Update Umsatzsteuer: Immobilien und Vorsteuer­auf­teilung – Anpassungen durch das BMF zur Vorsteuer­auf­teilung bei gemischt genutzten Grundstücken

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veröffentlicht am 2. Februar 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Die deutsche Finanzverwaltung hat erfreulicherweise mit BMF-Schreiben vom 20.10.2022 (GZ III C – S 7306/19/100001: 003, DOK 2022/1029175) nun ausführlich Stellung zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG bei gemischt genutzten Grundstücken und die hierzu ergangene umfassende und weiterentwickelte EuGH- und BFH-Rechtsprechung (vgl. hierzu auch unseren Newsletter vom 31.10.2018) verarbeitet und will diese auch anwenden. Das frühere BMF-Schreiben aus 2008 ist damit aufgehoben.
 
 

 
Verwendet ein Unternehmer die für sein Unternehmen gelieferten oder eingeführten Gegenstände und die bezogenen sonstigen Leistungen sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (z.B. für besteuerte, steuerpflichtige Ausgangsumsätze) als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug v.a. nach § 15 Abs. 2 UStG ausschließen (also für steuerbefreite Ausgangsumsätze), hat er die aufgewendeten deutschen Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. 
 

Praxisfall Immobilien

Typischer Anwendungsfall für eine Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG liegt bei gemischt genutzten Grundstücken („Immobilien“, d.h. Grund und Boden, Gebäude, Gebäudebestandteile) vor, die teils steuer­pflich­tig (an andere Unternehmer, die voll oder sehr weit vorsteuerabzugsberechtigt sind, z.B. an Gewerbetreibende und Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater) und teils steuerfrei (z.B. an Ärzte, die die Mieteinheiten zur Ausführung steuerfreier Heilbehandlungen nutzen, oder an Privatpersonen/Nichtunternehmer) vermietet werden.
 

Grundsätzliche und denkbare Aufteilungsmaßstäbe – Umsatzschlüssel oder andere nach wirtschaftlicher Zuordnung

Das Unionsrecht sieht für die Aufteilung von Vorsteuern grundsätzlich den Umsatzschlüssel (Art. 173 Abs. 1 und 174 MwStSystRL, „Pro-rata-Satz“). Die EU-Mitgliedstaaten können jedoch in bestimmten Fällen von diesem Grundsatz abweichen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in Form des Vorrangs „anderer wirtschaftlicher Zuordnungen“ vor einer Aufteilung nach den Umsätzen Gebrauch gemacht.
 

Inhalt des BMF-Schreibens vom 20.10.2022

Im ersten Teil sind die wesentlichen Aussagen ausgewählter EuGH- und BFH-Urteile zusammengefasst, welche im Zeitraum von 2008 bis 2020 ergangen sind und welche eben auf die Fragen des Aufteilungsmaßstabs eingehen. Ein wichtiger Aspekt dabei, welcher nun von der Finanzverwaltung übernommen wurde, ist, dass zwar eine präzisere Aufteilungsmethode gewählt werden kann; es sich hierbei jedoch nicht zwingend um die genauste mögliche Methode handeln muss.
 
Weiter wird allgemein auf die Aufteilung der Vorsteuern aus Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung von gemischt genutzten Grundstücken nur kurz eingegangen. Diesbezüglich greifen die bis­he­ri­gen Grundsätze, dass zunächst, soweit möglich, eine direkte Zuordnung der Eingangsleistungen zu den je­wei­ligen Ausgangsumsätzen vorzunehmen ist und nur verbleibende Vorsteuerbeträge aufzuteilen sind. Dies ist für die Praxis sehr bedeutend, so dass stets und zunächst zu prüfen ist, ob Vorsteuerbeträge direkt zurechenbar sind einem Ausgangsumsatz, mit diesem unmittelbar und wirtschaftlich zusammenhängen, anhand z.B. von sog. gegenständlicher Zuordnung oder nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten.
 
Hinsichtlich der Aufteilung der Vorsteuer aus Eingangsleistung für die Anschaffung oder Herstellung von gemischt genutzten Grundstücken wird auf einen sachgerechten Aufteilungsschlüssel verwiesen. 
 
Im Gegensatz zu der Vorsteuer aus Eingangsleitungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung von gemischt genutzten Grundstücken, sind sämtliche Eingangsleistungen (ohne vorherige direkte Zuordnung) einheitlich in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. 
 
Dafür kommt in Betracht:
  • Objektbezogener Flächenschlüssel
  • Objektbezogener Umsatzschlüssel unter bestimmten Voraussetzungen
  • Ein Schlüssel nach dem umbauten Raum 
  • In Einzelfällen (z.B. gemischt genutzte Nutzung einer Sporthalle) auch andere sachgerechte Auf­tei­lungs­schlüssel 
 

Abgrenzung in der Praxis

Wann Flächenschlüssel?

Grundsätzlich gilt der objektbezogene Flächenschlüssel (Mietfläche) regelmäßig als die wirtschaftlich präzisere Aufteilungsmethode gegenüber dem Gesamtumsatzschlüssel. Allerdings kann diese nur gewählt werden, wenn sie sachgerecht ist; nicht der Fall soll dies beispielsweise bei einer Spielhalle mit unterschiedlich genutzten Automaten oder zeitlich abwechselnde Nutzung einer Schulsporthalle sein. 
 
Des Weiteren führt das BMF auf, welche Räumlichkeiten in die Berechnung einzubeziehen sind, z.B. Wohn- und Gewerberäume, als Lagerfläche genutzte Keller oder Speicherräume und Tiefgaragen, und welche nicht, z.B. gemeinsam genutzte Räume wie Technikräume, Treppenhaus, Fahrradabstellräume oder Waschküchen). Hier stellt sich zumindest die Frage, inwieweit eine Unterscheidung – wie seitens der Finanzverwaltung jetzt vorgesehen – zwischen Tiefgaragen und Fahrradabstellräume sinnig ist. Wenn etwa eine Tiefgarage für alle Hauseinheiten zur Verfügung steht und nicht nur gesondert gemietet werden muss, sollte diesbezüglich kein Unterschied bestehen. Ggf. bedarf es hier weiterer Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt.
 
Sofern bereits eine andere anerkannte Methode für z.B. mietvertragliche Zwecke genutzt wird (z.B. nach DIN 277 oder der Wohnflächenverordnung), kann diese im Falle des Herbeiführens eines sachgerechten Ergebnisses ebenfalls genutzt werden.
 
Die Feststellungslast, dass der Flächenschlüssel präziser als der Umsatzschlüssel ist, liegt zwar beim Fi­nanz­amt; hier ist zu beachten, dass dies jedoch nur gilt, wenn dem Finanzamt alle für eine besprechende Beurteilung erforderlichen Informationen vorliegen.
 

Wann sog. objektbezogener Umsatzschlüssel?

Der objektbezogene Umsatzschlüssel kommt nur unter bestimmten, vom BFH, aufgestellten Voraussetzungen in Betracht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander abweichen und ein deutlich höherer Bauaufwand für nur einen Gebäudeteil besteht, und für den anderen Gebäudeteil kein entsprechender, funktions- und wertähnlicher Aufwand gegenübersteht. Beispiele für erhebliche Unterschiede sind luxuriöse versus schlichte Räume, Einbau eines Schwimmbads, das nur für die Mieter des Wohnbereichs genutzt werden darf oder traglastverstärkte Böden für bestimmte gewerbliche Nutzungen. Im Gegensatz dazu liegen keine erheblichen Unterschiede bei einer unterschiedlichen Anzahl und Art von Strom- und Wasseranschlüssen sowie bei Einbau deckenhoher Ganzglastürelementen im gewerblich genutzten Teil versus normaler Fenster im Wohnbereich vor. Ebenfalls wird auf eine Unterscheidung bei dem Einbau/Aufbau einer Photovoltaikanlage eingegangen.
 
Nur in absoluten Ausnahmefällen kommt eine Aufteilung der Vorsteuer aus Eingangsleistungen nach einem Gesamtumsatzschlüssel in Betracht; insbesondere, wenn es sich um ein Verwaltungsgebäude des Unternehmers handelt und das Verwaltungsgebäude den Umsätzen des gesamten Unternehmers dient.
 

Was ist ein umbauter Raum?

Eine Aufteilung der Vorsteuer aus Eingangsleistungen bei gemischt genutzten Gebäuden nach dem sog. umbauten Raum kommt nur in Betracht, wenn die Geschosshöhen erheblich voneinander abweichen.
 

Anwendungsregelungen

Die im Umsatzsteueranwendungserlass aktualisierten Zuordnungsregelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn Unternehmer vor Veröffentlichung des Schreibens vom 20.10.2022 eine direkte Zuordnung von Vorsteuerbeträgen nach Abschnitt 15.17 Abs. 7 S. 6 und S. 7 UStAE (betrifft erheblich voneinander abweichende Ausstattung und Abweichungen in der Geschosshöhe) in der bisherigen Fassung vorgenommen haben. Des Weiteren kann sich der Unternehmer vor Veröffentlichung des Schreibens auf die Regelungen in der bisherigen Fassung der Abschnitte 15.2c Abs. 10 UStAE (zu Pho­to­vol­taikanlagen, Blockheizkraftwerken und Betriebsvorrichtungen) und 15.6a Abs. 3 UStAE (Teil des gemischt genutzten Grundstücks wird für unternehmensfremde Zwecke verwendet) berufen. 
 

Hinweise für die Praxis

Insbesondere Unternehmern, die mehrere Immobilien-Objekte besitzen, empfiehlt sich stets eine Überprüfung pro Objekt der bisher angewandten Aufteilungsmethode und ob ggf. eine Anpassung nötig oder gar vor­teil­haf­ter möglich ist. 
 
Des Weiteren ist eine ausreichende Dokumentation und Aufzeichnung für die folgende Fälle vorzuhalten:
  • Für welches Objekt wird welcher Aufteilungsmaßstab gewählt (insbesondere bei Abweichung zum objekt­bezogenen Flächenschlüssel)?
  • Objektbezogener Flächenschlüssel: Welche Bestandteile haben Eingang und welche haben keinen Eingang in die Berechnung zur Vorsteueraufteilung gefunden? 
  • Objektbezogener Umsatzschlüssel: Prüfung, ob tatsächlich eine erhebliche Abweichung in der Ausstattung der unterschiedlich genutzten Gebäudeeinheiten vorliegt.
 
Sofern eine Anpassung der bisherigen Aufteilungsmethode erfolgt, sind ebenfalls etwaige Vorsteuerkorrekturen gemäß § 15a UStG zu beachten und vorzunehmen.
 
Der wirtschaftliche Gehalt der Vorsteueraufteilung und die akribischen Zuordnung von Aufwendungen (und darin enthaltenen Vorsteuern) zu Ausgangsumsätzen ist immens und die Aufnahme der Rechtsprechung mit weiteren möglichen Vorsteueraufteilungsschlüsseln – nicht nur die stoische Abstellung auf dem Flächen­schlüssel – ist für den Immobilienbranche sehr positiv und sollte nach entsprechenden Kalkulationen/Kosten­zu­rech­nungs­sachverhalten genutzt werden.

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Alena Schmidt

Steuerberaterin, Diplom-Betriebswirtin, Umsatzsteuerberatung | VAT Services

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