Borderline-Kosmetika: Kriterien zur Unterscheidung von Medizinprodukten und Arzneimittel

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 3. September 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Durch die Verwendung der neuesten Generation von Kosmetika ist die Grenze zwischen Kosmetika, Medizinprodukten und Arzneimitteln sehr viel unschärfer geworden. Insbesondere die Forschung in den Bereichen Nanotechnologie, DNA und Stammzellen hat mögliche Probleme bei der Gesundheits- und Verbraucher​­​informa​­tion aufgezeigt. Diese Technologien und wissenschaftlichen Fortschritte führen zu Produkten, die sich nur schwer in bestehende rechtliche Kategorie​n einordnen lassen. Darüber hinaus verwischen Marketingstrategien – wie die Schaffung des Neologismus „Cosmeceuticals“ – die Grenze zwischen den verschiedenen Klassifizierungen weiter.​
 
  
Branchenunternehmen müssen daher besonders auf die korrekte Einstufung ihrer Produkte achten. Andernfalls laufen sie die Gefahr, erhebliche Strafen zu zahlen. Unsere Aufgabe als Branchenexperten ist es, diese Unternehmen durch die komplexe Landschaft der Vorschriften und Klassifizierungskriterien zu führen. Dank unserer Erfahrung und unseres Fachwissens können wir diese Probleme erkennen und die richtigen Schritte für eine korrekte Produktklassifizierung einleiten. Dieser Artikel soll die Unternehmen in diesem wichtigen Prozess unterstützen und sicherstellen, dass ihre Tätigkeiten den Vorschriften entsprechen und die Verbraucher genaue und sichere Informationen erhalten.

Kosmetische Mittel, Medizinprodukte und Arzneimittel: Definitionen​​

Die Definitionen von Kosmetika, Medizinprodukten und Arzneimitteln sind ein Ausgangspunkt für die korrekte Einstufung eines Produkts gemäß den europäischen Rechtsvorschriften. Diese Definitionen sind in der Tat harmonisiert: das bedeutet, dass sie in allen Mitgliedstaaten gleich sind, da sie durch EU-Vorschriften vorgegeben sind. Dies erleichtert nicht nur den Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union, sondern auch die Arbeit der Unternehmen, die dadurch nicht für jeden Mitgliedstaat eine andere Klassifizierung vornehmen müssen. Diese Definitionen ermöglichen es, eine erste Grenze zwischen Kosmetika, Medizinprodukten und Arzneimitteln zu ziehen.

Kosmetische Mittel werden durch die Verordnung (EG) 1223/2009 (auch nur „Kosmetikverordnung“) geregelt, die eine weit gefasste Definition enthält. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung ist ein kosmetisches Mittel „jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das dazu bestimmt ist, auf die Außenflächen des menschlichen Körpers oder auf die Zähne und die Schleimhäute des Mundes mit dem alleinigen oder überwiegenden Zweck aufgebracht zu werden, sie zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu erhalten oder den Körpergeruch zu beeinflussen“.

Zu den Medizinprodukten hingegen gehören Produkte – wie Instrumente, Apparate, Ausrüstungen, Software –, die dazu bestimmt sind, allein oder in Kombination für die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/745 genannten medizinischen Zwecke wie die Diagnose von Krankheiten, die Überwachung und Linderung von Verletzungen und die Erforschung der Anatomie oder physiologischer oder pathologischer Prozesse oder Zustände am Menschen angewendet zu werden.

Arzneimittel können nach ihrer Aufmachung oder Funktion definiert werden: im ersten Fall bestehen sie aus einem Stoff oder einer Stoffzusammensetzung, „der/die als Mittel mit Eigenschaften zur Behandlung oder Vorbeugung menschlicher Krankheiten dargestellt wird“ (Art. 1, Abs. 1, Buchstabe a), Nr. 1, Gesetzesdekret (Ital.: „Decreto Legislativo“) Nr. 219 vom 24. April 2006); im zweiten Fall bestehen sie aus einem Stoff oder einer Stoffzusammensetzung, „der/die am Menschen verwendet oder ihm verabreicht werden kann, um physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu verändern, eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung auszuüben oder eine medizinische Diagnose zu erstellen“ (Art. 1, Abs. 1, Buchstabe a), Nr. 2, Gesetzesdekret Nr. 219 vom 24. April 2006).

Die Abgrenzung zwischen Kosmetika, Medizinprodukten und Arzneimitteln gemäß den Leitlinien der Europäischen Kommission

Um den Unternehmen die Arbeit zu erleichtern, wenn es um die korrekte rechtliche Einstufung eines Borderline-Produkts geht, hat die Europäische Kommission Leitlinien zum Anwendungsbereich der Kosmetikverordnung veröffentlicht, die nützliche Anhaltspunkte für den Einstufungsprozess bieten. Da sich Borderline-Produkte nicht unmittelbar einer bestimmten Kategorie oder einem bestimmten Sektor zuordnen lassen, kann es schwierig werden, die für sie geltenden Rechtsvorschriften zu ermitteln.

Laut der Arbeitsgruppe für kosmetische Mittel ist das Schlüsselelement, das bei der Einstufung eines Borderline-Produkts zu berücksichtigen ist, sein Verwendungszweck. Ein Produkt mit kosmetischen Zwecken und Funktionen kann nur dann als kosmetisches Mittel eingestuft und vermarktet werden, wenn die Angaben und Formulierungen auf dem Etikett und in der Werbung mit der Definition eines „kosmetischen Mittels“ übereinstimmen und wenn sie dem Produkt keine Eigenschaften zuschreiben, die es auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften nicht besitzt und nicht besitzen kann. Um ein Produkt korrekt einstufen zu können, muss es daher in seiner Gesamtheit bewertet werden, und zwar nicht nur anhand seiner Formulierung und seiner Wirkungen, sondern auch unter Berücksichtigung der Aspekte, die den größten Einfluss auf seine Wahrnehmung durch den Verbraucher haben (siehe Werbeaussagen).

Die korrekte Einstufung eines Produkts als kosmetisches Mittel, Medizinprodukt oder Arzneimittel ist von entscheidender Bedeutung, da die Anwendung einer der fraglichen Rechtsvorschriften die Anwendung der anderen ausschließt: es ist nämlich nicht vorgesehen, dass ein Produkt gleichzeitig in den Anwendungsbereich von zwei verschiedenen Verordnungen fallen kann. Unter diesem Gesichtspunkt schließt Artikel 1 Absatz 6 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2017/745 (Medizinprodukteverordnung) die Anwendung der Medizinprodukteverordnung auf Kosmetika ausdrücklich aus. Ein sehr ähnlicher Mechanismus ist in Artikel 2 der Richtlinie 2001/83/EG vorgesehen, wonach bei Zweifeln über die korrekte Einstufung eines Borderline-Produkts, das sowohl unter die Definition des Begriffs „Arzneimittel“ als auch unter die eines Produkts, das unter andere Rechtsvorschriften fällt, fallen könnte, die Bestimmungen für Arzneimittel gelten. Diese Bestimmung ist Ausdruck des so genannten „Grundsatzes der Nichtkumulierung“, der auf dem Upjohn-Urteil des Gerichtshofs der EU beruht (Upjohn Company und Upjohn NV gegen Farzoo Inc. und J. Kortmann, C-112/89). Gemäß den Leitlinien zur Abgrenzung zwischen der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel (später aufgehoben und durch die Verordnung (EG) 1223/2009 ersetzt) und der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel gilt dieser Grundsatz jedoch nur, wenn klar ist, dass ein Produkt gleichzeitig unter die Definition von Kosmetika und Arzneimitteln fallen könnte.

Die Auswirkungen von Borderline-Produkten auf Unternehmen

In den meisten Fällen ist die korrekte Einstufung eines Produkts als kosmetisches Mittel, Medizinprodukt oder Arzneimittel nicht einfach: Unternehmen müssen eine Einzelfallbewertung vornehmen, die von den Grundlagen ausgeht, d. h. von den Definitionen des Gemeinschaftsrechts, und dann das Produkt in seiner Gesamtheit bewertet, wobei all seine Merkmale berücksichtigt werden, von den in der Formulierung verwendeten Bestandteilen über die Angaben auf der Verpackung oder in der Werbung bis hin zum Verwendungszweck, für den das Produkt bestimmt ist. Bei solchen Bewertungen ist es immer ratsam, die von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitlinien heranzuziehen, die Unternehmen helfen sollen, die richtige Einstufung vorzunehmen, um nachteilige Folgen zu vermeiden.

Eine falsche Produktklassifizierung kann nämlich das Risiko erheblicher verwaltungsrechtlicher und in einigen Fällen auch strafrechtlicher Sanktionen mit sich bringen. In Italien beispielsweise riskiert derjenige, der ein Medizinprodukt ohne CE-Kennzeichnung in den Verkehr bringt und damit den Verbraucher glauben macht, dass für das Produkt eine andere Verordnung gilt, wie z.B. die Kosmetikverordnung, eine Verwaltungsstrafe von bis zu 145.000 Euro (Art. 27 par. 22 des Gesetzesdekrets 137 vom 5. August 2022). Wird hingegen ein Produkt in Verkehr gebracht und als Kosmetikum eingestuft, obwohl es sich in Wirklichkeit um ein Arzneimittel handelt, für das keine Zulassung der italienischen Arzneimittelbehörde erteilt wurde, riskiert man eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr und eine Geldstrafe zwischen 2.000 und 10.000 Euro (Art. 147, Abs. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 219 vom 24. April 2006); darüber hinaus kann die Arzneimittelbehörde die sofortige Rücknahme des Produkts vom Markt anordnen (Art. 144, Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 219 vom 24. April 2006).​
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