OLG München zur rechtlichen Bedeutung von Emojis

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 6. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten
Kann die Verwendung von Emojis eine rechtliche Wirkung entfalten? Das Oberlandes­gericht (OLG) München hat darüber entschieden, dass auf WhatsApp versendete Emojis Willenserklärungen sein können und sich mit der Frage beschäftigt, wie deren Inhalt zu bestimmen ist (OLG München, Endurteil von 11. November 2024 – 19 U 200/24 e).
Emojis

In dem zugrundeliegenden Fall ging es um den Kauf eines Ferraris. Der Kaufvertrag sah einen unverbindlichen Liefertermin zum „2./3. Quartal 2021“ vor. Außerdem enthielt er folgende Klausel: „Bei einem unverbindlich vereinbarten Liefertermin kann der Käufer den Verkäufer zur Lieferung erst anmahnen, wenn der unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist.“
 
Im September 2021 teilte der Verkäufer dem Käufer über den Messagingdienst WhatsApp mit, dass der Ferrari erst im 1. Halbjahr 2022 geliefert werden könne. Hierauf antwortete der Kläger:
​„Ups 😬“
 
Auf eine weitere WhatsApp-Nachricht des Verkäufers, indem er dem Käufer mitteilte, dass die gewünschte Ausstattung eingepflegt worden und der Wagen bestellt sei, schickte der Kläger einen Daumen-hoch-Emoji:
​„👍​“
 
Ende Januar 2022 sendete der Kläger dem Beklagten sodann folgende WhatsApp-Nachricht:
​„Erstes Halbjahr hat angefangen. 😄
Schon ein Lebenszeichen von Ferrari wann mit dem Auto zu rechnen ist?“

Im weiteren Verlauf setzte der Käufer dem Verkäufer im Mai 2022 schließlich eine Frist zur Lieferung des Ferraris bis zum 31. Mai 2022. Mit Schreiben vom 1. Juni 2022 erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund der Nichtlieferung. Der Verkäufer wies den Rücktritt des Käufers zunächst zurück, verkaufte aber später den Ferrari und trat dann seinerseits zurück.
 
Der Käufer verklagte den Verkäufer daraufhin auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung. Der Verkäufer erhob Widerklage auf Zahlung des Schadens, der ihm durch den Weiterverkauf des Ferraris zu einem geringeren Preis als mit dem Käufer vereinbart entstanden sei.
 

Auslegung des Chatverlaufs durch das OLG München

Das OLG München gab dem Käufer recht – anders als zuvor das Landgericht (LG) München II in der 1. Instanz. Der Käufer sei wirksam vom Vertrag zurückgetreten und habe deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses.
 
Über WhatsApp übermittelte Textnachrichten würden wohl zwar das Schriftformerfordernis erfüllen (§ 127 Abs. 2 S. 1 BGB) – anders als WhatsApp-Sprachnachrichten oder Video-/Audio-Attachments. Die Nachrichten des Klägers seien aber nicht so auszulegen, dass er eine Lieferfristverlängerung bis zum Ende des 1. Halbjahrs 2022 zugestimmt habe.
  
Der Erklärende könne seinen Willen mittels Zeichen kundtun, d.h. auch durch Emojis und sonstige digitale Piktogramme. Ob er damit einen Rechtbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, sei eine Frage der Auslegung. Dabei sei zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrs­sitte verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB). Unter Beachtung dessen und unter Hinzuziehung von Emoji-Lexika kam das Gericht zu folgenden Ergebnissen:​
 
😬​ Der sog. „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji spiegele negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. Eine zustimmende Bedeutung habe er nicht – auch nicht in Verbindung mit dem Ausdruck „Ups“. Ferner seien auch keine Umstände bekannt, nach denen die Parteien dem Emoji eine davon abweichende Bedeutung beimaßen.
 
👍​ Der sog. „Daumen hoch“-Emoji bedeute Zustimmung, Einverständnis oder Anerkennung. Allerdings habe der Käufer diesen Emoji nicht in Bezug auf die Nachricht des Verkäufers zur Lieferverzögerung, sondern auf die Nachricht des Verkäufers zur Konfiguration des Pkws gesendet. Deshalb liege auch hierin keine Zustimmung zu einem späteren Liefertermin.
 
😄​ Der sog. „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji habe keine eindeutige Bedeutung. Er vermittele oftmals allgemeine Freude, Glücksgefühle, eine warme, positive Stimmung oder gutmütige Belustigung, könne aber auch Stolz oder Aufregung vermitteln. Eingebettet in die obenstehende Nachricht des Käufers bedeute er nicht, dass dieser mit einer Verlängerung der Lieferfrist einverstanden sei.
 
Bei der vom Käufer gesetzten Frist handele es sich um eine sog. unechte Nachfrist, da diese eine zusätzliche Frist nach Ablauf der Frist nach dem unverbindlichen Liefertermin darstelle. Diese vom Gericht als angemessen erachtete unechte Nachfrist sei mangels Zustimmung des Käufers zu einer Verlängerung der Lieferfrist abge­laufen, sodass er wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten habe können.
  

Rechtliche Interpretation von Emojis

Das OLG München stellte nicht nur fest, dass WhatsApp-Nachrichten, sondern auch Emojis Willenserklä­rungen im zivilrechtlichen Sinne sein können. Letzteres sei durch Auslegung zu ermitteln, denn es sei auch möglich, dass Emojis lediglich Stimmungs- und Gefühlslagen ohne rechtliche Wirkung ausdrücken sollten.
 
Spannend sind insbesondere die Ausführungen des Gerichts zu den unterschiedlichen Interpretationsmög­lichkeiten von Emojis. Diese müssten auch vom Empfänger verstanden werden können. Faktoren wie Natio­nalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur könnten sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen, wobei sich besonders deut­liche Einschnitte zwischen den Altersgruppen ergäben.
 

Die rechtliche Prüfung von Emojis erfolgt damit in mehreren Stufen:​ 

  1. Stellt der Emoji nach den Umständen des Einzelfalls und im Zusammenhang der sonstigen Nachrichten überhaupt eine rechtliche Willenserklärung dar oder spiegelt er lediglich Emotionen wider?
  2. Welche Bedeutung hat der Emoji üblicherweise?
  3. Welche Bedeutung hat der Emoji im konkreten Fall unter Berücksichtigung der mit ihm zusammenhängenden Nachricht(en)?
  • Kann die übliche Bedeutung des Emojis vom Empfänger verstanden werden?
  • ​Haben die Empfänger das gleiche Verständnis von Emojis?
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