Vorsteueraufteilung: Ausnahmsweise nach einem Gesamtumsatzschlüssel von der Finanzverwaltung bestätigt

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​​​​​​​​​zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Das Bundesministerium der Finanzen bestätigt zur Umsatzbesteuerung, hier zum Umgang mit einer Aufteilung von Vorsteuerbeträgen, mit BMF-Schreiben vom 13.2.2024 (GZ III C – S 7306/22/100001: 001) seine bisherige Auffassung, dass die Aufteilungsmethode des Gesamtumsatzschlüssels zur Aufteilung des Vorsteuerabzugs nur dann anzuwenden ist, wenn ein anderer Aufteilungsschlüssel kein präziseres Ergebnis liefert. 

  

   

Bestätigung der Vorsteueraufteilung anhand anderer Aufteilungsmethoden als den Gesamtumsatzschlüssel und Präzisierung zur Pro-rata-Berechnung

Das BMF ist in seinem letzten Schreiben zur Vorsteueraufteilung vom 20.10.2022 (GZ III C – S 7306/19/100001: 003) schwerpunktmäßig auf die Aufteilungsmethoden bei gemischt genutzten Grundstücken eingegangen. Nun nimmt das Bundesministerium der Finanzen insbesondere Stellung zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, hier zum Urteil vom 16.6.2016 in Rs. C-186/15, Kreissparkasse Wiedenbrück. Dabei geht es um die Aufrundung des Pro-rata-Satzes bei den verschiedenen Aufteilungsmethoden. Die Aussagen im EuGH-Urteil werden von der deutschen Finanzverwaltung aufgenommen und präzisiert.
 
Der EuGH hat in diesem Urteil entschieden, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die nach Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL vorgesehene Regel zur Aufrundung des Pro-rata-Satzes anzuwenden, wenn der für die Berechnung des Vorsteuerabzugs geltende Pro-rata-Satz nach einer abweichenden Methode des Art. 173 Abs. 2 der MwStSystRL berechnet wird.
 
Grundsätzlich gilt für deutsches Recht gemäß § 15 Abs. 4 UStG, dass bei Erwerb von Gegenständen oder bei Bezug sonstiger Leistungen der Unternehmer die Vorsteuer in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen hat, wenn die Gegenstände bzw. die sonstigen Leistungen sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 und Abs. 3 UStG ausschließen, verwendet werden.
 
Hierfür ist gemäß Unionsrecht, gemäß Art. 173 Abs. 1 und Art. 174 der MwStSystRL, grundsätzlich der Umsatz​­schlüssel anzuwenden und die abzugsfähige Vorsteuer im Rahmen des Pro-rata-Satzes anzuwenden, der auf die Gesamtheit der vom Unternehmer bewirkten Umsätze bezogen ist. Dieser Pro-rata-Satz ist gemäß Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL jährlich festzusetzen und auf einen vollen Prozentsatz aufzurunden. Die Mitgliedstaaten haben gemäß Art. 173 Abs. 2 der MwStSystRL die Möglichkeit von dem Grundsatz, die Aufteilungsmethode anhand des Gesamtumsatzes vorzunehmen, abzuweichen und eine andere „wirtschaftliche Zurechnung“ vorrangig zu verwenden. Strittig in der Rechtssache C-186/15, Kreissparkasse Wiedenbrück, war jedoch, ob die Maßgaben zur Aufrundung des Pro-rata-Satzes gemäß Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL, also auf einen vollen Prozentsatz, auch dann gelten, wenn von der Methode zur Berechnung des Gesamtumsatzschlüssels abgewichen wird. Dies wird grundsätzlich verneint. 
 
Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, die in Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL Rundungsregel heran­zu­ziehen, sofern eine andere Aufteilungsmethode gemäß Art. 173 Abs. 2 der MwStSystRL herangezogen wird (vgl. Rn. 42 des EuGH-Urteils vom 16.6.2016, C-186/15, Kreissparkasse Wiedenbrück). Gleichwohl sind Art. 184 ff. der MwStSystRL (Berichtigung des Vorsteuerabzugs) dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten (nur) dann verpflichtet sind, die Rundungsregeln gemäß Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL anzuwenden, wenn diese Rundungsregel zur Bestimmung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs angewandt wurde (vgl. Rn. 51 des EuGH-Urteils vom 16.6.2016, C-186/15, Kreissparkasse Wiedenbrück). 
 
Das Bundesministerium der Finanzen bestätigt im Schreiben vom 13.2.2024 die bisherige Auffassung, dass der Gesamtumsatzschlüssel nur dann anzuwenden ist, wenn es keine geeignetere bzw. präzisere Aufteilungs­methode gibt. Wie auch im BMF-Schreiben vom 20.10.2022 wird zudem betont, dass die Finanzbehörden die Wahl und die Berechnung des Aufteilungsschlüssels daraufhin überprüfen können, ob diese Methode sachgerecht ist. Sofern dies nicht der Fall ist, kann es diesbezüglich auch zu Änderungen/Minderungen hinsichtlich der abziehbaren Vorsteuerbeträge kommen.
 
Sofern sich der Unternehmer für die Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 UStG entscheidet, geht die Finanzverwaltung detailliert auf die Berechnungsmethode im Rahmen des Pro-rata-Satzes ein; der Vorsteuerabzug kann auf den nächsten vollen Prozentsatz aufgerundet werden. In dem Fall, dass der Unternehmer einen anderen, präziseren Aufteilungsschlüssel verwendet, ist diese Methode der Berechnung des Pro-rata-Satzes nicht anwendbar. Der Unternehmer kann nur auf die zweite Nachkommastelle aufrunden.
 
Des Weiteren soll es laut der Finanzverwaltung bei der Anwendung des Umsatzschlüssels im Jahresvergleich regelmäßig zu schwankenden Prozentsätzen kommen, sodass die Voraussetzungen für eine Vorsteuer​­berechtigung jährlich gemäß § 15a UStG zu überprüfen sind. Dies gilt sowohl für die Anwendung des Gesamt- oder Teilumsatzschlüssels (vgl. Abschn. 15.16 Abs. 3 S. 2 UStAE n.F.). Sofern ursprünglich der Pro-rata-Satz auf volle Prozentpunkte (im Rahmen der Gesamtumsatzschlüssel-Aufteilung) aufgerundet wurde, bleibt es bei der Berechnung, unabhängig von der im Berichtigungsjahr angewandten Methode. Hervorzuheben ist, dass das Bundesministerium der Finanzen explizit aufführt, dass ein Teilumsatzschlüssel eine andere Methode als die Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel darstellt, diese dem Gesamtumsatzschlüssel vorgeht und in diesem Fall (nur) auf die zweite Nachkommastelle aufzurunden ist (vgl. Abschn. 15.17 Abs. 3 S. 5 und S. 6 UStAE n.F.). Dies kann je nach Sachverhalt jedoch betragsmäßige Auswirkungen haben. Im BMF-Schreiben wird u.a. im Abschn. 15.17 Abs. 3 S. 3 und S. 4 UStAE n.F. das Wort „Umsatzschlüssel“ durch das Wort „Gesamt­umsatz­schlüssel“ ersetzt und geht somit über die Formulierung des § 15 Abs. 4 S. 3 UStG (hier ist nur von „Umsätzen“ die Rede) hinaus.
 
Die Grundsätze des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 13.2.2024 sind in allen offenen Fällen anzuwenden. 
 

Worauf ist in der Praxis bei der Vorsteueraufteilung besonders zu achten? 

Die Regelungen zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG betreffen in der Praxis die Unternehmer, die sowohl Umsätze ausführen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, also unechte steuerfreie Umsätze, z.B. bestimmte Vermietungsumsätze bei Immobilien. 
 
Laut Auffassung der Finanzverwaltung ist eine Aufrundung des Pro-rata-Satzes auf den nächsten vollen Prozentpunkt nur dann zulässig, wenn die Berechnung des Aufteilungsschlüssel für den Vorsteuerabzug auf Basis der Umsätze des gesamten Unternehmens (Gesamtumsatzschlüssel) und damit nach dem Verhältnis der Umsätze gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG erfolgt. Allerdings kann die Aufteilung nach dem Gesamtumsatz­schlüssel von der Finanzverwaltung auf den Prüfstand gestellt werden, da diese Methode in Deutschland nicht vorrangig anzuwenden ist. Der Unternehmer hat somit höhere Nachweis- und entsprechende Dokumentations­pflichten bezüglich der konkreten Sachverhalte und des Business, dass andere Methoden, u.a. auch ein Teilumsatzschlüssel, nicht präziser sind. Zum anderen besteht das Risiko, dass die Vorsteuer gekürzt wird, wenn bisher auf den vollen Prozentsatz aufgerundet worden ist, bei einer anderen Methode als die des Gesamtumsatzschlüssels gleichwohl nur auf die zweite Nachkommastelle aufgerundet hätte werden dürfen.  
 
Bei der Wahl der Aufteilungsmethode sollte insbesondere das Geschäftsmodell des Unternehmers sowie die Art der ausgeführten Umsätze berücksichtigt werden. Die Berechnungsmethode zur Vorsteueraufteilung ist daher stark einzelfallbezogen und von verschiedenen Faktoren abhängig. So würde es bei einem Unternehmen aus dem Bereich Arztpraxis hinsichtlich der ausgeführten Umsätze ggf. nachvollziehbarer sein, die Vorsteuer­aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel zu berechnen, als für ein Unternehmen im Bereich der Kreditinstitute (z.B. Anwendung eines Teilumsatzschlüssels, ggf. Margenschlüssel) oder in der Immobilien­wirtschaft (insbesondere Flächenschlüssel).
 
Sollte der Aufteilungsschlüssel für die Berücksichtigung des korrekten Vorsteuerabzugs nicht nach dem Gesamtumsatzschlüssel berechnet werden, ist der Pro-rata-Satz nicht auf den nächsten Prozentpunkt aufzurunden. Dies kann, wie erwähnt, betragsmäßige hohe Auswirkungen auf die abzugsfähige Vorsteuer haben, wenn beispielsweise nur auf 13,55 Prozent und nicht auf 14 Prozent aufgerundet werden darf. 
 
Da sich die Finanzverwaltung explizit vorbehält, die sachgerechte Prüfung der Aufteilungsmethode vorzunehmen, empfiehlt es sich für die Praxis die Gründe, welche z.B. für die Wahl des Gesamtumsatz­schlüssels und gegen die Möglichkeit einer anderen, ggf. präziseren Methode sprechen, umfangreich zu überlegen, aufzuzeichnen und nachzuhalten​​.
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