SCIP-Datenbank: Relevanz der Informationspflichten zu SVHC-haltigen Erzeugnissen für Life Science-Branche

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 10 Minuten


Die EU-Abfallrahmenrichtlinie in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/851 (AbfRRL) sieht für Lieferanten von Erzeugnissen, die mehr als 0,1 Prozent eines besonders besorgniserregenden Stoffes (Substances of Very High Concern, kurz SVHC) ent­halten, neue Informationspflichten vor. Sie sollen ab dem 5. Januar 2021 gelten, voraus­gesetzt die jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetze werden rechtzeitig erlassen. In Deutschland wird die Vorgabe im Chemikaliengesetz (ChemG) umgesetzt werden. Details soll eine ergänzende Rechtsverordnung klären. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat bereits eine entsprechende Datenbank (SCIP Daten­bank) eingerichtet, in der die Anbieter SVHC-haltiger Erzeugnisse die entsprechenden Informationen hinterlegen müssen. Unternehmen, die in der EU Produkte in den Verkehr bringen, die besonders besorgniserregende Stoffe enthalten, müssen hierüber künftig also nicht nur ihre Abnehmer, sondern auch die ECHA informieren. ­Bei internationalen Lieferketten über die EU-Außengrenzen hinaus ist zu klären, welches Unternehmen der Lieferkette diese Informationspflicht rechtlich trifft und welches Unternehmen in der Praxis die Pflicht gegenüber der ECHA am besten umsetzen kann. Zudem stellt sich gerade für Unternehmen in der Life Science-Branche die Frage, inwieweit sie überhaupt von der neuen abfallrechtlichen Meldepflicht gegenüber der ECHA betroffen sind, da bestimmte spezialgesetzlich geregelte Bereiche von den bereits gegenüber Abnehmern geltenden Informationspflichten zu SVHC-haltigen Erzeugnissen ausgenommen sind.



Neue Informationspflicht für bestimmte Chemikalien im europäischen Abfallrecht

Mit der Novellierung der Abfall­rahmen­richtlinie 2008/98/EG im Jahr 2018 wurde in Art. 9 (1) lit. i AbfRRL eine neue Informationspflicht über sog. „besonders besorgniserregende Stoffe“ (SVHCs) i.S.d. der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) eingeführt. Die relevanten Informationen werden in der neu eingerichteten SCIP-Datenbank (Substances of Concern In Products) gesammelt, die von der ECHA verwaltet wird. Der SCIP-Notifizierungs­prozess soll planmäßig am 5. Januar 2021 starten. Abfall­behandlungs­einrichtungen erhalten Zugang zu der Datenbank; auf Anfrage zudem auch Verbraucher. Hierdurch soll die Bereitstellung von Informationen über das Vorhandensein besonders besorgniserregender Stoffe während des gesamten Lebenszyklus eines Erzeugnisses bis hin zur Abfallphase sichergestellt werden. Dabei handelt es sich um potenziell gefährliche Stoffe, die z.B. krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind. Stoffe, die nach dem in der REACH-Verordnung definierten Verfahren als SVHC identifiziert wurden, werden zwecks weiterer Bewertung auf die sog. europäische Kandidatenliste gesetzt. Damit ergibt sich zwar noch keine Zulassungspflicht, aber weitreichende Melde- und Informationspflichten.

So müssen Hersteller und Importeure bereits jetzt der ECHA die in der Kandidatenliste aufgeführten Stoffe, die in ihren Erzeugnissen enthalten sind, melden, wenn sie eine Konzentration von 0,1 Prozent überschreiten und in einer Menge von insgesamt mehr als 1 Tonne pro Jahr im Erzeugnis enthalten sind – es sei denn, die Exposition von Mensch oder Umwelt gegenüber dem Stoff kann ausgeschlossen werden oder der fragliche Stoff wurde bereits von einem anderen Hersteller oder Importeur in der EU für die betreffende Verwendung registriert (Art. 7 Abs. 2, 3 REACH-Verordnung). Durch die Unterrichtungspflicht soll die ECHA über die Verwendung besonders besorgniserregender Stoffe in Erzeugnissen informiert werden, damit die zuständigen Behörden nach den mit der REACH-Verordnung eingeführten Zulassungs‑ und Beschränkungsverfahren ggf. den Erlass von Maß­nahmen zum Risikomanagement vorbereiten können (s. auch Urteil des EuGH vom 10. September 2015, Rs. C‑106/14).

Darüber hinaus bestehen Informationspflichten in der Lieferkette. Denn bereits jetzt sind Lieferanten nach dem europäischen Chemikalienrecht verpflichtet, ihre gewerblichen Abnehmer zu informieren, wenn in ihren Erzeugnissen mindestens einer der in der Kandidatenliste aufgeführten Stoffe in einer Konzentration von mehr als 0,1 Prozent enthalten ist (siehe Art. 33 Abs. 1, 57, 59 REACH-Verordnung). Das soll allen an der Lieferkette Beteiligten ermöglichen, auf ihrer Ebene die Maßnahmen zum Risikomanagement zu ergreifen, die sich aus dem Vorhandensein besonders besorgniserregender Stoffe in Erzeugnissen ergeben, um die sichere Verwen­dung der Erzeugnisse zu gewährleisten (s. auch Urteil des EuGH vom 10. September 2015, Rs. C‑106/14). Zudem besteht gegenüber dem Handel, dem Importeur oder dem Hersteller auch ein eigenes Auskunftsrecht der Verbraucher über SVHC-haltige Erzeugnisse, um ihre Kaufentscheidungen auf informierter Basis treffen zu können (Art. 33 Abs. 2 REACH-Verordnung).


Geltung der Verpflichtung auch für Unternehmen der Life Science-Branche

Die neue dem Abfallrecht entstammende Meldepflicht an die ECHA wurde rechtlich an die bereits bestehenden Regelungen in der REACH-Verordnung zu Informationspflichten über SVHCs unter den Akteuren der Lieferkette und gegenüber den Verbrauchern angedockt. Allerdings gelten die originär in Art. 33 REACH-Verordnung vorgesehenen bereits bestehenden chemikalienrechtlichen Informations­pflichten entlang der Lieferkette ausdrücklich nicht für bestimmte Bereiche. Die speziellen Regelungen gelten u.a. nicht für Arzneimittel, Lebens- und Futtermittel und Kosmetika, wenn sie für den Endverbraucher in Form von Fertigerzeugnissen bestimmt sind (siehe Art. 2 Abs. 6 lit. a, b, d REACH-Verordnung). Medizinprodukte sind hingegen bereits von den bisherigen Informationspflichten umfasst, wenn sie die Definition des „Erzeugnisses“ (Art. 3 Nr. 3 REACH-Verordnung) erfüllen, was i.d.R. der Fall ist, da die Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 6 lit. c REACH-Verordnung nur für solche Medizinprodukte gilt, die als „Gemische“ Art. 3 Nr. 3 REACH-Verordnung) vermarktet werden.

Die von den bisherigen Ausnahmen betroffenen Unternehmen in der Life Science-Branche müssen sich nun die Frage stellen, ob hingegen unter den neuen abfallrechtlichen Informationspflichten SVHC-Stoffe in ihren spezifischen Produktkategorien an die „SCIP-Datenbank“ gemeldet werden müssen. Das ist wohl für die meisten Produktkategorien zu bejahen. Denn die neue Informations­verpflichtung ist im europäischen Abfall­recht (Art. 9 (1) lit. i AbfRRL) verankert. Es ist somit davon auszugehen, dass hier trotz des Verweises auf das Chemikalienrecht die Anwendungsausnahmen der AbfRRL und nicht die der REACH-Verordnung zur Anwendung kommen. Die WFD ist mit einigen wenigen Ausnahmen auf alle Produkte, die zu Abfall werden oder werden können, anwendbar, mit wenigen für die vorliegenden Betrachtungen nicht relevante Ausnahmen (siehe Art. 2 WFD). Zwar sieht das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das diese europäischen Vorgaben in nationales Recht umsetzt, Ausnahmen vom Anwendungsbereich vor z.B. Stoffe, die nach Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) zu entsorgen sind (§ 2 Abs. 2 KrWG).

Allerdings wird die neue Informationspflicht in Art. 9 (1) lit. i AbfRRL nicht wie ursprünglich von der Bundes­regierung geplant (BT-Drs. 19/19373) im KrWG umgesetzt werden, sondern auf Vorschlag des Bundesrates und wie auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. gefordert im ChemG (Beschluss des Bundestags vom 17. September 2020). Dort sind im vierten Abschnitt bereits verschiedene Mitteilungspflichten geregelt. Die neue abfallrechtliche Verpflichtung soll durch einen neu geschaffenen § 16f ChemG in genau diesem vierten Abschnitt bewirkt werden. Nicht anwendbar ist der vierte Abschnitt (und damit auch der künftige § 16f ChemG) ausdrücklich nur auf Lebensmittel, Einzelfuttermittel, Mischfuttermittel und Futtermittel-Zusatzstoffe (§ 2 Abs. 2 ChemG), wobei ohnehin aufgrund des Verbots der Vermarktung unsicherer Lebens- und Futtermittel (Art. 14, 15 BasisVO) im Allgemeinen ausgeschlossen sein dürften, dass sie besonders besorgniserregende Stoffe enthalten. Darüber hinaus nimmt § 2 Abs. 1 ChemG einige weitere Produkttypen die spezialgesetzlichen Regeln unterliegen (wie Kosmetika, Tabakerzeugnisse, Arzneimittel, Medizinprodukte und bestimmte Abfälle) von einzelnen Meldepflichten aus. Allerdings ergibt sich aus dem Beschluss des Bundestags vom 17. September 2020 nicht, dass § 2 Abs. 1 ChemG dahingehend geändert werden solle, dass auch die neue Meldepflicht gegenüber der ECHA für SVHC-haltige Erzeugnissen auf diese Produktkategorien nicht anwendbar sein soll. Vielmehr ist vorgesehen, dass nach § 16e ChemG ein weiterer § 16f ChemG eingefügt wird, der Lieferanten im Sinne des Art. 3 Nr. 33 REACH-Verordnung, die Erzeugnisse (mit Ausnahme solcher mit militärischer Zweckbestimmung) in den Verkehr bringen, dazu verpflichtet, der ECHA „ab dem 5. Januar 2021 die Informationen gemäß Artikel 33 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (…) nach Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2008/98/EG zur Verfügung zu stellen“. Auf die REACH-Verordnung wird also nur verwiesen, um die Verpflichteten („Lieferanten“) und die Erzeugnisse, für die die Informationspflicht besteht, festzulegen, nicht aber um bestimmte Produktkategorien gem. Art. 2 REACH von der Informationspflicht auszunehmen.

Dass auch für die Life Science-Branche relevante spezifische Produktkategorien von den neuen Informations­pflichten umfasst sind, macht ebenfalls Sinn, wenn man sich deren Ziele vor Augen führt, auf die wir im Folgenden einen Blick werfen.


Ziel der neuen Verpflichtung

Erklärtes Ziel der EU und Mitgliedstaaten ist es, den Gehalt an gefährlichen Stoffen in Materialien und Produkten, einschließlich recycelter Materialien, zu reduzieren und die Entwicklung ungiftiger Stoffkreisläufe zu fördern. Die neuen Informationspflichten verfolgen somit zum einen das allgemeine Ziel der Verringerung von SVHC-Anteilen in Produkten. Zum anderen soll die nun eingerichtete SCIP-Datenbank sicherstellen, dass während des gesamten Lebenszyklus von Produkten und Materialien ausreichende Informationen über das Vorhandensein gefährlicher Stoffe vorliegen und bei Bedarf auch in der Abfallphase an Abfallbehandlungs­einrichtungen übermittelt werden können. Solche Informationen sind wichtig, um die von besonders besorgniserregenden Substanzen ausgehenden Gefahren bei einer späteren Abfallbehandlung zu reduzieren und zu prüfen, ob Abfälle aufgrund des Vorhandenseins gefährlicher Stoffe für bestimmte Verwertungs­verfahren, wie z.B. zum Recycling oder zur Herstellung hochwertiger Sekundärrohstoffe, nicht geeignet sind. Die SCIP-Datenbank wird somit die Sicherheit für Abfallentsorger und ihre Fähigkeit zur Verarbeitung von Abfällen (z.B. die Entfernung gefährlicher Substanzen aus den Materialien vor der Abfallbehandlung) verbessern, indem sie die notwendigen Informationen über gefährliche Substanzen bereitstellt. Der Gesetzeszweck spricht damit klar für die Einbeziehung der Bereitstellung solcher Informationen auch über spezifische Produktkategorien – wie Medizinprodukte, Arzneimittel, Kosmetika, aber auch andere Konsumgüter (z.B. Wasch- und Reinigungsmittel). Selbstverständlich muss die rechtskräftige Umsetzung der europarecht­lichen Vorgabe im deutschen Recht (und im Recht anderer Mitgliedstaaten) abgewartet werden, um eine endgültige Aussage über die Frage, ob auch die dabei relevanten spezifischen Produktkategorien vollumfänglich umfasst sind, machen zu können.


Zur Information gegenüber der ECHA Verpflichtete

Die Informationspflicht betrifft Lieferanten, die Produkte in der EU in Verkehr bringen, die SVHCs in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenanteil enthalten. Allerdings können nur in der EU (und der EFTA) niedergelassene Wirtschaftsakteure „Lieferanten“ im Sinne von Art. 9 (1) lit. i AbfRRL und dem neu einzuführenden § 16 f ChemG sein; nur sie können daher den Informationspflichten gegenüber der ECHA unterliegen (Pflichtenträger/“Duty Holder“). Lieferant eines Erzeugnisses kann jeder Produzent, Importeur, Händler oder andere Akteur in der Lieferkette sein, der ein Produkt/Erzeugnis in der EU in den Verkehr bringt (siehe Begriffsbestimmungen in Art. 3 Nr. 33 REACH-Verordnung). Einzelhändler und andere Akteure in der Lieferkette, die die Produkte direkt an Verbraucher abgeben, fallen nicht unter die neue SCIP-Verpflichtung – es sei denn, ein solcher Einzelhändler tritt auch direkt selbst als Importeur und/oder Produzent in der Lieferkette auf.


Konzept des „Foreign User“

Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU können daher im juristischen Sinne keine „Duty Holder“ in Bezug auf die neuen abfallrechtlichen Informationspflichten sein. Gerade bei internationalen Lieferketten sitzen die Hersteller jedoch oftmals außerhalb der EU, haben aber gleichzeitig die besten Kenntnisse über das Produkt und die darin enthaltenen Stoffe und wären daher am geeignetsten, die Informationspflichten wahrzunehmen. Deshalb wurde auf EU-Ebene das Konzept des sog. „Foreign User“ eingeführt. Der Begriff ist insofern irreführend, als auch dritte, in der EU niedergelassene, aber nicht informationspflichtige Unternehmen rechtlich als „Foreign User“ im Sinne von „Third Party User“ im Auftrag des eigentlich Verpflichteten agieren können. In dieser Konstellation bedient sich der in der EU ansässige „Duty Holder“ (z.B. mit Hilfe einer vertraglichen Regelung) eines dritten „Nicht-Duty Holders“ (innerhalb oder außerhalb der EU), um seinen Informationspflichten nachzukommen. Das ermöglicht dem „Duty Holder“, über seinen SCIP-Account bei der ECHA das am besten geeignete Unternehmen mit der Durchführung den eigentlichen SCIP-Meldungen zu beauftragen. Dennoch bleibt die in den Außenbeziehungen (d.h. gegenüber der ECHA und den Überwachungsbehörden) verantwortliche Person der „EU-Duty Holder“.

Das „Foreign User“-Konzept ist nicht in der AbfRRL oder in REACH selbst festgelegt, sondern wurde entwickelt (siehe „ECHA Accounts Manual“), um ein effizientes Arbeiten mit den verschiedenen Datenbanken der ECHA (REACH-IT, R4BP 3, ePIC und zukünftig auch SCIP) zu ermöglichen. Die Gewährung des Zugangs für einen „Foreign User“ kann vertrauliche Informationen und Daten wie z.B. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder geistiges Eigentum wie Patente des „Duty Holders“ offenlegen. Deshalb ist es wichtig, dass sich beide Parteien im Vorfeld über den Umfang des Zugriffs (Nutzerrolle) sowie den Umgang mit vertraulichen Informationen (vertraglich) einigen.


Oft noch Klärungsbedarf zur konkreten Anwendung und Durchsetzung der neuen Informations- und Meldepflicht

Selbstverständlich sind noch viele Fragen rund um die neue Informations- und Meldepflicht bzgl. SVHC-haltiger Erzeugnisse an die ECHA offen.  Besteht die Verpflichtung z.B. bei einem Erzeugnis aus mehreren Komponenten nur dann, wenn die Konzentration des besonders besorgniserregenden Stoffes den Grenzwert von 0,1 Prozent im gesamten Erzeugnis überschreitet oder müssen die einzelnen Komponenten isoliert auf eine Überschreitung überprüft werden? Im Hinblick auf die Frage kann auf die bereits ergangene EuGH-Rechtsprechung zur Mitteilungspflicht entlang der Lieferkette nach Art. 33 der REACH-Verordnung zurückgegriffen werden (Urteil vom 10. September 2015, Rs. C‑106/14). Um deren Wirksamkeit entlang der gesamten Lieferkette bis zum Endverbraucher zu gewährleisten, hat der EuGH klargestellt, dass der Lieferant bei dem ein oder mehrere Erzeugnisse, aus denen sich ein Enderzeugnis zusammensetzt, einen in der Kandidatenliste aufgeführten Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Prozent enthält, den gewerblichen Abnehmer und – auf Ersuchen – den Verbraucher über das Vorhandensein des Stoffes zu informieren hat. Danach gilt der Schwellenwert für alle im Enderzeugnis enthaltenen Erzeugnisse. Auch um die Ziele der nun neu eingeführten abfallrechtlichen Mitteilungspflicht bestmöglich zu erreichen, ist es notwendig, dass die Informationsweitergabe jeweils unter Angabe des einzelnen Erzeugnisses, in dem ein Kandidatenstoff zu mehr als 0,1 Massenprozent enthalten ist, erfolgen muss.

Weitere Fragen stellen sich in Bezug auf die Modalitäten der Informationspflicht, wenn man bedenkt, dass es entlang einer Lieferkette mehr als einen „Duty Holder“ geben kann, wenn Produkte auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden. Die EU-Kommission versucht einen pragmatischen Ansatz für die mehrfach Verpflichteten bezogen auf ein Produkt zu finden, um eine doppelte Berichterstattung und damit unnötigen Verwaltungsaufwand sowohl für die Pflichtenträger als auch für die Behörden zu vermeiden (z.B. eine einfache Bezugnahme auf Informationen, die bereits vom Vorlieferanten an die SCIP-Datenbank geliefert wurden). Auch die Details zur Art und Weise der Informationsvermittlung soll in Deutschland erst noch vom Verordnungsgeber festgelegt werden. Dabei ist jedoch anzunehmen, dass die Bundesregierung nicht von den Vorgaben der ECHA abweichen wird. Interessant ist auch, dass konkrete Sanktionsbestimmungen für den Verstoß gegen die neue Meldepflicht an die ECHA bislang in deutschen Umsetzungsvorhaben nicht vorgesehen sind. Es bleibt abzuwarten, ob diese Lücke noch geschlossen wird. Zu empfehlen ist insbesondere EU-weit und international tätigen Unternehmen, die Umsetzung von Art. 9 (1) lit. i AbfRRL auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu verfolgen. Wie bei der Richtlinienumsetzung können sich auch hier Unterschiede in der Durchsetzung und konkreten Anwendung der Pflicht ergeben; nicht zuletzt auch was den Sanktionsmechanismus anbelangt.


Fazit

Unternehmen müssen klären, ob sie Produkte, die einen SVHC-Stoff der Kandidatenliste in einer Konzentration von mehr als 0,1 Prozent Massenprozent (w/w) enthalten, innerhalb der EU in Verkehr bringen. Ist das der Fall, müssen sie den bereits bestehenden Informationsverpflichtungen der REACH-Verordnung in der Lieferkette nachkommen (wobei sie für manche Produkte wie Arzneimittel, Lebens- und Futtermittel sowie Kosmetika, wenn sie für den Endverbraucher in Form von Fertigerzeugnissen bestimmt sind, nicht gilt) und ab dem 5. Januar 2021 zusätzlich den abfallrechtlichen Meldepflichten gegenüber der ECHA, die wohl auch diese spezifischen Produktkategorien umfassen wird, mit Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln. Es ist daher ratsam, bereits jetzt Vorkehrungen zu treffen, um die Verpflichtung nach Inkrafttreten der jeweiligen nationalen Regelungen angemessen erfüllen zu können. Die Meldepflicht an die SCIP-Datenbank führt bei vielen Unternehmen zu einem erheblichen Aufwand, weshalb insbesondere auch die Zusammenarbeit mit einem „Foreign User“ in Erwägung zu ziehen ist.

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