Steuerklauseln bei Geschäftsveräußerung im Ganzen: Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

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Die Übertragung von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften ist ein im Grundsatz steuerbarer Umsatz (Lieferung) gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, jedoch sind Umsätze und die Vermittlung von Umsätzen von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe f) UStG von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Unter den Voraussetzungen des § 9 UStG kann der den Umsatz ausführende Unternehmer jedoch zur Umsatzsteuerpflicht optieren.
 
Für Verwirrung hatte in diesem Zusammenhang in jüngerer Zeit ein Urteil des BFH (BStBl. II 2012, 68) gesorgt, das im Anschluss an die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache SKF (Rs. C-29/08, SKF, Slg. 2009, I-10413) ergangen war. Auch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen führt danach zu einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG, wenn die Veräußerung der Anteile auf die Übertragung des gesamten unternehmerischen Vermögens der betreffenden Gesellschaft hinausläuft. Die Anteilsübertragung ist einer Übertragung des unternehmerischen Vermögens der Gesellschaft dabei dann gleichgesetzt, wenn sämtliche Anteile der Gesellschaft Gegenstand der Veräußerung sind. Für die Praxis hätte dies bedeutet, dass die gängigen Umsatzsteuerklauseln in Asset-Deal-Kaufverträgen nunmehr auch auf den Share Deal hätten angepasst werden müssen. Dabei wäre insbesondere zu beachten gewesen, dass anders als bei steuerbefreiten Umsätzen eine Option zur Steuerpflicht bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht möglich ist.
 
Das BMF hatte indes bereits im Jahr 2012 insoweit teilweise Rechtssicherheit geschaffen (BMF vom 3. Januar 2012, BStBl. I 2012, 76). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll nunmehr bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Regelfall keine Geschäftsveräußerung im Ganzen mehr vorliegen können. Dabei kommt es insbesondere auf die Höhe der übertragenen Beteiligung nicht an (Abschnitt 1.5 Abs. 9 Satz 2 UStAE), was allerdings explizit der Entscheidung des BFH widerspricht. Erst wenn der Erwerber in Rechtsverhältnisse eintritt, durch die das Halten der Beteiligung beim Veräußerer als unternehmerisch veranlasst anzusehen war (Abschnitt 2.3 Abs. 3 Satz 5 UStAE), wird ein hinreichendes Ganzes zur Fortführung eines Geschäftsbetriebs übertragen. Diese Voraussetzung ist nach Ansicht der Finanzverwaltung zum Beispiel in den Fällen der Organschaft insbesondere dann erfüllt, wenn der Erwerber in die die wirtschaftliche Eingliederung vermittelnden Beziehungen zwischen bisherigem Organträger und der Organgesellschaft eintritt.
 
Zudem war bislang fraglich, wann eine „vorsorglich” ausgeübte Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 Abs. 1 UStG bei einem Immobilienumsatz oder bei Unternehmensverkäufen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG als ausgeübt gilt. Hintergrund der in der Praxis mit Rechtsunsicherheiten behafteten Abgrenzungsfrage war die aufgrund des BFH-Urteils vom 10. Dezember 2008 (BStBl II 2009, 1026) mit BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2010 (BStBl I 2010, 768) ausgelöste Regelung in Abschnitt 9.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE, wonach eine Option zur Steuerpflicht nur bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der entsprechenden Steuerfestsetzung ausgeübt werden kann.
 
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 (Az. IV D 3 – S 7198/12/10002) knüpft das BMF nun erneut an diese Entwicklung an. Der Abschnitt 9.1. Abs. 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) wird geändert (Einfügung neuer Sätze 2 und 3) und die Auffassung der Finanzverwaltung in Bezug auf die Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG präzisiert. Im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen kommt danach eine Option grundsätzlich nicht in Betracht. Dies entspricht der geltenden Gesetzeslage. Gehen die Parteien jedoch im Rahmen eines notariellen Kaufvertrags übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen sie lediglich für den Fall, dass sich ihre rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt, eine Option zur Steuerpflicht, gilt diese vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariellen Kaufvertrag erklärte Option nach Auffassung der Finanzverwaltung als mit Vertragsschluss wirksam.
 
Die neue Erlasslage ist vorteilhaft für die Steuerpflichtigen. Die Anforderungen der Finanzverwaltung sind gering („unbedingte” Optionsausübung), müssen aber unbedingt beachtet werden. Sind in dem veräußerten Unternehmen zum Beispiel Grundstücke enthalten und geht die Finanzverwaltung im Nachhinein nicht von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus, würde die Veräußerung des Grundstücks zu einer steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a) UStG steuerfreien Lieferung führen, was zu einer Vorsteuerberichtigung beim Veräußerer führen würde. Dies ist der Grund für die häufig anzutreffenden Optionsklauseln in Kaufverträgen. Eine „hilfsweise” oder „bedingt” erklärte Option, die erst nach dem Eintritt der formellen Bestandskraft wirksam wird, war aber nicht geeignet, ein Vorsteuerrisiko des Grundstücksveräußerers zu verhindern, weil sie in der Regel als nicht rechtzeitig ausgeübt galt. Mit der Neuregelung der Finanzverwaltung können daher die negativen Folgen der verkürzten Frist der Option bzw. des Widerrufs einer Option vermieden werden, was zu begrüßen ist.

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Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

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