Online-Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln: grünes Licht für Vertreiber

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​​​​​veröffentlicht am 12. Juli 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Im Bereich des Online-Handels mit Arzneimitteln hat der Gerichtshof der Europäischen Union in einem kürzlich ergangenen Urteil die Grenzen klargestellt, die ein Mitgliedstaat dem Versandhandel von rezeptfreien Arzneimitteln setzen kann. Die Luxemburger Richter entschieden über den Fall von „Doctipharma“, einer Online-Plattform, die Apotheker und Kunden für den Kauf und Verkauf von Arzneimitteln zusammenbringt. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist ein wichtiger Präzedenzfall, der sich auch in Italien auswirken könnte, wo bisher sehr restriktive Vorschriften galten.

 
  
Der Rechtsstreit, geht auf Anschuldigungen seitens der Union „Groupements de pharmaciens d'officine“ (UDGPO) zurück, die die Online-Plattform „Doctipharma" verklagt hat. Diese ermöglicht es Nutzern, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von registrierten Apotheken zu kaufen.
Nach Ansicht der UDGPO entsprach die Tätigkeit von „Doctipharma“ nicht den französischen Rechtsvorschriften, die den Verkauf von Arzneimitteln nur durch Apotheker zulassen.

 „Doctipharma“ behauptete ein bloßer Vermittler zu sein, da der Zweck der Dienstleistung lediglich darin bestehe, Apotheker mit Kunden in Kontakt zu bringen.

Nach einem lang andauernden Gerichtsverfahren beschloss das Pariser Berufungsgericht, den Fall an den Europäischen Gerichtshof zurückzuverweisen.

Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass „ein auf einer Website angebotener Service, der darin besteht, Apotheker und Kunden für den Verkauf von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über die Websites von Apotheken, die diesen Dienst abonniert haben, in Kontakt zu bringen, unter den Begriff 'Dienste der Informationsgesellschaft' fällt“. Daher wurde „Doctipharma“ unter Zugrundelegung der Definition des Begriffs „Dienste der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 98/34/EG als Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft angesehen.

 Danach legte der EuGH eine Auslegung von Artikel 85c, Richtlinie 2001/83/EG, vor. Dieser Artikel legt die Bedingungen fest, die die Mitgliedstaaten einhalten müssen, um die Bereitstellung von Arzneimitteln im Fernabsatz zu regeln.

Nach Ansicht des Gerichtshofs können die Mitgliedstaaten den Verkauf von Arzneimitteln an Personen, die keine Apotheker sind, verbieten. Umgekehrt dürfen die Mitgliedstaaten die Erbringung von Vermittlungsdienstleistungen für den Verkauf und den Kauf von Arzneimitteln nicht einschränken, selbst wenn diese von Personen erbracht werden, die nicht als Apotheker qualifiziert sind.

Daher können Mitgliedstaaten den Online-Handel mit Arzneimitteln durch Personen, die im eigenen Namen verkaufen, ohne als Apotheker zugelassen zu sein, verhindern, nicht aber die Tätigkeit der bloßen Vermittlung durch jedermann. Nach Einschätzung des Verfassers ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, mit wem der Käufer den Kaufvertrag unterzeichnet. Da bei solchen Käufen oftmals keine Verträge unterzeichnet werden, gilt derjenige als Verkäufer, der die Verkaufsrechnung (oder den Kaufbeleg) ausstellt. Daher muss nur dieser als Apotheker qualifiziert sein. Im Gegensatz dazu verkauft die Plattform, die eine Gebühr für die Vermittlungstätigkeit erhält, keine Arzneimittel an Patienten und kann diese Tätigkeit folglich ohne eine Zulassung als Apotheker ausüben.

Welche Auswirkungen hat dieses Urteil auf italienische Unternehmen?​

Artikel 112-„quater“, Absatz 3 des italienischen Gesetzesdekrets (Italien: „Decreto Legislativo“) 219/2006 (sog. „Arzneimittelgesetzbuch“), das die Richtlinie 2001/83/EG umsetzt, besagt, dass rezeptfreie Arzneimittel von Apotheken und von den in Artikel 5, Absatz 1 des italienischen Gesetzesdekrets 223/2006 genannten Verkaufsstellen durch Fernabsatz bereitgestellt werden dürfen, sofern sie eine Genehmigung der zuständigen Region (oder autonomen Provinz) und, falls erforderlich, der anderen durch regionale Gesetze festgelegten Behörden erhalten haben.

Das Rundschreiben 25654 des Gesundheitsministeriums vom 10. Mai 2016 besagt außerdem, dass „die Nutzung von zwischengeschalteten Websites, E-Commerce-Plattformen (Marktplätzen) oder mobilen Anwendungen für Smartphones oder Tablets (APPs), die für die Online-Verwaltung der Prozesse zum Kauf von Arzneimitteln, die der Öffentlichkeit über zugelassene Websites angeboten werden, geeignet sind, nicht zulässig ist, da Online-Verkäufe nur an zugelassene Akteure über die zu diesem Zweck angegebene Website erlaubt sind, die mit der in der Liste der zugelassenen Akteure für den Online-Verkauf von Arzneimitteln, die auf dem Portal des Ministeriums veröffentlicht ist, übereinstimmen muss“.

Das Gesundheitsministerium hat daher den Geltungsbereich des Verbots weiter ausgedehnt und verbietet den Apotheken auch die Nutzung von Vermittlungswebsites und sogenannten Marktplätzen für den Handel mit Arzneimitteln.

Die Entscheidung des Gerichtshofs könnte jedoch einen Spielraum für die Nichtanwendung des Rundschreibens 25654 durch die italienischen Gerichte eröffnen. Das Urteil geht nämlich in die gegenteilige Richtung des Rundschreibens, indem es die volle Legitimität der Tätigkeit der Arzneimittelvermittlung im Fernabsatz feststellt.

Das betreffende Urteil weist neuartige Merkmale auf, die sich stark auf den Online-Handel mit Arzneimitteln auswirken. Es besagt nämlich, dass die Mitgliedstaaten den Online-Verkauf von Arzneimitteln einschränken, nicht aber die Vermittlungstätigkeit verbieten dürfen.

Dieses Urteil hat auch erhebliche Auswirkungen auf den italienischen Markt für den Online-Handel mit Arzneimitteln, da es der Forderung des Gesundheitsministeriums zuwiderläuft, auch Vermittlungsgeschäfte zu verbieten.

In Anbetracht dessen wird den Unternehmen des Sektors daher empfohlen, den rechtlichen Entwicklungsstand zu beobachten und darauf zu hoffen, dass das Ministerium seine Position zurücknehmen wird und diese Tätigkeit nicht mehr verbieten wird. In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofs alle nationalen Gerichte verpflichten, die darin zum Ausdruck gebrachten Grundsätze zu befolgen.

Aufgrund der mangelnden Rechtssicherheit in dieser Angelegenheit können die damit verbundenen rechtlichen Risiken sehr groß sein. Daher ist es für Unternehmen ratsam, sich an erfahrene Fachleute zu wenden, die Lösungsansätze zur Vermeidung rechtlicher Probleme anbieten können, damit sie sich schützen und die richtige Vorgehensweise wählen können.​
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