Migrationsrechtliche und steuerliche Herausforde­rungen für Unternehmen bei der Entsendung von Personal nach Kasachstan

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​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 19. August 2024 | Lesedauer ca. 7 Minuten

  

Kasachstan entwickelt sich zunehmend zu einem attraktiven Standort für ausländi­sche Investitionen, insbesondere im Bereich großer Industrieprojekte. Unternehmen, die sich entschließen, in Kasachstan tätig zu werden, sehen sich jedoch mit einer Reihe von rechtlichen und steuerlichen Herausforderungen konfrontiert. Die Entsen­dung von Mitarbeitern zur Unterstützung von Projekten vor Ort erfordert eine gründliche Planung und eine umfassende Kenntnis der kasachischen Gesetzgebung​.

  

 

     

Die migrationsrechtlichen Anforderungen, insbesondere die Notwendigkeit, Arbeits- und Aufenthaltsgeneh­migungen oder Visa zu erhalten, stellen eine der ersten Hürden dar. Zudem müssen Unternehmen sich mit der Frage auseinandersetzen, ob und wann der lokale Einsatz von Mitarbeitern zur Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte führt, was erhebliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dieser Artikel bietet eine vertiefte Betrachtung der migrationsrechtlichen und steuerlichen Aspekte, die bei der Entsendung von Mitarbeitern nach Kasachstan zu beachten sind, und gibt praxisnahe Empfehlungen für eine erfolgreiche Projektabwicklung.
 

Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen

Die Entsendung von Mitarbeitern nach Kasachstan unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Ausländische Arbeitnehmer benötigen in der Regel eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, bevor sie in Kasachstan tätig werden können. Diese Genehmigungen werden auf Grundlage der beruflichen Qualifikationen des Mitarbeiters sowie der spezifischen Anforderungen des Projekts erteilt. Kasachstan stellt hohe Anforderungen an die Qualifikationen ausländischer Arbeitskräfte, die durch entsprechende Nachweise belegt werden müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beobachtung der lokalen Inhaltsvorschriften, die verlangen, dass ein gewisser Anteil lokaler Arbeitskräfte in das Projekt eingebunden wird. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass die lokale Bevölkerung von den Investitionen profitiert und gleichzeitig die Fachkräfte vor Ort weiterentwickelt werden. Neben dem Erhalt von Visa, die zum Einsatz in dem lokalen Projekt berechtigen, kommt ggf. ein Secondment von Mitarbeitern in Betracht.
 

Secondment

Die Entsendung von Mitarbeitern, auch als Secondment bekannt, ist eine häufig genutzte Methode, um Personal temporär nach Kasachstan zu entsenden. Dabei bleibt der Mitarbeiter weiterhin beim entsendenden Unternehmen angestellt, während er für einen bestimmten Zeitraum für ein anderes Unternehmen oder eine Tochtergesellschaft (oder Niederlassung) in Kasachstan tätig ist. Diese Art der Entsendung bietet den Vorteil, dass keine lokale Anstellung notwendig ist, jedoch muss in den meisten Fällen dennoch eine Arbeitserlaubnis beantragt werden.
 
Die Beantragung der notwendigen Genehmigungen erfolgt ausschließlich elektronisch und setzt voraus, dass die Qualifikationen des Mitarbeiters den Anforderungen der Position entsprechen, die er in Kasachstan besetzen soll. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht bestehen nur für Staatsbürger der Eurasischen Wirtschaftsunion sowie für bestimmte leitende Angestellte von Unternehmen, die vollständig in ausländischem Besitz sind.
  

Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze

In der Praxis können bei der Beantragung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen verschiedene Probleme auftreten. Verzögerungen im Genehmigungsverfahren, fehlende oder unvollständige Dokumente sowie die Einhaltung der lokalen Inhaltsvorschriften sind häufige Stolpersteine. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit diesen Anforderungen auseinandersetzen und gegebenenfalls spezialisierte Dienstleister hinzuziehen, um den Prozess zu optimieren.

Eine sorgfältige Planung und die rechtzeitige Einreichung aller erforderlichen Unterlagen sind entscheidend, um Verzögerungen zu vermeiden. Zudem ist es ratsam, regelmäßige Schulungen für das Personal durchzuführen, das für die Genehmigungsverfahren verantwortlich ist, um sicherzustellen, dass es über die neuesten gesetzlichen Änderungen informiert ist. Rödl & Partner bietet solche individuellen Schulungen in Form von Workshops an und steht Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.
 

Steuerliche Betriebsstätte: Entstehung, Risiken und Auswirkungen

​Grundlagen der steuerlichen Betriebsstätte

Eine steuerliche Betriebsstätte wird im internationalen Steuerrecht als eine feste Geschäftseinrichtung definiert, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. In Kasach­stan regelt Artikel 220 des Steuergesetzes die Bedingungen, unter denen eine Betriebsstätte entsteht. Das kann bereits dann der Fall sein, wenn ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum Dienstleistungen in Kasachstan erbringt oder eine physische Präsenz im Land unterhält.
 

Rolle des MLI im Kontext der Entsendung von Mitarbeitern nach Kasachstan

Das Multilaterale Instrument (MLI), offiziell bekannt als „Multilaterales Übereinkommen zur Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der OECD/G20 BEPS-Initiative zur Verhinderung der Aushöhlung der Besteuerungs­grundlage und der Gewinnverlagerung“, spielt eine entscheidende Rolle in der internationalen Besteuerung und kann erhebliche Auswirkungen auf die steuerlichen Verpflichtungen von Unternehmen haben, die in mehreren Ländern, einschließlich Kasachstan, tätig sind.
 
Kasachstan ist Vertragsstaat des MLI und hat bestimmte Optionen und Vorbehalte im Rahmen dieses Abkommens gewählt, die die Anwendung seiner Doppelbesteuerungsabkommen, wie zum Beispiel im Rahmen des Abkommens mit Indien, beeinflussen.
 
Auswirkungen des MLI auf die Betriebsstätten Regelungen
Eine der zentralen Änderungen, die durch das MLI eingeführt wurden, betrifft die Definition und die Bedingungen für die Entstehung einer Betriebsstätte. Durch das MLI wurden sogenannte Anti-Fragmentie­rungsregeln eingeführt, die verhindern sollen, dass Unternehmen ihre Aktivitäten in verschiedene, scheinbar unabhängige Projekte oder Verträge aufteilen, um die Entstehung einer steuerlichen Betriebsstätte zu vermeiden.
 
Im Kontext von Kasachstan bedeutet dies, dass auch die Zeiten, in denen Mitarbeiter für verschiedene, aber inhaltlich zusammenhängende Projekte vor Ort sind, zusammengezählt werden können, um zu bestimmen, ob eine Betriebsstätte entstanden ist. Diese Regelung ist besonders relevant für Unternehmen, die regelmäßig Personal für verschiedene Projekte nach Kasachstan entsenden, da durch die kumulative Betrachtung der Aufenthaltsdauer die Schwelle für die Entstehung einer Betriebsstätte schneller erreicht werden kann.
 
Anwendung der „Principal Purpose Test“ (PPT) Regel
Das MLI führt auch die „Principal Purpose Test“ (PPT) Regel ein, die darauf abzielt, die missbräuchliche Nutzung von DBA zu verhindern. Nach dieser Regel wird der Nutzen aus einem DBA verweigert, wenn eine der Hauptmotivationen für eine Transaktion oder Strukturierung darin besteht, in den Genuss der Vorteile des Abkommens zu kommen, ohne dass hierfür ein angemessener wirtschaftlicher Grund vorliegt.
 
Für Unternehmen, die Mitarbeiter nach Kasachstan entsenden, bedeutet dies, dass jegliche Struktur, die hauptsächlich darauf abzielt, Steuerverpflichtungen zu vermeiden oder zu minimieren, unter Umständen nicht den erwarteten steuerlichen Schutz bietet. Die PPT-Regel verlangt eine sorgfältige Prüfung und Rechtfertigung der wirtschaftlichen Substanz und des Zwecks der Geschäftsaktivitäten, um unangenehme steuerliche Überraschungen zu vermeiden.
 
Bedeutung für die Unternehmenspraxis
Unternehmen, die in Kasachstan tätig sind und das Risiko einer Betriebsstätte minimieren möchten, müssen das MLI und die damit verbundenen Regelungen in ihre Steuerplanung einbeziehen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Steuerberatern, um sicherzustellen, dass alle Tätigkeiten, Verträge und die Entsendung von Mitarbeitern den Anforderungen des MLI entsprechen.
 
Die Implementierung des MLI bedeutet, dass Unternehmen stärker darauf achten müssen, wie sie ihre internationalen Aktivitäten strukturieren. Es ist wichtig, nicht nur die lokalen kasachischen Steuervorschriften zu berücksichtigen, sondern auch die neuen Anforderungen des MLI, die auf globaler Ebene umgesetzt werden.
 
Zwischenfazit 
Das MLI hat das Potenzial, die internationalen Steuerregelungen erheblich zu beeinflussen, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung von Betriebsstätten und die missbräuchliche Nutzung von DBA. Für Unternehmen, die in Kasachstan tätig sind oder Mitarbeiter dorthin entsenden, ist es von entscheidender Bedeutung, diese neuen Regelungen zu verstehen und in ihre Geschäfts- und Steuerplanung einzubeziehen. Eine sorgfältige Vorbereitung und eine fundierte steuerliche Beratung sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle gesetz­lichen Anforderungen erfüllt werden und unnötige steuerliche Risiken vermieden werden.
 

Service Permanent Establishment (Service-PE)

Eine besondere Form der Betriebsstätte ist die sogenannte Service Permanent Establishment (Service-PE), die entsteht, wenn ein Unternehmen Dienstleistungen über einen bestimmten Zeitraum in einem anderen Land erbringt. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Indien und Kasachstan entsteht zum Beispiel eine Service-PE, wenn die Dienstleistungen eines Unternehmens innerhalb von zwölf Monaten mehr als 90 Tage in Anspruch nehmen.
 
Das Konzept der „interdependenten Projekte“ ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Es besagt, dass die Zeiträume verschiedener, aber zusammenhängender Projekte kumuliert werden können, was dazu führen kann, dass eine Betriebsstätte auch dann entsteht, wenn kein einzelnes Projekt die 90-Tage-Grenze überschreitet. Diese Regelung stellt ein erhebliches Risiko für Unternehmen dar, die in Kasachstan tätig sind, da sie ungewollt in eine Steuerpflicht geraten können.
  

Fallstudien und Beispiele aus der Praxis

In der Praxis kann es leicht zur Entstehung einer Betriebsstätte kommen, wenn mehrere Projekte zeitlich nahe beieinander liegen oder inhaltlich miteinander verknüpft sind. Ein Beispiel hierfür ist der Fall eines Unterneh­mens, das nacheinander ähnliche Dienstleistungen für denselben Kunden erbringt. Obwohl die einzelnen Projekte möglicherweise jeweils weniger als 90 Tage dauern, kann durch ihre Verknüpfung eine Betriebsstätte begründet werden, mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen.
 
Unternehmen sollten daher darauf achten, ihre Projekte und die zugehörigen Verträge sorgfältig zu gestalten, um eine ungewollte Betriebsstättenentstehung zu vermeiden. Eine Möglichkeit besteht darin, klare Grenzen zwischen den Projekten zu ziehen und sicherzustellen, dass keine wirtschaftliche Verflechtung besteht.
 
Das ist zumindest aus der Sicht des lokalen Steuerrechts angezeigt. Die Auslegung der Bestimmungen des internationalen Rechts wird oft vor dem Hintergrund der lokalen fiskalischen Interessen vorgenommen, sodass das Risiko der faktischen doppelten Besteuerung stets vor Augen gehalten werden sollte.
 

Strategien zur Vermeidung einer Betriebsstätte

Um das Risiko der Entstehung einer Betriebsstätte zu minimieren, sollten Unternehmen ihre Projekte und die zugehörigen Verträge sorgfältig planen. Es ist ratsam, die Projektlaufzeiten genau zu überwachen und sicherzustellen, dass keine Überschneidungen oder Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Projekten bestehen, die als „interdependent“ betrachtet werden könnten.
 
Darüber hinaus sollten Unternehmen regelmäßig prüfen, ob sie möglicherweise eine Betriebsstätte in Kasachstan begründen, und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um das zu verhindern. Das kann die Umstrukturierung von Projekten oder die Anpassung von Vertragsklauseln umfassen. Eine umfassende Dokumentation und die Zusammenarbeit mit lokalen Steuerberatern von Beispiel mit Rödl & Partnern sind ebenfalls entscheidend, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden und keine ungewollten steuerlichen Verpflichtungen entstehen.
 

Rolle von Tochterunternehmen und Subunternehmen in Kasachstan

Einbindung lokaler Partner
Die Einbindung von Tochterunternehmen und Subunternehmen ist in Kasachstan eine gängige Praxis, um lokale Expertise zu nutzen und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Allerdings bringt diese Praxis auch rechtliche und steuerliche Herausforderungen mit sich. Insbesondere die Einbindung von Subunternehmen kann zur Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte führen, wenn die vertraglichen Beziehungen nicht klar getrennt sind und das ausländische Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber der eingesetzten Arbeitskräfte betrachtet wird.
 
Risiken und Herausforderungen
Eines der größten Risiken bei der Nutzung von Subunternehmen ist die mögliche Verflechtung der Vertrags­beziehungen, die dazu führen kann, dass das ausländische Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber angesehen wird. Das könnte zur Folge haben, dass eine Betriebsstätte begründet wird, mit den entsprechenden steuerlichen Verpflichtungen.
 
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die steuerlichen Verpflichtungen des Subunternehmens auf das ausländische Unternehmen übergehen, insbesondere wenn das Subunternehmen nicht ordnungsgemäß registriert ist oder seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das kann zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen aus der Sicht der Quellenbesteuerung führen.
 

Schlussfolgerung und Empfehlungen

Die Entsendung von Mitarbeitern nach Kasachstan und die Durchführung von Industrieprojekten in diesem aufstrebenden Markt sind mit einer Vielzahl von rechtlichen und steuerlichen Herausforderungen verbunden. Unternehmen, die in Kasachstan tätig werden wollen, sollten sich intensiv mit den lokalen gesetzlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen und sicherstellen, dass sie alle erforderlichen Genehmigungen einholen und die steuerlichen Risiken minimieren.
 
Es empfiehlt sich, frühzeitig rechtlichen und steuerlichen Rat einzuholen und eng mit lokalen Beratern zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass alle Aspekte der Entsendung, von der Arbeitsgenehmigung bis hin zur Vermeidung der Begründung einer Betriebsstätte, sorgfältig berücksichtigt werden. Durch eine sorgfältige Planung und die Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben können Unternehmen nicht nur rechtliche Probleme vermeiden, sondern auch die Effizienz und den Erfolg ihrer Projekte in Kasachstan gewährleisten.​
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