Italien: Neuerungen im Bereich der Produktionsdezentralisierung

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​​​veröffentlicht am 31. Mai 2024 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Mit der Reform vom März 2024 wurden wichtige Bestimmungen zur Prävention und Bekämpfung von irregulärer Beschäftigung eingeführt. Ausgehend von der Gesetzesentwicklung im Bereich Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung und der notwendigen Unterscheidung zwischen den beiden Rechtsinstituten sollen diese Neuigkeiten im gegenständlichen Artikel eingehend untersucht werden, wobei der Schwerpunkt auf dem neuen Sanktionsapparat liegt, der im Falle rechtswidriger Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung vorgesehen ist.

 
  

Gesetzesentwicklung im Bereich Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung

Unsere Rechtsordnung ist seit langem durch das Verbot der Arbeitskraftvermittlung gekennzeichnet, wonach es nicht zulässig ist, Arbeitnehmer förmlich einzustellen, die dann faktisch zur Durchführung von Arbeiten im Auftrag anderer eingesetzt werden. Das Phänomen der Vermittlung im Arbeitsverhältnis, das bereits im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs verboten war, wurde dann durch das Gesetz Nr. 1369 vom 23. Oktober 1960 weiter geregelt, welches dem Unternehmer verbot, die Erbringung von reinen Arbeitsleistungen durch den Einsatz von Arbeitskräften, die von einem Auftragnehmer angestellt und bezahlt werden, in Auftrag oder Unterauftrag zu geben.

Ein Dreiecksverhältnis zwischen Auftraggeber-Vermittler-Arbeitnehmer konnte im Grunde nicht bestehen, denn für den italienischen Gesetzgeber des 20. Jahrhunderts (und das aus gutem Grund) hätte die Trennung zwischen dem formellen Arbeitgeber und demjenigen, der die Arbeitsleistung tatsächlich in Anspruch nimmt und davon profitiert, nur den lukrativen Zweck des sog. „Vermittlers“ („Interposto“, besser bekannt als „Caporale“) erleichtert. 

Zu Beginn des neuen Jahrtausends waren sowohl die fiktive Vermittlung als auch der Werkvertrag Gegenstand einer weitreichenden Gesetzesreform: Zunächst das Gesetz Nr. 196 vom 24. Juni 1997 (das sog. „Treu“-Paket) und dann das Gesetz Nr. 30 vom 14. Februar 2003 (das sog. „Biagi“-Gesetz). Letzteres führte insbesondere das Rechtsinstitut der Arbeitnehmerüberlassung in das Rechtssystem ein, durch welches ein Subjekt, das als „Überlasser-Unternehmen“ bezeichnet wird, einen Arbeitnehmer einstellt und bezahlt und ihn zur Erbringung seiner Leistungen an den Betrieb des Entleiher-Unternehmens schickt -bzw. ihn überlässt: Letzterer verpflichtet sich, dem Überlasser-Unternehmen ein Entgelt zu zahlen, und ist damit legitimiert, das Direktionsrecht in Bezug auf den ihm überlassenen Arbeitnehmer auszuüben. 

Um auf die Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen zu können, müssen natürlich die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sein: Insbesondere die Art. 30 ff, Gesetzesdekret Nr. 81 vom 15. Juni 2015 sehen vor, dass die Parteien des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags notwendigerweise einerseits eine vom Arbeitsministerium zugelassene Agentur und andererseits ein Entleiher-Unternehmen sein müssen; Gegenstand des Vertrags ist die Überlassung eines oder mehrerer Arbeitnehmer, die von Ersterem eingestellt und bezahlt werden, damit sie ihre Arbeitsleitung unter der Leitung und Kontrolle des Zweiteren für die gesamte Dauer des vereinbarten Vertrags verrichten.

Daraus folgt, dass die Vermittlung von Arbeitskräften (oder, wenn man so will, die „Aufsplittung“ zwischen dem nominellen Arbeitgeber und demjenigen, der unmittelbar von der Arbeitsleistung profitiert) nur innerhalb bestimmter Grenzen zulässig ist. Außerhalb dieser Grenzen würde es sich um eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung handeln.
Diese Gesetzesänderung hat dazu geführt, dass die Unterscheidung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und dem Werkvertrag sehr sorgfältig geprüft werden muss, wie im Nachfolgenden erörtert wird.

Zwei Rechtsinstitute im Vergleich: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung

Obwohl es sich sowohl beim Werkvertrag als auch bei der Arbeitnehmerüberlassung um Rechtsinstitute handelt, die eine Produktionsdezentralisierung mit sich bringen, sollte man von Anfang an die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen beiden hervorheben.
Im Rahmen eines Werkvertrags (Artikel 1655 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) übernimmt eine Partei gegen Entgelt und unter Bereitstellung der erforderlichen Mittel sowie unter eigener Leitung und auf eigenes Risiko die Ausführung eines Werks.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei einer Arbeitnehmerüberlassung hingegen um einen befristeten oder unbefristeten Vertrag, mit dem eine zugelassene Agentur einem Entleiher-Unternehmen einen oder mehrere ihrer Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, die ihre Tätigkeit im Interesse und unter der Weisungsbefugnis des Entleiher-Unternehmens für die gesamte Dauer des sog. „Einsatzes“ ausüben.

Artikel 29 des Gesetzesdekrets Nr. 276/2003 trägt dazu bei, die Unterscheidungsmerkmale zu umreißen, indem er festlegt, dass „der Werkvertrag [...] sich von der Überlassung von Arbeitskräften dadurch unterscheidet, dass der Auftragnehmer die erforderlichen Mittel organisiert, was sich auch daraus ergeben kann, dass er je nach den Erfordernissen des Werks (oder der Dienstleistung), die Gegenstand des Vertrags sind, die Organisations- und Direktionsbefugnis über die im Rahmen des Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer ausübt, sowie dadurch, dass derselbe Auftragnehmer das unternehmerische Risiko übernimmt“.

Während die Arbeitnehmerüberlassung in der bloßen Überlassung von Personal (und damit im Grunde in einer „Gibschuld“) besteht, bringt der Auftragnehmer bei einem Werkvertrag Produktionsmittel und Personal ein und koordiniert sie, wobei er gleichzeitig das unternehmerische Risiko übernimmt und sich zu einer „Handlungsschuld“, d. h. zur Erbringung eines eigenständigen Produktionsergebnisses verpflichtet.

Der Werkvertrag sieht auch einen grundlegenden Schutzmechanismus zugunsten der Arbeitnehmer vor, nämlich die gesamtschuldnerische Verpflichtung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, den Arbeitnehmern innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Vertrags die geschuldeten Löhne und Beiträge zu zahlen.

Der Sanktionsapparat: Wiedereinführung des Straftatbestands des rechtswidrigen Werkvertrags und Arbeitnehmerüberlassung

Schließlich kommen wir zum Gesetzesdekret Nr. 19 vom 2. März 2024, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 56 vom 29. April 2024, das eine Reihe von Neuigkeiten in Bezug auf die Produktionsdezentralisierung einführte, sowohl im Hinblick auf rechtmäßige als auch auf rechtswidrige Hypothesen. 

Von der Reform betroffen ist in erster Linie der „echte“ Werkvertrag, mit der Gesetzesbestimmung, welche den hierbei beschäftigten Arbeitnehmern eine wirtschaftliche und gesetzliche Behandlung garantiert wird, die nicht schlechter als diejenige sein darf, die in dem nationalen und territorialen Tarifvertrag vorgesehen ist, der in dem Sektor und für den Bereich gilt, dessen Anwendungsbereich eng mit der Tätigkeit verbunden ist, die Gegenstand des Werkvertrags ist.

Wie oben dargelegt, haftet der Auftraggeber dank des so genannten Grundsatzes der gesamtschuldnerischen Haftung immer gemeinsam mit dem Auftragnehmer für die im Rahmen des Werkvertrags beschäftigten Arbeitnehmer. Nun, eine der Neuigkeiten, die durch die jüngste Gesetzgebung eingeführt wurden, ist die Ausweitung dieser Haftung auch auf die Hypothesen der irregulären oder rechtswidrigen Werkverträge, Arbeitnehmerüberlassungen und Entsendungen. Anders als in der Vergangenheit wurde also der Kreis der Arbeitnehmer, die in den Genuss dieses grundlegenden Mechanismus des wirtschaftlichen Schutzes kommen, ausgeweitet.

Auch im Bereich des Strafrechts gibt es Neuigkeiten: In gewisser Weise kann das Gesetzesdekret als eine Rückkehr zur Vergangenheit betrachtet werden, da die strafrechtlichen Sanktionen im Falle einer rechtswidrigen Auslagerung wieder eingeführt oder auf jeden Fall verschärft werden. Die neue Gesetzgebung sieht nun im Falle eines „unechten“ Werkvertrages eine Haftstrafe von bis zu einem Monat oder alternativ eine Geldstrafe von 60,00 Euro für jeden beschäftigten Arbeitnehmer und jeden Tag der Beschäftigung vor; ferner wird der Einsatz von überlassenen Arbeitnehmern durch andere als zugelassene Agenturen mit einer Haftstrafe von bis zu einem Monat oder einer Geldstrafe von 60,00 Euro für jeden beschäftigten Arbeitnehmer und jeden Tag der Beschäftigung geahndet. Zuletzt, wenn die Überlassung von Arbeitskräften alleinig zu dem Zwecke erfolgt, zwingende Bestimmungen des Gesetzes oder des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags zu umgehen, ist für das Überlasser-Unternehmen sowie für das Entleiher-Unternehmen eine Haftstrafe von bis zu drei Monaten oder alternativ eine Geldstrafe von 100,00 Euro für jeden beschäftigten Arbeitnehmer und jeden Tag der Beschäftigung vorgesehen.

Die letzten beiden zu behandelnden Aspekten betreffen die erschwerenden Umstände und die Schwellenwerte für die Sanktionen. Was den ersten Aspekt betrifft, so werden die Beträge der oben genannten Sanktionen um 20 Prozent​​​​​​ erhöht, falls der Arbeitgeber in den vorangegangenen drei Jahren wegen derselben Straftat strafrechtlichen Sanktionen unterlag, so dass Rückfälle bestraft werden. In Bezug auf die Schwellenwerte für die anwendbaren Sanktionen legt das Gesetzesdekret Betragsgrenzen fest, die von einem Minimum von 5.000,00 Euro bis zu einem Maximum von 50.000,00 Euro reichen.

Schlussfolgerungen

Die Reform zielt eindeutig darauf ab, das weit verbreitete Phänomen der rechtswidrigen Vermittlung von Arbeitskräften zu bekämpfen - dessen zunehmende Verschärfung vielleicht auch auf die fragwürdige Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen ist, den Straftatbestand der betrügerischen Überlassung von Arbeitskräften im Jahr 2015 abzuschaffen -, wie die Zunahme von Fällen der Ausbeutung von Arbeitskräften (siehe insbesondere die jüngsten Fälle im Modesektor) sowie die erhebliche Zunahme von Arbeitsunfällen zeigen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, härter gegen rechtswidriges Verhalten vorzugehen, das fast immer durch offensichtliche Absprachen zwischen Auftraggebern/Nutzern und Auftragnehmern/Überlassern von Arbeitskräften gekennzeichnet ist. 

Was hingegen die „seriösen“ Marktteilnehmer betrifft, so kann man nur auf die üblichen bewährten Praktiken verweisen und bei der Bewertung des internen Personalbedarfs und der Auswahl der Geschäftspartner stets äußerste Sorgfalt empfehlen, wobei zu bedenken ist, dass der billigste Auftragnehmer fast nie der zuverlässigste ist, was Arbeitsbedingungen, Löhne und Beiträge angeht. 
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