Arbeitsrechtliche Aspekte der Hinweisgeberrichtlinie

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veröffentlicht am 6. Juli 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

Der Zeitplan steht: Bis zum 17. Dezember 2021 haben die Mitgliedstaaten, die auch als Whistleblower-Richtlinie bekannte EU-Hinweisgeberrichtlinie umzusetzen. Auch Unternehmen müssen sich bis dahin rüsten, sieht die Richtlinie doch neben der Einrichtung von externen Meldekanälen auch die Implementierung zuverlässig funktionierender interner Meldekanäle für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftig­ten bzw. einem Umsatz von mindestens 10 Mio. Euro im Jahr und für Kommunen ab 10.000 Einwohnern vor. Zugleich wird die Richtlinie den Schutz vor Repressalien stärken, um so potenziellen Hinweisgebern die Angst zu nehmen.

  

  

ARBEITSRECHTLICHER STATUS QUO

Die aktuelle Rechtslage schützt Hinweisgeber nicht aktiv, sondern allenfalls mit spezialgesetzlichen Regelungen wie §§ 84 f. BetrVG. Dort sind Beschwerderechte von Arbeitnehmern gegenüber dem des Betriebsrat verankert. Ein umfassender Schutz von Hinweisgebern ist das jedoch nicht und wird auch durch das Maßregelungsverbot des § 612a BGB nicht geschaffen.

Vielmehr konkurrieren im Einzelfall die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an der Offenlegung der Information mit dem Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers. Diese Interessenkollision wird nur dann eindeutig zu Gunsten des Arbeitnehmers aufgelöst, wenn er gesetzlich oder vertraglich zur Erstattung einer Strafanzeige oder zumindest zur Offenbarung der Information gegenüber einer bestimmten Stelle verpflichtet ist oder sich andernfalls selbst einem Strafverfolgungsrisiko aussetzen würde.

Liegt ein solcher Fall jedoch nicht vor, scheinen arbeitsrechtliche Sanktionen zumindest nicht ausgeschlossen, denn der Arbeitnehmer sieht sich einer für ihn wenig kalkulierbaren umfassenden Interessenabwägung des Gerichts im Einzelfall gegenüber, in der die Motivation des Arbeitnehmers, die Berechtigung der Anzeige und Alternativen sowie der Image-Schaden des Arbeitgebers und dessen Geheimhaltungsinteresse Berücksichtigung finden. 
 

AUSWIRKUNGEN DER HINWEISGEBERRICHTLINE

Die Richtlinie macht das Verbot von Repressalien nun sehr konkret und formuliert einen Katalog, der nicht abschließend („insbesondere“) ist, aber doch klar die Richtung vorgibt. Danach sind diese Repressalien bzw. schon deren Androhung durch Arbeitgeber bei der Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten auszuschließen:
  1. Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen; 
  2. Herabstufung oder Versagung einer Beförderung; 
  3. Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit; 
  4. Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen; 
  5. negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses;
  6. Disziplinarmaßnahme, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen; 
  7. Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung; 
  8. Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung; 
  9. Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen; 
  10. Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags; 
  11. Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste); 
  12. Erfassung des Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“ auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet; 
  13. vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen; 
  14. Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung; 
  15. psychiatrische oder ärztliche Überweisungen.
  
Viele aktive Handlungen sind auch nach geltendem Recht bereits verboten. So durften Arbeitgeber auch bislang schon nicht mobben, Gehalt mindern, ungerechtfertigt schlechte Arbeitszeugnisse ausstellen, Ausgrenzen usw. 
 
Allerdings geht die Richtlinie nun weiter und erfasst auch das Unterlassen bestimmter Handlungen, die den Arbeitnehmer begünstigen wie das Entfristen eines Arbeitsvertrags, eine Gehaltserhöhung oder Beförderung. Interessant ist hier insbesondere, dass die Richtlinie die Wirksamkeit dieser Verbote durch eine Beweislastumkehr untermauert: Künftig werden Arbeitgeber beweisen müssen, dass ihr Unterlassen einer der oben genannten Handlungen nicht im Zusammenhang mit einem zuvor erfolgten Hinweis des Arbeitgebers steht. Das ist neu, musste doch bisher der Arbeitnehmer Beweis dafür antreten, dass ein Tun bzw. Unterlassen seines Arbeitgebers als Reaktion auf seinen Hinweis und damit repressiv erfolgt.

Neu ist auch, dass die Motivation des Arbeitnehmers keine Rolle mehr spielen darf, also nicht mehr wie bisher der richterlichen Würdigung unterliegt. Und auch ob sich der Hinweis als zutreffend herausstellt, spielt für diesen Schutz künftig keine Rolle.

HANDLUNGSPFLICHT DES ARBEITGEBERS UND STAND DER UMSETZUNG

Der Arbeitgeber ist also gut beraten, das geforderte interne Meldesystem aktiv umzusetzen und anzubieten, schon um den Öffentlichkeitscharakter zu vermeiden, den ein Hinweis an ein externes Meldesystem mit sich bringt. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass vor der Bundestagswahl im Herbst die Umsetzung der Richtlinie noch konkrete Formen annimmt und daher wichtige Fragen der Umsetzung mindestens bis in den Herbst ungeklärt bleiben. So ist bspw. offen, ob der deutsche Gesetzgeber den auf Unionsrecht begrenzten Schutz der Richtlinie auf nationales Recht ausdehnt. Davon ist freilich nach dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf auszugehen, allerdings ist angesichts des anstehenden Regierungswechsels offen, ob dieser Gesetzentwurf zur Umsetzung gelangt.

In jedem Fall aber treffen den Arbeitgeber Handlungspflichten bis zum 17. Dezember 2021. Und angesichts der inzwischen im Markt vorhandenen Spezialanbieter für Hinweisgebersysteme sind Arbeitgeber auch handlungsfähig. 

MITBESTIMMUNG DES BETRIEBSRATS

Die Einführung von Hinweisgebersystemen kann Beteiligungsrechte des Betriebsrats auslösen und sollte auch deshalb frühzeitig in die Wege geleitet werden. 

So beabsichtigen viele Unternehmen, die Umsetzung der Richtlinie proaktiv mit einer Verpflichtung der Mitarbeiter zur Meldung von Missständen auszugestalten, da sie die Chance erkennen, aus diesen Hinweisen zu lernen. Diese Verpflichtung dürfte allerdings die Ordnung des Betriebs berühren und so die zwingende Mitbestimmung des § 87 Nr. 1 BetrVG auslösen. Zudem kann das interne Meldesystem als technische Einrichtung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ausgestaltet sein und auch deshalb der zwingenden Mitbestimmung unterliegen. Eine Missachtung dieser Mitbestimmungsrechte stellt die Wirksamkeit des gesamten internen Meldesystems in Frage.

Daneben können dem Betriebsrat Mitwirkungsrechte zustehen.
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