Geldwäschebekämpfung: Das italienische Transparenzregister - Der Staatsrat verweist an den EU-Gerichtshof

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​​​​​​​​veröffentlicht am 13. November 2024 | Lesedauer ca. 8 Minuten


Mit der Verordnung Nr. 8248/2024 vom 15. Oktober 2024 hat der Staatsrat die Urteile zu den Beschwerden von Treuhandgesellschaften gegen die Urteile des Regionalen Verwaltungsgerichts Latium zum Transparenzregister (Beschwerden Nr. 3366, 3367, 3369 und 3546 von 2024) ausgesetzt und dem EU-Gerichtshof Vorabfragen vorgelegt. Der nachfolgende Artikel stellt die unendliche Geschichte des italienischen Transparenzregisters im Anschluss an diese Rechtsmittel dar und die wichtigsten Erwägungen, die den Staatsrat dazu veranlasst haben, die Angelegenheit dem EU-Gerichtshof vorzulegen. 

 
  

Einleitung​

Das Transparenzregister ist ein grundlegendes Instrument bei der Geldwäschebekämpfung und der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung. Es ermöglicht die Identifizierung von Personen, die direkt oder indirekt Eigentum an einer Gesellschaft oder einer juristischen Person halten oder diese kontrollieren. Zu diesem Zweck wurde mit dem GvD 231/2007, das die europäische Richtlinie zur Geldwäschebekämpfung umsetzt, die Verpflichtung für Gesellschaften eingeführt, die Daten ihrer wirtschaftlichen Eigentümer zu übermitteln. Diese Verpflichtung wurde durch die Durchführungsverordnung weiter präzisiert, in der die Modalitäten für die Erhebung und den Zugang zu diesen Informationen festgelegt wurden.

Ihre Umsetzung hat jedoch zahlreiche rechtliche Fragen aufgeworfen, die zunächst das Regionale Verwaltungsgericht Latium (T.A.R.) und anschließend den Staatsrat beschäftigten, der mit der Verordnung vom 15. Oktober 2024 den EU-Gerichtshof angerufen hat.

Erste Aussetzung: Beschwerden an das Regionale Verwaltungsgericht Latium​​

Im Dezember 2023 legten Interessenvereinigungen für Treuhänder eine Reihe von Beschwerden ein, und zwar mit dem Ziel das interministerielle Dekret Nr. 55 vom 11. März 2022, das Dekret des Ministeriums für Unternehmen und Made in Italy (MIMIT) vom 29. September 2023 sowie den "Leitfaden für die telematische Übermittlung der Mitteilungen des wirtschaftlichen Eigentümers an die Geschäftsstellen des Handelsregisters" für nichtig zu erklären. 

Im Anschluss an die oben angeführten Beschwerden hat das Regionale Verwaltungsgericht Latium mit Beschluss Nr. 8083 vom 6. Dezember 2023 dem Eilantrag der Beschwerdeführer stattgegeben und „das schützenswerte Interesse der Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung der res adhuc integra bis zum Urteil 
i​n der Hauptsache“ anerkannt und zu diesem Zweck die Wirksamkeit des Dekrets des MIMIT vom 29. September 2023 mit dem Titel „Bescheinigung des Funktionierens des Systems zur Übermittlung von Daten und Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer“, ausgesetzt – veröffentlicht im Amtsblatt – allgemeine Serie Nr. 236 vom 9. Oktober 2023. Infolgedessen wurde auch die Frist für die erste Meldung an das Transparenzregister ausgesetzt, die nach den einschlägigen Vorschriften innerhalb von 60 Tagen nach Veröffentlichung des MIMIT-Direktionsbeschlusses vom 29. September 2023 im Amtsblatt, d. h. bis zum 11. Dezember 2023, zu erfolgen hatte.

Am 9. April 2024 wies das Regionale Verwaltungsgericht Latium (vierte Sektion) mit sechs im Wesentlichen gleichlautenden Urteilen (Nr. 6837, 6839, 6840, 6841, 6844, 6845) die von den Interessenvereinigungen eingelegten Beschwerden ab. Der Fristlauf für die Mitteilung der wirtschaftlichen Eigentümer im Transparenzregister wurde fortgesetzt und endete am 11. April 2024.

Zweite Aussetzung: Berufung beim Staatsrat und Sanktionen für verspätete oder fehlende Mitteilungen​

Nachdem die Interessenvereinigungen gegen die Urteile Rechtsmittel einlegten, hat der Staatsrat (Consiglio di Stato) am 17. Mai 2024 nach einer ersten summarischen Prüfung festgestellt, dass die von den Parteien aufgeworfenen Fragen von besonderer Komplexität sind und eine eingehende Prüfung der zugrundeliegenden Argumente erfordern. Der Staatsrat hat sodann die Aussetzung der Vollstreckbarkeit der Urteile des Regionalen Verwaltungsgerichts Latium vom 9. April 2024 angeordnet. Da die Beschlüsse des Staatsrats erst nach Ablauf der Frist (vom 11. April 2024) für die Mitteilung der wirtschaftlichen Eigentümer zum Transparenzregister erlassen wurden, wurde „lediglich“ der Zugang zum Transparenzregister sowie die Akkreditierungsanträge der Verpflichteten und die Zugangsanträge der Legitimierten gemäß Art. 3 GvD 231/07 ausgesetzt. Es war weiterhin möglich, Mitteilungen an das Transparenzregister zu übermitteln. Die Anhörung vor dem Staatsrat wurde für den 19. September 2024 angesetzt. 

Nach Ablauf der Frist für die Mitteilung an das Transparenzregister entfachte eine heftige Diskussion darüber, ob die örtlich zuständigen Handelskammern Verwaltungsstrafen für verspätete Mitteilungen gemäß Artikel 2630 des italienischen Zivilgesetzbuches verhängen können, in dem es lautet: „Wer es versäumt, innerhalb der vorgeschriebenen Fristen Meldungen, Mitteilungen oder Hinterlegungen beim Handelsregister einzureichen, obwohl er aufgrund der von ihm in einer Gesellschaft oder einem Konsortium ausgeübten Funktionen gesetzlich dazu verpflichtet ist, wird mit einer Verwaltungsgeldstrafe von 103 Euro bis 1.032 Euro bestraft. Erfolgt die Meldung, Mitteilung oder Hinterlegung innerhalb von dreißig Tagen nach Ablauf der vorgeschriebenen Fristen, wird die Verwaltungsgeldstrafe auf ein Drittel reduziert“.

In Anbetracht der obigen Ausführungen, hat die nationale Kammer der Wirtschaftsprüfer und Buchhaltungsexperten (CNDCEC) am 23. Mai 2024 eine Erklärung veröffentlicht, mit der diese die Feststellung und die Sanktionierung von Verstößen der Mitteilungspflicht durch die Handelskammern ausschließt.

Begründung dafür ist, dass die Schlussfolgerungen des Staatsrats das gesamte System des Transparenzregisters, einschließlich der Verpflichtung zur Abgabe der Mitteilungen, auf die sich die Verwaltungsgeldstrafen stützen würden, aushebeln könnten. 

Das MIMIT hat sich jedoch bis heute nicht zu diesem Punkt geäußert und überlässt es aufgrund der komplexen Rechtslage „der umsichtigen Einschätzung der Handelskammern, welche Initiative sinnvoll ist, um die korrekte Erfüllung der betreffenden Offenlegungspflichten zu erleichtern“. Da die Stellungnahme des CNDCEC nicht bindend ist und das MIMIT keine Position bezogen hat, könnten einige Handelskammern also durchaus beschließen, im Falle einer unterlassenen oder verspäteten Offenlegung des wirtschaftlichen Eigentümers Sanktionen zu verhängen.

Verordnung des Staatsrats und Anrufung des EU-Gerichtshofs (EuGH)​

Mit der Verordnung des Staatsrates Nr. 8248/2024 vom 15. Oktober 2024 (im Folgenden „Verordnung“) wurde nun zum wiederholten Male die effektive Nutzung des Transparenzregisters in Italien ausgesetzt.  

Tatsächlich hat der Staatsrat festgestellt, dass die Bestimmungen der Durchführungsverordnung gegen die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen könnten, die das Recht auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten vorsehen. Außerdem wurden die Artikel 15 und 45, die sich auf die Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit beziehen, sowie die Artikel 20 und 41, die die Gleichheit und das Recht auf eine gute Verwaltung garantieren, angeführt. Im Besonderen stellt der Staatsrat unter Punkt 9 der Verordnung fest, dass „die von den Parteien aufgeworfenen Fragen von besonderer Komplexität seien und demnach eine eingehende Prüfung erforderten, die dem Stand der Dinge angemessen sei, insbesondere was die Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht und die Gültigkeit einiger Bestimmungen der Richtlinie im Rahmen des übergeordneten Unionsrechts betrifft.“

Der Staatsrat wies auch auf die Gefahr eines übermäßigen Aufwands für die Beschwerdeführer hin, die mit nicht rechtmäßig auferlegten Kommunikationspflichten belastet werden könnten. In der Verordnung wird darauf hingewiesen, dass die Erfüllung der Mitteilungspflichten gemäß Artikel 21 Absatz 3 des GvD 231/2007 aufgrund der Veröffentlichung sensibler/vertraulicher Daten zu Nachteilen führen könnte.
Angesichts der Sensibilität der oben genannten Argumente, hat der Staatsrat dem EU-Gerichtshof sechs Vorabentscheidungsfragen zur Auslegung und Gültigkeit der Richtlinie (EU) 2015/849 i.g.F., in Bezug auf die italienischen Rechtsvorschriften für Treuhandgesellschaften vorgelegt:
  1. Definition von „Rechtsvereinbarungen“: Ist der Begriff „Rechtsvereinbarungen“ gemäß Artikel 31 der Richtlinie (EU) 2015/849 so auszulegen, dass er sich auf eine organische Einheit von Regeln und Grundsätzen zur Regelung eines sozialen Phänomens, eines konkreten wirtschaftlich-rechtlichen Vorgangs oder von Arten wirtschaftlich-rechtlicher Vorgänge, die nach ihren wesentlichen Merkmalen bewertet werden, bezieht?;
  2. Normative oder deklaratorische Reichweite der Identifizierung ähnlicher Rechtsvereinbarungen: Ob die Notifizierungen der Mitgliedstaaten und der Bericht der Europäischen Kommission bezüglich des Verständnisses des Begriffs Rechtsvereinbarungen verbindlich sind oder lediglich eine deklaratorische Wirkung entfalten;
  3. Ähnlichkeit von Treuhandmandaten mit Trusts: Ob das EU-Recht einer nationalen Gesetzgebung entgegensteht, die Treuhandmandate von Treuhandgesellschaften zu den trustähnlichen Rechtsvereinbarungen zählt;
  4. Verhältnismäßigkeit der Einbeziehung treuhänderischer Mandate in ähnliche Rechtsvereinbarungen: Steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Gesetzgebung entgegen, die Treuhandmandate von Treuhandgesellschaften zu den trustähnlichen Rechtsvereinbarungen zählt, in Anbetracht der Pflichten und der Aufsicht, denen sie bereits unterliegen?;
  5. Gültigkeit der Richtlinie (EU) 2015/849 in der durch die Richtlinie (EU) 2018/843 geänderten Fassung: Sind die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2015/849 in der durch die Richtlinie (EU) 2018/843 geänderten Fassung im Hinblick auf die Artikel 114 und 288 T.F.U.E. und den Grundsatz der Wirksamkeit gültig?;
  6. Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts mit der Richtlinie (EU) 2015/849 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/843 im Lichte des Urteils vom 22. November 2022, Verfahren C-37/2020 und C-601/2020: Steht das EU-Recht nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die den Zugang zu Informationen über wirtschaftliches Eigentum durch private Parteien, einschließlich solcher mit diffusen Interessen, in Fällen ermöglichen, in denen die Kenntnis des wirtschaftlichen Eigentums zum Schutz oder zur Verteidigung eines rechtlich geschützten Interesses erforderlich ist?.

Absatz 40 der Verordnung des Staatsrats betrifft den Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren vor dem EU-Gerichtshof gemäß Artikel 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Der Staatsrat begründet diesen Antrag mit der Notwendigkeit einer raschen Lösung der Angelegenheit und führt aus „i) Die Wirksamkeit der nationalen Maßnahmen wurde von diesem Gericht in Anbetracht der Sensibilität der betreffenden Fragen und der Notwendigkeit, zunächst den EuGH anzurufen, um die genaue Auslegung des Unionsrechts zu erfahren, ausgesetzt; ii) die in der vorstehenden Nummer genannte Entscheidung wurde auch in Anbetracht der Tatsache getroffen, dass das Fehlen der Aussetzung alle Treuhandgesellschaften verpflichtet hätte, Angaben zu den wirtschaftlichen Eigentümern zu machen, und zwar in einer Situation, in der das Bestehen einer solchen Verpflichtung von diesem Gericht nicht mit Sicherheit bestätigt werden konnte, ohne zuvor den EuGH anzurufen; iii) die Entscheidung dieses Gericht beschränkt in der Tat ihre Auswirkungen nur auf Treuhandgesellschaften, obwohl die Vertreter der Beschwerdeführer und der Handelskammer Rom in der öffentlichen Anhörung vom 19. September 2024 erklärt haben, dass diese Situation das gesamte System der Umsetzung der Richtlinie von 2018 betreffen würde; iv) die konkrete Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie im italienischen Rechtssystem ist daher derzeit „eingefroren“, bis die Entscheidung des EuGH vorliegt.“

Die Situation hat sich also seit dem Beschluss des Staatsrats vom 17. Mai 2024 nicht geändert, woraufhin sich die Handelskammern unterschiedlich verhalten haben. Einige setzten die Offenlegungspflicht zusammen mit dem Auskunftsrecht aus, während andere nur das Auskunftsrecht aussetzten. In dieser Situation der Unsicherheit warten die Handelskammern auf Informationen von Unioncamere, um die Anwendung dieser problematischen Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene zu vereinheitlichen.
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