Kommunikation in der Krise – Fallstricke und Herausforderungen

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 4​​​​​ Minuten


In Krisensituationen stehen Unternehmen vor besonderen Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, die unternehmerische Krise zu bewältigen, sondern auch die Wahr­nehmung in der Öffentlichkeit zu beeinflussen, um das Vertrauen der externen und internen Stakeholder zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei ist der Umgang mit Medien nicht nur unter kommunikativen Gesichtspunkten zu betrachten, denn das Verhalten gegenüber Medien hat auch Auswirkungen auf etwaige medienrechtliche Ansprüche.


Unternehmen, ihre Aktivitäten, Erfolge und Misserfolge, unternehmerische Glanzstunden, aber auch unterneh­merische Krisen sind Gegenstand der Wirtschaftsberichterstattung und stehen daher im Blickpunkt der Öffent­lichkeit. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht insbesondere bei unternehmerischen Problemen oder Krisen. Sind gar Arbeitsplätze oder einzelne Betriebsteile oder das Unternehmen als Ganzes gefährdet, müssen Medien hierüber berichten. 

Auslöser solcher Krisensituationen können vielfältige Sachverhalte sein, wie beispielsweise Produktfehler, zweifelhafte Management- und Verkaufspraktiken, Störfälle, Unglücke, aber auch Ermittlungen von Behörden mit Hausdurchsuchungen, Verfahren wegen Wettbewerbs- bzw. Kartellrechtsverstößen oder Umweltverstößen. Die Beispiele zeigen, dass fast jedes Unternehmen in eine solche Krisensituation kommen kann. Die Wahr­scheinlichkeit dafür liegt bei fast 100 Prozent. Dabei gilt, je bekannter das Unternehmen bzw. das Produkt ist und je prominenter die Person ist, desto mehr stehen diese im Fokus der Öffentlichkeit und sind damit Objekt der publizistischen Beobachtung. Unternehmen müssen also damit rechnen, Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung zu werden und damit auch in Krisensituationen kommunizieren zu müssen. 

Für die öffentliche Wahrnehmung kann dabei entscheidend sein, wie schnell das Unternehmen sachliche Informationen zur Verfügung stellt. Will das Unternehmen die Deutungshoheit über den Anlass und den Sach­verhalt behalten, muss es schneller sein, als die sogenannten „vermeintlich gut unterrichteten Kreise“ oder „Experten“, die aus den wenigen Fragmenten bekannt gewordener Umstände möglicherweise eine Story zim­mern, die mit den wahren Tatsachen wenig gemein hat. Allerdings prägen die ersten Berichte häufig das Bild in der Öffentlichkeit und die weitere Berichterstattung. Dies gilt besonders für Berichte in Leitmedien, von denen andere Medien wiederum Informationen übernehmen. Es ist daher notwendig, schon vor einer ersten Bericht­erstattung sorgfältig zu prüfen, welche Maßnahmen zur Begrenzung eines möglichen kommunikativen Scha​­dens ergriffen werden können. 

Schnelle und präzise, verlässliche Angaben sind jedoch nicht nur gegenüber den Medien wichtig. Vielmehr ist aufgrund des wahren Sachverhalts zunächst zu entscheiden, wie und gegenüber welchen Adressaten vorrangig kommuniziert werden muss. Zu entscheiden ist mithin, wer in der konkreten Situation die wichtigsten, ersten Ansprechpartner sein sollen. Dies können die eigenen Mitarbeiter sein, um deren Treue zum Unternehmen sicherzustellen. Es können aber auch die Finanzierer der Gesellschaft also Gesellschafter, Aktionäre oder Ban­ken sein. Daneben kommen Kunden, d. h. im Ergebnis die Öffentlichkeit, Behörden, Mitbewerber und natürlich die Medien in Betracht.

Aufgabe hierbei ist es, auf der Grundlage verlässlicher Sachverhaltsinformationen eine glaubhafte und empha­tische Story zu formulieren und diese zu kommunizieren. Dabei muss die Kommunikation gegenüber den ein​­zelnen Adressaten zielgruppengerecht sein. Sie darf aber keinesfalls voneinander abweichende Informa­tionen enthalten – auch nicht in Nuancen – und muss ehrlich sein. Lügen haben gerade in unserer heutigen medialen Welt sehr kurze Beine.

Ist mit falscher oder verzerrender Berichterstattung zu rechnen, ist zu prüfen, ob die eigene Kommunikation durch presserechtliche Hinweisschreiben, also Anwaltspost, flankiert wird. Solche Hinweisschreiben dürfen sich allerdings nicht in – zumeist durchsichtigen – Drohgebärden erschöpfen. Sie müssen vielmehr den wahren Sachverhalt darlegen, also Fakten. Durch die Mitteilung von Fakten wird es den Medien erschwert, anderes zu berichten. Die Anforderungen an eine Berichterstattung über vermeintlich bestehende Verdachtssituationen können durch eine gegebenenfalls sehr detaillierte Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten erheblich gesteigert werden. Da die Medien darüber hinaus auf eine ausgewogene, jede Vorverurteilung vermeidende Berichterstattung achten müssen, kann dies auch im Einzelfall dazu führen, dass von einer Berichterstattung insgesamt Abstand genommen werden muss.

Ist eine Medienberichterstattung bereits erfolgt, ist zu prüfen, ob auf diese nur kommunikativ geantwortet wird oder gegebenenfalls rechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Solche sind unter anderem bei unwahren Tatsa­chenbehauptungen, Meinungsäußerungen, für die keine hinreichende Anhaltspunkte bestehen, Eingriffen in die Intim-, Privat-, eventuell auch Sozialsphäre sowie bei unzulässigen Verdachtsäußerungen möglich. 

Im Falle einer Verdachtsberichterstattung​ ist das Medienunternehmen verpflichtet, zuvor den Betroffenen mit den angeblichen Fakten, über die berichtet werden soll, zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zur Stellung­nahme einzuräumen. Im Rahmen der Krisenkommunikation kommt dieser Konfrontationspflicht der Medien und der Reaktion auf solche Medienanfragen häufig entscheidende Bedeutung für den weiteren Verlauf der öffentlichen Bericht­​erstattung zu. Hier ist sehr sorgfältig abzuwägen, ob und welche Reaktion auf eine Medien­anfrage erfolgen soll. Keinesfalls sollte auf Medienanfragen geantwortet werden, man lehne jede Stellung­nah­me ab. Dies würde die Medien berechtigen, ihrerseits von einer Konfrontation abzusehen. Damit würde der taktische Vorteil verloren gehen, durch die Fragen der Medien zu erfahren, welche Informationen dort vorliegen und in welche Richtung die mögliche Berichterstattung gehen dürfte. Dies können indessen wichtige Informa­tionen für die Ausrichtung der eigenen Kommunikationsstrategie sein. Ist an einem in den Raum gestellten Ver­dacht nichts dran und kann dies nachgewiesen werden, kann es sich empfehlen, zu allen Punkten einer Medien­​anfrage sehr detailliert Stellung zu nehmen, um zu dokumentieren, dass der behauptete Verdacht unzutreffend ist. Dadurch kann mög­licherweise eine Berichterstattung gänzlich verhindert werden.

Derartige Medienanfragen werden meist sehr kurzfristig gestellt. Die von den Medien hierbei gesetzten Fristen erscheinen häufig unangemessen kurz. Zwar wird durch das Setzen einer unangemessen kurzen Frist lediglich eine angemessene Frist in Lauf gesetzt, gleichwohl ist zu empfehlen, derartige Fristen nach Möglichkeit einzu­alten oder um eine Fristverlängerung zu bitten. Trotz des Zwangs zur Schnelligkeit ist es keineswegs ratsam, hektisch oder unüberlegt zu handeln. Vielmehr muss jede Erklärung, jede Maßnahme sorgfältig geprüft werden. Es ist jedes einzelne Wort abzuwägen. Unbedachte Äußerungen können sich auf den weiteren Verlauf der Krise fatal auswirken. Das gilt auch und gerade, wenn zur medialen Krise auch ein Shitstorm gehört. Zwar dauern diese zumeist weniger lang als entsprechende Berichterstattung in den klassischen Medien, die Sensibilität bezüglich unbedachter Äußerungen ist indessen in sozialen Medien und sonstigen Onlinemedien deutlich höher.

Bei der Kommunikation sind ferner häufig unterschiedliche Interessenslagen innerhalb des Unternehmens zu berücksichtigen. Bei einer erfolgten Hausdurchsuchung wird der Strafverteidiger in der Regel raten, zunächst keinerlei Stellungnahme abzugeben, da die Äußerungen möglicherweise das Ermittlungs- und Strafverfahren beeinflussen könnten und zu diesem Zeitpunkt für den Verteidiger der Erkenntnisstand der Ermittlungsbe­​hör­den nicht klar ist. Demgegenüber ist es aus kommunikativer und medienrechtlicher Sicht möglicherweise drin­gend angeraten, offen zu kommunizieren, um ein authentisches, ehrliches Bild in die Öffentlichkeit zu tra­gen und dadurch Vertrauen zu erhalten. Die Interessen können mithin einander diametral gegenüberstehen und sind dann unter Abwägung der jeweiligen möglichen Auswirkungen in einen angemessenen Ausgleich zu brin­gen, damit einerseits z. B. die Strafverteidigung nicht gefährdet wird, aber andererseits die mediale Bericht­erstattung durch entsprechendes Informationsverhalten stimuliert werden kann.

Bei all dem sind die typischen kommunikativen Kardinalfehler zu vermeiden:
  • Abwiegeln und Lügen
  • Salamitaktik
  • Schweigen und Ignorieren
  • Arrogante Reaktion ohne Schuldbewusstsein und ohne Reue bzw. Demut.

Fazit 

Eine Krise kann jeden treffen. Die Wahrscheinlichkeit ist besonders hoch bei bekannten, prominenten Perso­nen oder Unternehmen. Aber, Krisen sind bewältigbar. Dies bedarf der sorgfältigen Vorbereitung auf solche Situationen, wobei Zuständigkeiten, Abläufe und Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmens­​bereiche und etwaiger externer Berater bereits vorab festgelegt werden sollten. Nur mit einer schnellen Reaktion, glaub­haften Aussagen und konsistenten Maßnahmen kann der Betroffene sich die Deutungshoheit über den Sach​­verhalt sichern und größeren Schaden abwenden. Hilfreich sind in solchen Situationen vorhandene, vertrau­ens­­würdige Kommunikationswege zu den Medien, die möglicherweise auch für Hinter­​grundinformationen ge­nutzt werden können. Stets sind kommunikative und rechtliche Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen.​
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