Die neue Produkthaftungsrichtlinie und Neuerungen im Bereich der KI

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die europäische Produkthaftungsrichtlinie (PLD), die am 18. November 2024 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, führt wichtige Neuerungen für den Verbraucherschutz und die Anpassung an moderne technologische Herausforderungen ein.

 
  

Von der Richtlinie 85/374/EWG zur Richtlinie (EU) 2024/2853

Am 18. November 2024 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union die Richtlinie (EU) 2024/2853 veröffentlicht, die die vorherige Richtlinie 85/374/EWG vom 25. Juli 1985 mit Wirkung vom 9. Dezember 2026 aufhebt.

Nach fast 40 Jahren wird die Produkthaftungsregelung mit neuen und wichtigen Änderungen modernisiert.

Die Richtlinie 85/374/EWG, die in Italien durch das Präsidialdekret Nr. 224/1988 umgesetzt und später in das Gesetzesdekret Nr. 206/2005 (das so genannte „Verbrauchergesetzbuch“) aufgenommen wurde, hat in der Tat fast vier Jahrzehnte lang ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes gewährleistet.

Das Aufkommen neuer Technologien - insbesondere der zunehmende Einsatz von Software in den auf den Markt gebrachten Produkten und die jüngsten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz („AI“) - hat jedoch eine Überprüfung der bestehenden Normen erforderlich gemacht.

Die Rolle der KI in der neuen Produkthaftungsrichtlinie​

Der Text der Produkthaftungsrichtlinie macht bereits in den ersten Erwägungsgründen deutlich, dass diese Verantwortung verschuldensunabhängig sein muss, um eine gerechte Verteilung des mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risikos zu gewährleisten.

DIE EINBEZIEHUNG VON SOFTWARE IN DIE DEFINITION DES BEGRIFFS „PRODUKT“.

Der europäische Gesetzgeber erkannte die Notwendigkeit, die aufgehobene Richtlinie 85/374/EWG im Lichte der jüngsten technologischen Entwicklungen, wie der Verbreitung von Systemen der künstlichen Intelligenz (KI), zu überarbeiten. Dies führte zu einer Aktualisierung der Definition des Begriffs „Produkt“ in der neuen Produkthaftungsrichtlinie (PLD), die Software (und damit auch KI-Systeme) ausdrücklich als immaterielle Produkte des digitalen Zeitalters einschließt.

Mit dieser Überarbeitung werden in erster Linie zwei Ziele verfolgt:
  • Gewährleistung einer fairen Risikoverteilung entlang der gesamten Produktwertschöpfungskette, einschließlich KI-basierter Produkte;
  • Angemessener Schutz der Geschädigten, für die es sonst schwierig wäre, die Haftung in einem technisch und wissenschaftlich immer komplexeren Umfeld nachzuweisen.

BERÜHRUNGSPUNKTE MIT DEM AI ACT

Es fehlen auch nicht die Verweise auf die KI-Verordnung, in der festgelegt ist, dass der Hersteller oder Entwickler von Software, einschließlich des Anbieters von KI-Systemen im Sinne der EU-Verordnung 2024/1689 (KI-Gesetz), für die Zwecke der Produkthaftung als „Hersteller“ zu betrachten ist.

Ein wichtiger Punkt betrifft wesentliche Änderungen an Software oder KI-Systemen. 
Wenn eine Aktualisierung, eine Verbesserung oder ein kontinuierliches Lernen eines KI-Systems eine wesentliche Änderung bewirkt, gilt das geänderte Produkt als neu und wird zum Zeitpunkt der Änderung in Verkehr gebracht (vgl. Art. 40 PLD; Art. 25 KI-Gesetz).

Erwähnenswert ist auch die Definition des Begriffs „Komponente“ des PLD, die bei näherer Betrachtung mit der Definition von risikoreichen KI-Systemen gemäß Abschnitt 6 des KI-Gesetzes übereinstimmt und besondere Bedeutung erlangt.
Der Begriff der Komponente als „jeder materielle oder immaterielle Gegenstand, jeder Rohstoff oder jede damit zusammenhängende Dienstleistung, der/die in ein Produkt integriert oder mit diesem verbunden ist“, ist gerade für die Identifizierung von Hochrisikosystemen im Sinne von Absatz 1, Art. 6 KI-Gesetz relevant, d.h. von KI-Systemen, die als Sicherheitskomponente eines Produkts verwendet werden sollen und die einer Konformitätsbewertung durch Dritte unterzogen werden.

Darüber hinaus wurde im AI-Gesetz bereits die Möglichkeit des Ersatzes von durch AI verursachten Schäden gemäß der Richtlinie 85/374/EWG anerkannt (vgl. Absatz 9, AI-Gesetz).

URSÄCHLICHER ZUSAMMENHANG ZWISCHEN SCHÄDEN UND MÄNGELN BEI KI-SYSTEMEN

Ein zentrales Thema ist die Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen dem erlittenen Schaden und dem Produktfehler, wobei der Schwerpunkt auf KI-Systemen liegt.

Der europäische Gesetzgeber hält den Fall von KI-Systemen, bei denen es für den Kläger schwierig sein kann, den Kausalzusammenhang zu beweisen, für paradigmatisch. In solchen Situationen wird es als unnötig erachtet, dass der Kläger technische Besonderheiten oder spezifische Merkmale des KI-Systems erläutert, die den Nachweis der Kausalität erschweren.

Diese Bestimmungen zielen darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Geschädigten und der Haftung des Herstellers herzustellen und einen Rechtsrahmen zu gewährleisten, der den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht wird.

Merkmale, die durch die Richtlinie (EU) 2024/2853 eingeführt wurden​

Die neue Richtlinie behält die Grundprinzipien der früheren Gesetzgebung bei, führt aber wichtige Neuerungen ein, um den Anforderungen der heutigen digitalen Wirtschaft gerecht zu werden. 
Nachstehend sind die wichtigsten Neuerungen aufgeführt.

AKTUALISIERTE DEFINITIONEN

Die Definition des Begriffs „Produkt“ wurde, wie bereits erwähnt, erweitert und umfasst nun jede bewegliche Ware, auch wenn sie in eine andere bewegliche oder unbewegliche Ware integriert (oder mit dieser verbunden) ist, sowie Elektrizität, digitale Produktionsdateien und Software.

Mit dieser Aktualisierung wird sichergestellt, dass Waren, die Software enthalten (einschließlich solcher, die auf KI-Modellen basieren, siehe oben), eindeutig unter den Begriff „Produkt“ fallen, so dass die Verbraucher Schadenersatz für durch diese Systeme verursachte Schäden verlangen können.

ERLEICHTERUNG DER BEWEISLAST

Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Beweislast für den Geschädigten. 
Nach der herkömmlichen Produkthaftungsregelung musste der Geschädigte den Fehler des Produkts, den erlittenen Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen Fehler und Schaden nachweisen.

Mit der neuen Richtlinie werden besondere Umstände eingeführt, unter denen eine Fehlerhaftigkeit des Produkts vermutet wird.

Diese Änderung soll den Verbrauchern das Rechtsbehelfsverfahren erleichtern, indem die Beweisschwierigkeiten für die Verbraucher verringert werden.

OFFENLEGUNGSPFLICHTEN
Die vom Geschädigten verklagten Wirtschaftsteilnehmer sind auf Verlangen des Gerichts und bei plausibler Begründung des Schadensersatzanspruchs verpflichtet, die ihnen zur Verfügung stehenden einschlägigen Beweismittel vorzulegen (die nationalen Rechtsordnungen müssen jedoch besondere Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Informationen und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen vorsehen).
Bei Nichteinhaltung der Offenlegungspflicht gilt die Vermutung der Fehlerhaftigkeit des Produkts.

HAFTUNGSAUSWEITUNG
Mit der Richtlinie (EU) 2024/2853 wird die Haftung auch auf Logistikdienstleister und Online-Plattformen ausgedehnt, wodurch E-Commerce-Plattformen in die Lieferkette einbezogen werden. 
Auf diese Weise wird die Kategorie der Akteure, die traditionell gegenüber den Verbrauchern verantwortlich sind, erweitert, wodurch der Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter intensiviert wird.

Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten​

Die durch die Richtlinie (EU) 2024/2853 eingeführten Änderungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten haben.

Ein verstärkter Verbraucherschutz wird von den Betreibern verlangen, dass sie sich auf neue Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen einstellen.

Um die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, zu nutzen und gleichzeitig die damit verbundenen Haftungsrisiken zu mindern, müssen die Wirtschaftsakteure daher jetzt handeln und besonders auf die Einhaltung von Dokumenten und Verträgen achten, um die vollständige Einhaltung der neuen Bestimmungen im Hinblick auf ihr für den 9. Dezember 2026 geplantes Inkrafttreten sicherzustellen.

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