Frankreich: Umsetzung der Omnibus-Richtlinie – Stärkung des Verbraucherschutzes

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veröffentlicht am 9. Juni 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

Autoren: Fabien Stade und Eva Meron

 

Angesichts der Entwicklung digitaler Plattformen und neuer Praktiken im Online-Han­del und in Fortführung der Verordnung Platform to Business (Verordnung (EU) 2019/1150 vom 20. Juni 2019), die einen Rahmen für die Handelsbeziehungen zwischen Online-Vermittlungsplattformen und Nutzerunternehmen, die ihre Waren auf diesen Plattformen anbieten, schaffen soll, wurden dieses Mal die gesetzlichen Bestim­mun­gen zum Verbraucherschutz durch die Verordnung zur Umsetzung der europäischen Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161 vom 27. November 2019) in nationales Recht gestärkt.

         



  
 
Ab dem 28. Mai 2022 müssen Unternehmen die neuen Maßnahmen einhalten, die durch die Omnibus-Richt­linie in Bezug auf irreführende Handelspraktiken, missbräuchliche Klauseln und im Fernabsatz geschlossene Verträge, insbesondere im digitalen Bereich, eingeführt wurden, und sich dem Risiko verschärfter Sanktionen stellen.
 
Die neuen Bestimmungen sollen bestimmte Praktiken des Online-Handels regulieren und dabei der doppelten Notwendigkeit Rechnung tragen, die bestehenden Regeln an die digitale Transformation anzupassen und ihre Wirksamkeit angesichts des wachsenden Risikos von Verstößen auf europäischer Ebene zu erhöhen.
 
Im Folgenden bieten wir Ihnen einen Überblick über diese neuen Regeln.
 

Neue Definitionen

Die Verordnung führt neue Definitionen innerhalb des einleitenden Artikels des Verbrauchergesetzbuches ein, die sich auf Online-Marktplätze, Betreiber von Online-Marktplätzen und Handelspraktiken beziehen.
  

Eine Verschärfung der Vorschriften gegen irreführende Handelspraktiken

Den Bestimmungen des Verbrauchergesetzbuchs wurden neue irreführende Handelspraktiken hinzugefügt, von denen einige darauf abzielen, die Vorschriften über irreführende Handelspraktiken an die digitale Wirtschaft anzupassen.
 
Zu den irreführenden Handelspraktiken, d.h. die das wirtschaftliche Verhalten des Durch­schnitts­ver­brau­chers wesentlich verändern oder zu verändern geeignet sind, und deren Irreführungscharakter im Einzelfall beurteilt wird, werden dem Verbrauchergesetzbuch die folgenden irreführenden Handelspraktiken hinzugefügt:
  • Die Darstellung einer Ware als identisch mit einer Ware, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ver­mark­tet wird, obwohl sie eine andere Zusammensetzung oder andere Merkmale aufweist (Art. L. 121-2, 4° des Verbrauchergesetzbuchs);
  • Das Fehlen der Angabe bestimmter wesentlicher Informationen für jede kommerzielle Kommunikation, die eine Aufforderung zum Kauf darstellt
    Die Verordnung fügt der Liste in Artikel L. 121-3 des Verbraucherschutzgesetzes drei neue Informationen hinzu, die künftig in solchen kommerziellen Kommunikationen enthalten sein müssen:
    • ob der Verkäufer auf einem Online-Marktplatz ein Gewerbetreibender ist oder nicht
    • gegebenenfalls die wichtigsten Parameter, die die Rangfolge der Produkte bestimmen, die dem Verbraucher auf einer Online-Schnittstelle präsentiert werden, sowie die Reihenfolge ihrer Wichtigkeit.
  • Das Fehlen der Angabe des zuvor vom Gewerbetreibenden verlangten Preises in jeder Ankündigung einer Preissenkung:
    In dem Bestreben, Ankündigungen von Preisnachlässen zu bekämpfen, die auf der Grundlage von auf­ge­bläh­ten Referenzpreisen berechnet werden und die die ordnungsgemäße Information der Verbraucher über die Realität der Werbeaktion beeinträchtigen, führt die Verordnung ein strengeres System für die Ankündigung von Preisnachlässen wieder ein, indem sie den Gewerbetreibenden verpflichtet, in jeder Ankündigung eines Preisnachlasses den früheren Preis anzugeben, den der Gewerbetreibende vor der Preissenkung praktiziert hat.
  •  
    Die Verordnung erweitert auch die Liste der Praktiken, die unter allen Umständen als irreführend gelten. So gelten künftig folgende Praktiken als irreführend (Art. L. 121-4, 25° bis 28° des Verbrauchergesetzbuchs):
    • Suchergebnisse als Antwort auf eine Online-Anfrage eines Verbrauchers zu liefern, ohne ihn klar über jeg­liche Zahlungen zu informieren, die speziell von einem Dritten geleistet wurden, um eine bessere Platzierung von Produkten zu erreichen;
    • der Weiterverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher durch den Einsatz eines auto­ma­ti­sier­ten Mittels, mit dem die Beschränkung oder das Verbot des Weiterverkaufs dieser Eintrittskarten umgangen werden kann;
    • falsche Verbreitung von Meinungen oder Empfehlungen von Verbrauchern (eigenständig oder durch Dritte);

Stärkerer Rahmen für Verträge, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäfts­räu­men geschlossen werden

Die Verordnung ändert mehrere Artikel des Verbrauchergesetzbuchs über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge:

  • Die Ausweitung der Regelung, der im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Ver­träge, auf Verträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte ohne materiellen Träger (z. B. Anwendungen, audio­visuelle Dateien, E-Books usw.) oder die Erbringung einer digitalen Dienstleistung gegen die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Nutzer zum Gegenstand haben (z. B. Zugang zu einem sozialen Netz­werk, Streaming-Zugang zu Videos usw.);
  • die Zusammenfassung der Liste aller vorvertraglichen Informationen, die dem Verbraucher mitgeteilt werden müssen, in einem einzigen Artikel (Artikel L. 221-5 des Verbrauchergesetzbuchs) und Einfügen einer Verpflichtung, den Verbraucher über die Anwendung eines personalisierten Preises auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung zu informieren;
  • Stärkung des Verbraucherschutzes vor unerwünschten Hausbesuchen, indem er jeden unerwünschten Besuch eines Gewerbetreibenden in der Wohnung eines Verbrauchers verbietet, um ein Produkt zu verkaufen oder eine Dienstleistung zu erbringen, wenn der Verbraucher klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht Gegenstand eines solchen Besuchs sein möchte (Art. L. 221-10-1 neu des Verbrau­chergesetzbuchs);
  • Die Bedingungsfestlegung, unter derer die Erfüllung eines Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist des Ver­brau­chers beginnen kann. Hierzu muss der Gewerbetreibende die vorherige ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers und eine Anerkennung des Verlustes seines Widerrufsrechts durch den Verbraucher eingeholt haben. 
  • die Anpassung der Bedingungen für den Widerruf von Verträgen über digitale Inhalte und Dienstleistungen.
 

Strafen von bis zu 4 Prozent des Umsatzes

Die Verordnung führt ein „System wirksamer, abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen für grenz­über­schreitende Verstöße von erheblicher Bedeutung[1] ein, d. h. Verstöße, die mindestens drei Mitgliedstaaten betreffen, wie z. B. bestimmte unlautere Handelspraktiken oder das Vorhandensein missbräuchlicher Klauseln in seinen Vertragsunterlagen. Zur Ahndung dieser Verstöße werden neue zivilrechtliche Geldbußen eingeführt, deren Höhe auf 4 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes in den letzten drei Geschäftsjahren, die zum Zeit­punkt der Entscheidung bekannt waren, oder auf 2 Millionen Euro, wenn keine ausreichenden Informationen über den Umsatz verfügbar sind, erhöht werden kann (Art. L. 241-1-1 und L. 132-1 A des Verbraucher­ge­setz­buchs).
 
Schließlich verschärft der Text die Sanktionen für Verstöße gegen die vorvertraglichen Informationspflichten in Bezug auf das Bestehen und die Modalitäten der Inanspruchnahme der gesetzlichen und etwaigen kom­mer­ziellen Garantien sowie des Kundendienstes. Der Höchstbetrag der Verwaltungsstrafe bei Verstößen gegen diese Pflichten wird auf 15 000 EUR für natürliche Personen und 75 000 EUR für juristische Personen ange­hoben (Art. L. 131-1-1 neu des Verbrauchergesetzbuchs).
 
Die gleiche Sanktion wird bei Verstößen gegen die vorvertraglichen Informationspflichten bei Fernabsatz­ver­trägen verhängt (Art. L.242-10 n. F. des Verbrauchergesetzbuchs). Die Höhe der Geldstrafe kann auf 4 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes erhöht werden, wenn ein Verstoß von großem Ausmaß vorliegt, der im Rahmen eines Amtshilfeersuchens geahndet wird (Art. L. 242-14-1 neu des Verbrauchergesetzbuchs).
 
Die Gefahr, dass hohe Sanktionen verhängt werden, ist umso größer, als der Verfassungsrat in einer Entschei­dung vom 13. März 2022 als Antwort auf eine vorrangige Frage zur Verfassungsmäßigkeit gerade an die Mög­lichkeit erinnert hat, Verwaltungssanktionen, die für unterschiedliche Verstöße verhängt wurden, zu kumulieren.
 
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