungen, die nach diesem Standard ausgestellt werden, ist keine Zustimmung des Rechnungsempfängers notwendig. Andere Rechnungsformate bedürfen nach Art. 232 n.F. MwStSystRL dahingegen die Zustimmung des Leistungsempfängers. Andere Formate sind nur dann zulässig, wenn es sich bei der abzurechnenden Leistung nicht um eine grenzüberschreitende Leistung – insbesondere einer inner­gemeinschaftlichen Lieferung und einer grenzüberschreitenden Dienstleistung – handelt, welche unter die Digital Reporting Requirements (DRR) nach Art. 262ff. MwStSystRL n.F. fallen.
 
Hinzu kommen neue verpflichtende Rechnungsmerkmale. Im Detail wird die Angabe eines Dreiecksgeschäfts sowie einen Hinweis auf die ursprüngliche Rechnung bei Rechnungskorrektur verpflichtend. Auch die Bankver­bindungen sind dann zwingend anzugeben. Insoweit wird Art. 226 MwStSystRL n.F. um drei neue Tatbestands­merkmale ergänzt. 
 
Hinweis: In Deutschland ist die Angabe eines Dreiecksgeschäfts auf der Rechnung bereits verpflichtend gem. § 14a Abs. 7 S.1 UStG anzugeben. Auf der EU-Ebene fehlte diese Vorgabe bisher, wird aber nach der letzten EuGH-Rechtsprechung bereits dringlich gesehen und empfohlen aufzunehmen. 
 
Des Weiteren sind Rechnungen zukünftig schneller auszustellen. Ursprünglich war von einer Rechnungser­teilung innerhalb von zwei Werktagen nach Ausführung der Leistung angeregt. Diese Frist wurde nunmehr auf zehn Tage ausgeweitet. Sammelrechnungen sind möglich und optional bis zum 10. Tag des Folgekalender­monats zu erstellen (Art. 223 MwStSystRL n.F.). 
 
Hinweis: Für innergemeinschaftliche Lieferungen gilt derzeit nach deutschem UStG die Frist zur Rechnungs­ausstellung bis zum 15. Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist.
 

​Praxishinweise zum künftigen Meldewesen​

Das bisherige grenzüberschreitende Meldewesen in Form der Zusammenfassenden Meldung wird zum 1. Juli 2030 grundlegend reformiert:
  • Die Zusammenfassende Meldung fließt in das sog. „Digital Reporting“, also in das Digitale Meldewesen ein. 
  • Das „neue“ digitale Reporting (DRR) sieht neben der Erfassung der innergemeinschaftlichen Lieferungen und des innergemeinschaftlichen Verbringens u.a. auch den innergemeinschaftliche Erwerb und grenzüber­schreitende Umsätze vor, bei denen eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach Art. 194 MwStSystRL n.F. er-folgt.
  • Im neue Meldewesen werden nicht mehr Summenwerte gemeldet, sondern es wird auf jede einzelne Transaktion abgestellt. Dies führt zu einer höheren Transparenz der einzelnen Leistungen. 
  • Des Weiteren wird die Meldung, also das DRR nicht einmal monatlich abgegeben, sondern knüpft an die Rechnungsstellung an, also geschieht fortlaufend. Dies erfordert, dass die Umsätze technisch sauber im System/ERP-System abgebildet werden. Manuelle Anpassungen sollten dann nur noch die Ausnahme darstellen. 
  • Auch lokale Umsätze werden in einem nationalen, digitalen Meldewesen deklariert werden können. Die EU spricht sich somit für ein nationales E-Rechnungsmodell aus. 
 

​Praxishinweise für die Umsetzung der Änderungen im Unternehmen

Aufgrund der (optionalen) Änderung zum 1. Juli 2028, empfiehlt es sich für Betreiber von elektronischen Schnittstellen zu analysieren, inwieweit die innerbetrieblichen Prozesse umzustellen sind, um die Leistungen im Rahmen der kurzfristigen Vermietungen zur Übernachtung für max. 30 Nächte und Personenbeförderungen abbilden zu können. 
 
Für Steuerpflichtige, die in und aus einem Konsignationslager liefern, sind ebenfalls ​die rechtlichen Änderungen zum 1. Juli 2028​ zu berücksichtigen.
 
In Bezug auf die E-Rechnung und das DRR sollten Unternehmer die internationale umsatzsteuerrechtliche Entwicklung im Blick behalten bzw. bereits heute den Zeitplan zur Umsetzung berücksichtigen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich bereits jetzt Anpassungen zur Buchhaltung insgesamt, zur Rechnungsstellung, zum Rechnungsempfang und zum Umgang mit Korrekturen im Sinne einer Readiness zu analysieren und vorzubereiten. Weitere Details des deutschen Gesetzgebers und Stellungnahme der deutschen Finanzver­waltung, insbesondere vor dem Hintergrund der bereits zum 1. Januar 2025 eingeführten (lokalen) E-Rechnung in Deutschland, sind zu gegebener Zeit ebenfalls abzuwarten. Gerne stehen wir Ihnen hier mit unserem interdisziplinären Ansatz zur Bearbeitung und Vorbereitung im System, in der Buchhaltung und zu den materiell-umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben in unserer teamübergreifenden Besetzung an Kollegen zur Verfügung.​
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