Konsignationslager und Umsatzsteuer zum Vormerken: Erneute umsatzsteuerliche Änderung zum 1. Juli 2028

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 8. Januar 2025​ | Lesedauer ca. 5​ Minuten

 

Zum 1. Januar 2020 wurden EU-weit im Rahmen der sogenannten „Quick Fixes“ Rege­lungen zur Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten auf Basis von mehreren Änderungen in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) für Konsignationslager einge­führt. Zuvor konnte jeder EU-Mitgliedstaat selbst entscheiden, inwiefern er umsatz­steu­er­liche Vereinfachungen für die Einrichtungen von Konsignationslagern und den Umsätzen/Warenlieferungen darüber zuließ. ​
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​Die umsatzsteuerliche Beurteilung wird sich ab dem 1.7.2028 mit dem weiteren kürzlich verabschiedeten Pro­posal der EU Kommission „VAT in the digital Age“ (VIDA) erneut ändern. Unter anderem wird das Verfahr­ens­recht zeitgleich angepasst, sodass es ab dem 1.7.2028 Sonderregelungen für unternehmensinterne Verbring­ungen von Gegenständen (Art. 369xa ff. MwStSystRL) – namentlich das OSS-Verfahren für das innergemein­schaftliche Verbringen – geben wird.

Unternehmer sollten sich rechtzeitig mit den anstehenden Gesetzesänderungen für den EU-grenzüberschrei­ten­den Warenverkehr befassen. Zum einen, da bei bereits bestehenden Verträgen zu Konsignationslägern Anpassungen erforderlich werden könnten. Zum anderen, da sich durch die VIDA-Anpassungen die Deklara­tionsverpflichtungen ändern und somit auch ggf. die systemseitigen bzw. ERP-Einstellungen. 

​​​​​Konsignationslager – Einordnung der umsatzsteuerlichen Beurteilung

Insbesondere in der Automobilbranche und deren Zulieferindustrie, aber auch in vielen anderen produzier­enden Branchen  sind Konsignationslagerstrukturen vorhanden.  

Das Konsignationslager bezeichnet generell ein Warenlager eines Lieferanten, das sich in der Nähe des Kunden befindet und aus dem der Kunde bei Bedarf Waren entnimmt; ist eine vertragliche Vereinbarung dazu mit nur einem Kunden zur Warenentnahme vorgesehen, wird auch von einem Call-Off-Stock gesprochen. Ein Konsi­gnationslager ist von Nutzen, wenn Waren/Teile zur (weiteren) Produktion schnell für den Kunden/Abnehmer (zugleich Produzent) verfügbar sein sollen. Die Eigentumsübertragung der Waren erfolgt jedoch erst im Zeit­punkt der Entnahme durch den Kunden. Die deutsche Finanzverwaltung definiert für umsatzsteuerliche Zwecke ein Konsignationslager als Warenlager, in welches der liefernde Unternehmer Gegenstände in einen zum Verbleib gedachten Bestand und zur Entnahme nach eigenem Ermessen durch einen dem liefernden Un­ter­nehmer bekannten Erwerber befördert oder versendet (Abschn. 6b.1. Abs. 1 S. 2 UStAE). 
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Erst im Zeitpunkt der Entnahme der Gegenstände aus dem Konsignationslager (durch den Erwerber) geht die Verfügungsmacht auf den Erwerber über und der Unternehmer führt eine grundsätzlich steuerbare Lieferung aus. Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen hängen insbesondere davon ab, ob es sich um einen rein inlän­dischen Sachverhalt (Waren werden von einem Unternehmer innerhalb Deutschlands in ein im Inland beleg­enes Konsignationslager transportiert) oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Im Fol­genden sind Thema die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der grenzüberschreitenden Warenbewegungen innerhalb der EU. 
 
Bis Ende 2019 hatten einzelne EU-Mitgliedstaaten durchaus nationale Vereinfachungen geschaffen, um die umsatzsteuerlichen Auswirkungen bei der Nutzung von Konsignationslägern für Steuerpflichtige zu verein­fachen.  

Grundsätzlich lösen grenzüberschreitende Warenbewegungen in ausländische Konsignationslager ein so­genanntes innergemeinschaftliches Verbringen eigener Ware des liefernden Unternehmers im Ankunftsland aus und folglich eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht dort, um den innergemeinschaftlichen Erwerb erklären und besteuern zu können. Im Zeitpunkt der Entnahme der Waren führt der liefernde Unternehmer ohne Vereinfachung anschließend dann eine lokale Inlandslieferung nach den jeweiligen umsatzsteuerlichen Vorgaben des EU-Mitgliedstaats aus.  
 
Dieses grundlegende Verständnis zu grenzüberschreitenden Warenbewegungen in ein Konsignationslager setzte u.a. Deutschland ohne Vereinfachungsregelung um (Ausnahmen bestanden für bestimmte Fälle). 

Andere EU-Mitgliedstaaten haben als Vereinfachung und mit bestimmten Sachverhaltsvoraussetzungen bereits innergemeinschaftliche Lieferung an den Abnehmer im EU-Ausland bei Entnahme aus dem Lager fiktiv an­genommen. Für den leistenden Unternehmer ergab sich somit keine Registrierungspflicht bzw. keine Deklara­tionspflicht im Bestimmungsmitgliedstaat, da den innergemeinschaftlichen Erwerb der Kunde erklärte.  

Innerhalb der EU bestand eine uneinheitliche und teils komplexe Abbildung von Konsignationslagerstrukturen. Hierzu gehören z.B. Befristungen (für den Zeitraum zwischen Einlagerung und Entnahme der Waren), Bean­tragungen oder Gegenseitigkeit (Vereinfachung war nur möglich, wenn das Abgangsland ebenfalls eine Ver­einfachungsregelung vorsah). 

​Vereinfachung seit 1. Januar 2020 ​

Zum 1. Januar 2020 wurde die Konsignationslagerregelung grundlegend angepasst und auf EU-Ebene mit der Einführung des Art. 17a MwStSystRL vereinheitlicht, in Deutschland mit § 6b UStG national umgesetzt. Sofern nunmehr bestimmte Voraussetzungen und Aufzeichnungspflichten erfüllt sind, entfällt eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht des liefernden Unternehmers im Bestimmungsland der Ware/„Konsilagerland“ (auf die Details verweisen wir auf unseren Newsletter vom 17.1.2022 (VERLINKUNG Vereinfachungsregelung für Konsi­gnationslager nach § 6b UStG)). 

Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich für alle EU-Mitgliedstaaten gleich. So gilt beispielsweise für die Anwendung der Vereinfachungsregelung eine Entnahmeverpflichtung innerhalb von zwölf Monaten (auf Basis von Art. 17a Abs. 4 MwStSystRL) und eine Aufzeichnungspflicht bzw. eine Meldung in der Zusammenfassenden Meldung (Art. 17a Abs. 2 Buchst. d MwStSystRL).  

Im Zuge dieser EU-Vereinheitlichung haben doch einige Unternehmer Konsignationslagervereinbarungen angepasst, sich oftmals im Bestimmungsland de-registriert und entsprechend die Rechnungsstellung/die systemseitigen Einstellung zur Fakturierung und zum Meldeprozess angepasst. Etliche andere Unternehmen hatten gerade wegen der umfangreichen Aufzeichnungspflichten von der Vereinfachung keinen Gebrauch gemacht was oftmals in der Gesamtschau – bisher bereits bestehende Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke mit Möglichkeit zum meist laufendem Vorsteuerabzug und bekanntes Setup usw. versus „neuer Ver­einfachung“ und weiterer administrativer Aufwand zur Aufzeichnung und zum Monitoring – beratend auch empfohlen wurde; jedenfalls eine solche Abwägung dazu vorzunehmen.   

​Rechtslage ab 1. Juli 2028 

Durch den VIDA-Vorschlag, der am 5. November 2024 von dem Europäischen Rat verabschiedet wurde, wird die Konsignationslagerregelung (Art. 17a MwStSystRL) als Vereinfachungsregelung wieder abgesetzt. Für die letztmalige Anwendung hat eine Lieferung in ein Konsignationslager am oder vor dem 30. Juni 2028 zu erfolgen. Die Aufzeichnungspflichten bestehen, unter Berücksichtigung der vorgenannten 12-Monatsfrist, bis zum 30. Juni 2029 fort. Demnach ist damit zu rechnen, dass auf nationaler Ebene auch der § 6b UStG und die Aufzeich­nungspflichten nach § 22 Abs. 4f UStG nach nur acht Jahren grundlegend angepasst werden. 

Praktisch bedeutet dies, dass die Entnahme der Waren durch den Leistungsempfänger/Abnehmer nicht mehr zu einer, in diesem Zeitpunkt zu meldenden, fiktiven innergemeinschaftlichen Lieferung des liefernden Unternehmers an den Abnehmer führt. Vielmehr ist nun wieder ein innergemeinschaftliches Verbringen des liefernden Unternehmers zu melden und eine anschließende lokale Lieferung.  

Diese „Rückkehr“ führt jedoch nicht zu einer umsatzsteuerlichen Registrierung des liefernden Unternehmers im Bestimmungsland. Gerade dies soll durch die angepasste Neuregelungen vermieden werden. Denn eine wesentliche Neuerung ab dem 1. Juli 2028 besteht darin, dass das bereits bestehende One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren) ausgeweitet wird, unter anderem auch auf die unternehmensinterne, innergemeinschaftliche Verbringung von Waren und Gegenständen. 

Demnach sind Warenbewegungen in ein Konsignationslager, das in einem anderen EU-Mitgliedstaat gelegen ist, im Rahmen einer monatlichen Erklärung über das OSS-Verfahren zu melden; der innergemeinschaftliche Erwerb ist jedoch steuerfrei (Art. 369xi Abs. 1 MwStSystRL_NEU). Sobald die Waren vom Abnehmer entnommen werden, soll die Steuerschuld auf den Erwerber übergehen. Dies führt also nicht nur zu einer Ausweitung des OSS-Verfahrens, sondern auch des Reverse Charge-Verfahrens.  

Wird also im Rahmen der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager durch den Erwerber die steuer­pflichtige Lieferung von Gegenständen von einem Unternehmer bewirkt, der nicht in diesem EU-Mitgliedstaat ansässig oder für umsatzsteuerliche Zwecke registriert ist, so soll die Steuerschuldnerschaft auf die Person übergehen, an welche die Lieferung von Gegenständen erbracht wird, wenn diese steuerpflichtige Person in diesem EU-Mitgliedstaat bereits für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst ist. 

Best Practice-Hinweise für den Übergang von der aktuellen auf die zukünftige Rechtslage ​​

Unternehmer sollten die umsatzsteuerrechtliche Entwicklung im Blick behalten. Weitere Details des deutschen Gesetzgebers und Stellungnahme der deutschen Finanzverwaltung zu gegebener Zeit sind ebenfalls abzu­warten. Die bis zum 30.6.2028 geschlossenen Konsignationslagerverträge werden unter Berücksichtigung der umfassenden Neuregelungen anzupassen sein. Unter anderem werden sich auch die folgenden Fragen stellen:  ​
  • In welchem Umfang sind die Einstellungen im System/im ERP-System umzustellen?  ​
  • Was wäre bei einer Umstellung auf das OSS-Verfahren zu berücksichtigen (Aufzeichnungspflichten, Meldungen, Übergangsregelungen, Anmeldung zu OSS etc.)?  

Diese Fragen sind derzeit zwar noch nicht klärungsbedürftig, sind jedoch bei einer mittelfristigen Planung zu berücksichtigen.

Ebenso lohnt sich die Übersicht und Überprüfung der aktuellen Prozesse für Konsignationslager vorzubereiten:  
  • In welchen Ländern werden Konsignationslager, sowohl eingangs- als auch ausgangsseitig genutzt?  
  • In welchen Ländern bestehen bereits umsatzsteuerliche Registrierungen bzw. besteht bereits die Anmeldung zu OSS?  
  • ​Werden derzeit neue Konsignationslagerverträge geschlossen und wenn ja, wird ggf. bereits eine zeitliche Befristung berücksichtigt?

In jedem Fall können die aktuellen und anstehenden neuen Regelungen für Konsignationslagervereinbarungen eine Chance sein, die Unternehmer innerhalb der EU nun endlich diesbezüglich zu entlasten und bei korrektem Aufsetzen (der Verträge, der Einstellungen im System/ERP-System) zu einer signifikante Erleichterung im Be­reich der umsatzsteuerlichen Pflichten im EU-Ausland führen. Wir unterstützen Sie gerne dazu.  

Kontakt

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Alena Schmidt

Steuerberaterin, Diplom-Betriebswirtin, Umsatzsteuerberatung | VAT Services

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Michaela Riel

Steuerassistentin

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