Die wichtigsten Entscheidungen des Obersten Gerichtes Finnlands zu geistigem Eigentum in den Jahren 2020-2023

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​​zuletzt aktualisiert am 16. Mai 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten
Mithilfe zweier aktueller Entscheidungen des Obersten Gerichtes Finnlands soll die Position zum Thema Geistiges Eigentum dargestellt werden. Der erste Fall beschäftigt sich dabei mit der Verletzung von Markenrechten und die zweite Entscheidung befasst sich mit dem Zugang zu Informationen und einem Konflikt zwischen dem Ur­he­ber­recht, der Verarbeitung personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphäre.

     

Markenrecht und gewerbliche Tätigkeit

 
Urteil des Obersten Gerichtes Finnlands zum Aktenzeichen KKO 2020:72
 

 

Hintergrund

Der Fall beschäftigt sich mit einem Unternehmen, welches Inhaber einer internationalen Marke ist, die sich auch auf Finnland erstreckt und für die die Klasse 7 der Klassifikation von Nizza (Waren- und Dienst­leis­tungs­ver­zeichnis) gilt – also technische Maschinenteile („Komponenten“).
 
Im vorliegenden Verfahren hat eine Privatperson aus Finnland 150 Komponenten auch China bestellt. Diese Komponenten wurden dann mit der Marke des Unternehmens versehen, ohne dass das Unternehmen davon Kenntnis hatte oder dem zugestimmt hätte. Kurz nach dem Erhalt der Komponenten hat die Privatperson diese in den Umlauf gebracht und dann nach Russland ausgeführt. Als Entschädigung für seine Tätigkeit erhielt die Privatperson eine Stange Zigaretten und eine Flasche Cognac.
 
Der Fall wurde vor ein Strafgericht gebracht, da eine Wirtschaftsstraftat im Raum stand. Das Unternehmen verlangte eine Entschädigung für die unrechtmäßige Verwendung seiner Marke sowie den Ersatz des durch die Verletzung der Marke entstandenen Schadens. Das Unternehmen erklärte, dass seine Marke weithin bekannt sei und dass das Vorgehen der Privatperson bei der Einfuhr minderwertiger nachgeahmter Produkte geeignet gewesen sei, dem Ruf des Unternehmens erheblichen Schaden zuzufügen.
 

Anwendbares Recht

Gemäß § 4 Abs. 1 des finnischen Markengesetzes (1964/7, geändert durch 56/2000)[1]  darf niemand außer dem Inhaber der Marke in seinem Geschäftsbetrieb (sei es auf den Waren selbst oder auf ihrer Verpackung, in der Werbung usw.) ein Zeichen verwenden, das mit der Marke verwechselt werden kann.
 
Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Markenrichtlinie 2008/95/EG[2]  ist der Markeninhaber berechtigt, Dritten zu verbieten, ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist.
 

Ersuchen um Vorabentscheidung

Das Oberste Gericht Finnlands legte dem Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
  1. ob die Höhe des Vorteils, den eine Privatperson aus einer Markenverletzung zieht, für die Beurteilung der Frage relevant ist, ob ihr Vorgehen eine Benutzung der Marke im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Marken­richtlinie darstellt.
  2. ob eine Privatperson das ausschließliche Recht des Markeninhabers an der Marke verletzen kann, wenn sie die Marke nicht in ihrem eigenen Unternehmen benutzt, sondern diese im Rahmen der Geschäftstätigkeit eines anderen benutzt.
  3. ob für die Definition der Einfuhr im Rahmen des ausschließlichen Rechts des Markeninhabers der Umstand relevant ist, dass die Waren zum Weitertransport in ein Land außerhalb der Europäischen Union eingeführt wurden. 
 
In seiner Vorabentscheidung stellte der EuGH fest, dass selbst dann, wenn eine Person keine gewerbliche Tätigkeit ausübt, sie jedoch Waren bezieht oder in den freien Verkehr eines Mitgliedstaates überführt und/oder sie über Waren verfügt, die eindeutig nicht für den privaten Gebrauch bestimmt sind und die ohne Zustimmung des Markeninhabers mit einer Marke versehen sind, die Handlungen dieser Person als Benutzung der Marke im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit angesehen werden. 
 
Der EuGH entschied, dass es für die Feststellung dessen, ob es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, unerheblich ist, wer Eigentümer der mit der Marke versehenen Komponenten ist. Die Tatsache, dass eine Person solche Waren eingeführt und in den freien Verkehr überführt hat, reicht aus, um nachzuweisen, dass sie diese Tätigkeiten im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit ausgeübt hat. Es ist nicht erforderlich, festzustellen, in welcher Weise über die Waren anschließend verfahren wurde. Ebenso wenig kommt es auf die Höhe des Entgelts an, das der Einführer für seine Handlungen erhalten hat.
 

Schlussfolgerung

Das Oberste Gericht Finnlands entschied, dass die Privatperson das ausschließliche Recht des Unternehmens an der Marke gemäß § 4 Absatz 1 des finnischen Markengesetzes verletzt hat. Das Urteil des Berufungsgerichts muss daher aufgehoben werden.
 

Urheberrecht und Datenschutz

 
Urteil des Obersten Gerichtes Finnlands Aktenzeichen KKO 2022:47

 

Hintergrund

In diesem Fall wurde urheberrechtlich geschütztes Material eines Unternehmens ohne dessen Genehmigung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus dem Grund forderte das Unternehmen den Internetdienstanbieter gemäß § 60a des finnischen Urheberrechtsgesetzes dazu auf, die Teilnehmerdaten von 34 durch IP-Adressen bezeichnete Konten offen zu legen, die für die Veröffentlichung verantwortlich waren.
 
Die vorgelegten Beweise deuteten darauf hin, dass jedes der gegenständlichen Konten dazu benutzt worden war, einen von vier Filmen mit Hilfe der BitTorrent-Technologie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das sog. Marktgericht[3]  ordnete an, dass der Internetdienstanbieter die Teilnehmerdaten für fünf der Konten offen­legen müsse, und wies die Klage im Übrigen ab. Sowohl der Internetdienstanbieter als auch das Unternehmen legten vor dem Obersten Gericht Finnlands Berufung ein.
 
Vor dem Obersten Gericht ging es um die Frage, ob urheberrechtlich geschütztes Material der Öffentlichkeit in einem für den Urheberrechtsschutz bedeutsamen Umfang zugänglich gemacht wurde und ob die Rechts­vor­schrif­ten über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre – hier einer Anord­nung zur Offenlegung der Teilnehmerdaten durch den Internetdienstanbieter an das Unternehmen – entgegen­stehen.
 

Anwendbares Recht

Nach § 60a Abs. 1 des finnischen Urheberrechtsgesetzes hat der Urheber (unbeschadet der Vorschriften über die Geheimhaltung und den Zugang zu Informationen) das Recht, eine bestimmte gerichtliche Anordnung einzufordern, mit der der Betreiber eines Senders, Servers oder einer ähnlichen Einrichtung verpflichtet wird, die Teilnehmerdaten eines Kontos offenzulegen, über das urheberrechtlich geschütztes Material unbefugt und in einem für den Urheberrechtsschutz erheblichen Umfang öffentlich zugänglich gemacht wird.[4]
 

Kein Ersuchen um Vorabentscheidung

Nach Ansicht des Internetdienstanbieters hätte das Oberste Gericht Finnlands den Fall dem EuGH zur Vorab­ent­scheidung über die Frage vorlegen müssen, ob § 60a des finnischen Urheberrechtsgesetzes mit dem EU-Recht vereinbar ist. 
 
Auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des EuGH stellte das Oberste Gericht Finnlands fest, dass das EU-Recht der nationalen Gesetzgebung über die Offenlegung von Teilnehmerdaten nicht entgegenstehe. Es gäbe keinen Grund, § 60a des finnischen Urheberrechtsgesetzes unter Verweis auf den Vorrang des EU-Rechts zu ignorieren oder die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen.
 

Schlussfolgerung

Das Oberste Gericht Finnlands stellte fest, dass es für die öffentliche Zugänglichmachung ausreicht, dass die Öffentlichkeit an einem Ort ihrer Wahl und zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl Zugang zu dem Werk hat, und dass nicht entscheidend ist, ob Personen (die Öffentlichkeit) von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Die Ausgabe eines Beschlusses über die Offenlegung von Daten im Sinne des § 60a Abs. 1 des finnischen Urhe­ber­rechtsgesetzes ist bereits aufgrund der Zugänglichmachung eines einzigen Werkes möglich.
 
Das Oberste Gericht Finnlands entschied, dass die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschütztem Material in diesem Fall umfangreich und für den Schutz der Rechte des Urhebers nachteilig war. Die Offenlegung der fraglichen Kontaktinformationen steht im Einklang mit dem Ziel, ein angemessenes Gleich­gewicht zwischen dem Recht des Inhabers der Urheberrechte – also des Unternehmens – auf Information und dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer sowie dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten als Teil davon herzustellen. Der Fall kann daher nicht als ein Hindernis für die Offenlegung von Kontaktinformationen auf­grund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angesehen werden.
 
Auf der Grundlage der vorgenannten Kriterien ist das Oberste Gericht der Auffassung, dass dem Internet­dienst­anbieter anzuordnen ist, dem Unternehmen nicht nur die Kontaktdaten des Nutzers und des Teilnehmers, son­dern auch die der Kommunikationsschnittstellen offen zu legen, bezüglich denen der Antrag vom Marktgericht abgelehnt wurde.
 

Zusammenfassung

Die erste Entscheidung bringt Klarheit darüber, was eine geschäftliche Tätigkeit ist. Der EuGH stellte fest, dass eine Privatperson, die selbst keine gewerbliche Tätigkeit ausübte, Waren bezog und mit der Marke eines Unternehmens in Umlauf brachte. Das stellt eine Verwendung der Marke im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit dar. Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass das Eigentum an den Komponenten und die Höhe der des Unternehmens erhaltenen Entschädigung für die Feststellung der Markenverletzung unerheblich sind. Auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs kam das Oberste Gericht Finnlands zu dem Schluss, dass die Person das ausschließliche Recht des Unternehmens an der Marke verletzt hatte. Infolgedessen wurde das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben.
 
In der zweiten Rechtssache ging es um die Frage, ob ein Internetdienstanbieter verpflichtet werden kann, die Teilnehmerdaten von Konten offenzulegen, die in einer Urheberrechtsverletzung involviert sind. Es ging um die Abwägung zwischen dem Recht des Inhabers der Urheberrechte auf Information und dem Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielte bei der Entscheidung des Gerichts eine wichtige Rolle. Als Ergebnis ordnete das Oberste Gericht Finnlands an, dass der Internetdienstanbieter die Teilnehmerdaten offenlegen muss, da dies seiner Auffassung nach in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Urheberrechtsverletzung steht.
 


[1] Quelle: nicht mehr gültig, ersetzt durch ein neues Markengesetz (544/2019), §5
[2] Quelle: nicht mehr gültig, ersetzt durch die neue Markenrichtlinie 2015/2436
[3] Quelle: Ein unabhängiges und unparteiisches Sondergericht, das dem finnischen Justizministerium unterstellt ist. Das Gericht befasst sich mit Fällen, die das Marktrecht, das Wettbewerbsrecht, Aufsichtsangelegenheiten, das öffentliche Auftragswesen und Rechte an geistigem Eigentum betreffen.
[4] Quelle: Relevantes EU-Recht folgt aus den Richtlinien 2001/29/EG, 2002/58/EG und 2004/48/EG sowie aus der Verordnung (EU) 2016/679. Das Oberste Gericht Finnland diskutierte auch die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (z.B. M.I.C.M., C-597/19, Bonnier Audio, C-461/10, und Promusicae, C-275/06).
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