Sanktionsthemen in der M&A Praxis – Update zu DD-Anforderungen und Gestaltung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 1. Februar ​2024​ | Lesedauer ca. 6 Minuten

  

​​In der Vergangenheit spielten Sanktionen bei Transaktionen meist nur eine beiläufige Rolle, dergestalt, dass das Einhalten von Sanktionen unter die Standardformulierung des Garantiekatalogs gefasst wurde, wonach die Zielgesellschaft ihre Geschäftstätigkeit in Übereinstimmung mit den hierfür geltenden rechtlichen Vorgaben ausübt. 

Lediglich bei mehr oder weniger offensichtlichen Berührungspunkten zu Ländern die Gegenstand von Sanktionen waren (insb. Iran, Belarus und ab 2014 auch Russland) wurde die Beachtung von an-wendbaren Sanktionen zunehmend auch explizit als Zusicherung eingefordert. 
 
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und die im Nachgang schnell eskalierenden Sanktionspakete von EU, US, UK und weiterer Länder und Organisationen, hat sich das Thema der Sanktions-Compliance jedoch zu einem Kernthema der Due Diligence Prüfung und zu einem vielfach entscheidenden Element der Transaktionsstruktur- und Erwerbsvertragsgestaltung entwickelt.
 
Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Sanktionsthemen sowohl auf Ebene der Zielgesellschaft eine (ggf. sogar existenzielle) Bedeutung haben, als auch auf der Ebene der unmittelbar Transaktionsbeteiligten, wie Käufer, Verkäufer sowie auch für weitere Beteiligte wie Investoren, finanzierende Banken, W&I Versicherungen, etc.
 
Und dennoch ist das Sanktionsthema noch immer nicht selbstverständlich im Bewusstsein vieler Wirtschaftsteilnehmer verankert, gerade wenn es sich um einen (scheinbar) lediglich nationalen Vorgang handelt. Bei entsprechendem Hinweis, wird sogar vereinzelt angeführt, es handle sich bei den Sanktionsregelungen doch wohl lediglich um „Papiertiger”, deren Nichtbeachtung keine greifbaren negativen Folgen nach sich zögen. 
 
Ein solcher Eindruck kann tatsächlich entstehen, da die Konsequenzen von Sanktionsverletzungen noch nicht in ihrem ganzen Ausmaß in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Vereinzelt gibt es Medienberichte über besonders offensichtliche Sanktionsverstöße und Umgehungsgestaltungen, die zumindest in entsprechenden Reputationsschäden für die betroffenen Akteure resultieren. Die mit Verletzungen gegen EU- (und auch nationale) Sanktionen verbundenen strafrechtlichen Konsequenzen, werden jedoch erst in einigen Jahren medial sichtbar werden – mit Abschluss der Ermittlungsverfahren, Anklageerhebungen und Verurteilungen. Die für die erwartete Vielzahl der Verfahren erforderlichen Kompetenzen und Personalkapazitäten wurden in Deutschland insbesondere durch das Zweite Sanktionsdurchsetzungs­​gesetz, die Schaffung der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung, das Bundesfinanzkriminalamt und die FIU (Financial Intelligence Unit) geschaffen. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass sich aktuell eine tsunamiartige Welle entsprechender Verfahren aufbaut.

Einige aktuell und unmittelbar wirkenden Folgen von Sanktionsverletzungen oder auch nur unzureichenden Sanktions-Compliance Maßnahmen sind dem Blick der Öffentlichkeit noch entzogen – in unserer Beratungspraxis aber deutlich sichtbar. 

Dabei spielen insbesondere die Banken eine herausragende Rolle. Sie sind es, die über ihre durch strenge Vorgaben zur Geldwäsche und Terrorismus-Bekämpfung hochsensibilisierten Compliance-Abteilungen, auch mittelbare Sanktionsverstöße – etwa durch Tochtergesellschaften in Drittstaaten – aufdecken. Durch die vor dem Hintergrund der KYC-Dokumentationsanforderungen und der erforderlichen Risikobewertung eingeforderten Erklärungen und Nachweise zu internen Sanktions-Compliance Maßnahmen, Prozessdokumentation und Verantwortlichkeiten werden die Banken zu den wesentlichen Treibern bei der Durchsetzung der Sanktionsvorgaben der EU und speziell auch der USA. 

Im Unterschied zu den strafrechtlichen Konsequenzen sind die bankenseitigen Reaktionen rasch und in ihren Folgen unmittelbar für Unternehmen spürbar. Diese bestehen in der Regel aus Androhung und nachfolgender Umsetzung von Kontosperrungen, Kontokündigungen sowie der Kündigung von Finanzierungsverträgen. Auf entsprechende Mitteilungen und Anforderungen von Banken gilt es deshalb aufgrund der vorgegebenen kurzen Antwortfristen vorbereitet zu sein und richtig zu reagieren.

Speziell bei M&A Transaktionen gilt es sich den geänderten Anforderungen anzupassen. Sanktionsrechtliche Themen sind dabei nahezu über den gesamten Verlauf eines Transaktionsver-fahrens sowohl auf Erwerber- wie auch auf Veräußererseite „mitzudenken”. Hierzu sind bereits im Vorfeld die bestehenden Sorgfaltspflichten für die Beteiligten individuell zu ermitteln und geeignete Methoden des Risikomanagements anzuwenden. 

So gilt es bereits im Zusammenhang mit der ersten Kontaktaufnahme bzw. der Einleitung von Gesprächen, Prüfungen zur Zielgesellschaft, den beteiligten Unternehmen und natürlichen Personen durchzuführen. Im Fokus steht dabei insbesondere einen eventuelle Eintrag der unmittelbar an der Transaktion beteiligten Personen sowie den weiteren Personen entlang der Beteiligungsstrukturen bis hin zu den wirtschaftlich Berechtigten auf einer einschlägigen Sanktionsliste abzuklären.

Wie weit dabei die sich aus den geltenden Sorgfaltspflichten ergebenden Anforderungen gehen, ist anhand der für den konkreten Fall zu ermittelnden Risikofaktoren zu beurteilen. 

Gleiches gilt für die Bewertung der Ergebnisse eines Sanktionslistenabgleichs. Ergibt sich etwa, dass formal eine Kontrollausübung durch individualsanktioniere Personen aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsquote (etwa wenn die Beteiligungsquote unter 50 Prozent liegt) nicht gegeben ist, können sich aus der Prüfung der Beteiligungshistorie dennoch Indizien ergeben, die eine faktische Kontrollposition der sanktionierten Person nahelegen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme in eine Sanktionsliste eine Anteilsübertragung an Personen erfolgte, die sich in wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit zu der sanktionierten Person befinden. Bei entsprechenden Anzeichen gilt es weitere Prüfungen vorzunehmen, etwa auch von Satzungen, Gesellschafterverträgen, Stimmrechtvereinbarungen, Treuhandvereinbarungen, etc.

Mögliche Themen und Gegenstände von Sanktionsprüfungen im Transaktionszusammenhang können exemplarisch wie folgt aufgezählt werden:

1. Prüfung anwendbarer Sanktionsregime:
  • Bestimmung des anwendbaren Sanktionsrechts/Anwendungsbereich (EU – Territorialprinzip/US-Sanktionen OFAC/BIS, z.B. Primärsanktionen über US-Nexus – Dollar als vereinbarte Währung für den Kaufpreis, Beteiligung von Personen mit US-Staatsbürgerschaft oder Green-Card, Banken mit Niederlassungen in den USA, Waren mit US-Herkunft); 
  • über den definierten Anwendungsbereich hinausgehendes Anwendungsrisiko, z.B.  extraterritoriale Anwendung von US-Sanktionen (Secondary Sanctions)
2. Entsprechend den als anwendbar erkannten Sanktionsvorschriften erfolgt dann die individuals-anktionsrechtliche Prüfung der folgenden Beteiligten (Sanctioned Party List Screening):
  • Zielgesellschaft(en) 
  • Transaktionsparteien (bis auf UBO-Ebene)
  • sonstige unmittelbar und mittelbar transaktionsbeteiligte Personen (z.B. finanzierende Banken, Investoren, Treuhänder, Investmentbanken, Makler, W&I Versicherungen)
3. Sanktionsrechtliche DD-Prüfung der Zielgesellschaft:
  • Beachtung von Sanktionsvorschriften und eventuelle Risiken und Verletzungen durch Art der Geschäftstätigkeit/Leistungen und Aktivitäten/Produktion und Handel von sanktionierten Wa-ren/Schaffung und Nutzung von Umgehungsstrukturen
  • Sanktionslistenabgleich leitender Mitarbeiter (bei entsprechenden Verdachtsmomenten) 
  • Sanktionslistenscreening von Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten (unter Einsatz von Screening Software, die einen Abgleich von großen Datenmengen ermöglicht)
  • Erfüllung der Compliance Anforderungen in Gestalt von Exportkontroll- und Sanktions-Compliance Systemen (interne Richtlinien, Prozessvorgaben, Checklisten, Handbücher, Einsatz technischer Hilfsmittel, Zuständigkeiten)
  • Bekannte Sanktionsverstöße, Adverse Media Check
  • laufende (Ermittlungs-) Verfahren gegen Unternehmen und beteiligte Privatpersonen (z.B. Zoll, Strafverfolgungsbehörden – auch in anderen Ländern)

Vor einer Prüfung empfiehlt es sich auch abzuklären, welche Anforderungen im Hinblick auf Prü-fungsumfang und -tiefe, Nachweiserfordernisse, Detailierungsgrad und Dokumentation von Seiten dritter Beteiligter, insbesondere W&I Versicherer und finanzierenden Banken, bestehen.

Für die Verkäuferseite ist es wichtig im Vorfeld der Transaktion (etwa im Rahmen einer Vendor-DD) sanktionsbezogene Schwachpunkte und -risiken zu identifizieren und vor einer Erwerbprüfung zu eliminieren oder zumindest zu minimieren.

Dort wo etwa aufgrund der (z.T. gesetzgeberisch intendierten) Unbestimmtheit des Sanktionsrechts oder mangels Information keine eindeutigen Ergebnisse zu erzielen sind, verbleibt den Beteiligten oft nur eine den Anforderungen entsprechende Risikobewertung und -abwägung (BRA – Business Risk Assessment) vorzunehmen und diese zu dokumentieren, auf deren Grundlage dann die wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen sind.

Dass eine solche Unbestimmtheit wohl mit dem im Strafrecht geltenden verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebot kollidiert, wird zukünftig sicherlich ein gewichtiges Argument bei der Verteidigung gegen die strafrechtliche Ahndung von Vorwürfen der Sanktionsverletzung darstellen.

Letztlich sind die transaktionsveranlassten Sanktionsprüfungen aber in die Gesamtschau der Compliance Prüfungen einzubeziehen. Hier finden sich viele Überschneidungen zu Maßnahmen, die zur Abklärung und Aufdeckung von Verstößen in anderen Bereichen führen. Eine Sanktionsprüfung sollte deshalb in enger Abstimmung mit den Experten aus anderen Compliance-Bereichen (z.B. KYC, CRA, Erfüllung von Untersuchungs-, Dokumentations- und Meldepflicht im Bereich AML, UBO-Ermittlung, forensische Untersuchungen) durchgeführt werden, um unnötige Doppelprüfung zu vermeiden. Die zugrundeliegenden Daten und Erkenntnisse sollten laufend ausgetauscht werden – mit dem Ziel diese einer ganzheitlichen Risikobewertung zuzuführen und geeignete Maßnahmen zum Umgang mit diesen Risiken zu identifizieren.

Diese können etwa bestehen aus dem Carve-Out bestimmter risikoexponierter Teile der Zielgesellschaft bzw. der Herausnahme von Einheiten aus der zu erwerbenden Gruppe vor dem Erwerb, etwa in Form der Veräußerung der Beteiligungen an Tochtergesellschaften in Russland (sofern aufgrund des russischen Genehmigungsvorbehalts bei mittelbaren und unmittelbaren Anteilsübertragungen aktuell überhaupt möglich) oder auch von Einheiten in Drittstaaten mit (vermuteter) Teilnahme an Umgehungsstrukturen. 

Hat der Sanktionslistenabgleich der Stammdaten bei der Zielgesellschaft ergeben, dass bestimmte Lieferanten oder Kunden mit einem hohen Sanktionsrisiko zu versehen sind, dann sollte die Einstellung der Geschäftsbeziehungen zu diesen Personen zur Erwerbsbedingung gemacht werden. Auch der Ausschluss exponierter Personen (etwa wenn diese in der Vergangenheit an Sanktionsverletzungen beteiligt waren oder wenn deren Teilnahme einen US-Nexus begründen könnte) kommt in Betracht.

Defizite bei der Gestaltung und der Ausführung der internen Compliance-Prozesse sollten vorzugsweise vor Erwerb behoben oder die hierfür nach Erwerb erforderlichen Aufwendungen als Abzugsposition bei der Kaufpreisermittlung berücksichtigt werden. 

Soweit konkrete, weitere Risiken identifiziert wurden, sollte der Käufer darauf bestehen, dass der Verkäufer eine Freistellung für die dadurch möglicherweise entstehenden finanziellen Schäden (einschließlich von gegen die Gesellschaft verhängten Bußgelder) akzeptiert.

Zwischen Signing und Closing eingeleitete Ermittlungsverfahren oder medial aufgedeckte Sanktionsverstöße sollten über geeignet MAC-Klauseln abgedeckt werden.

Gerade im Sanktionsbereich empfiehlt sich eine über eine bloße Red-Flag Berichterstattung im DD-Bericht hinausgehende dokumentarische Darstellung, um dem Erwerber bei zukünftigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Exculpation für Sachverhalte, die vor dem Erwerb liegen, zu ermöglichen.

Bei der Verfassung der Garantie- und Freistellungsregelungen ist zu beachten, dass W&I Versicherungen zwar entsprechende Nachweise zu Sanktionsrisikoprüfungen einfordern, jedoch in der Regel keinen Versicherungsschutz für diesen Bereich gewähren und die Versicherungsverträge entsprechende Ausschlussklauseln beinhalten.

Wohl noch ungeklärt ist die Frage, ob der Erwerber nach der mit dem 11. EU-Sanktionspaket eingeführten sogenannten „Jedermannspflicht” nach Art. 6b VO (EU) 833/2014 verpflichtet ist, ihm im Rahmen der DD-Prüfung zur Kenntnis gelangte Sanktionsverletzungen der Zielgesellschaft gegenüber den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen. Von einer solchen mit Bußgeld bewehrten Mitteilungspflicht explizit ausgenommen, sind insbesondere Rechtsanwälte, weshalb zu erwägen ist, entsprechende Informationen exklusiv nur den mit einer entsprechen Prüfung beauftragen Rechtsanwälten (etwa über eine sog. Clean-Team Regelung) zur Verfügung zu stellen – entsprechend dem üblichen Vorgehen bei der Offenlegung sensibler Informationen, die unter die Beschränkungen des Kartell- oder Datenschutz​rechts fallen.​​​​​​
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