What could possibly go wrong? – Betriebsprüfungen durch DRV und Zoll

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 2. April​ 2025 | Lesedauer ca. 6 Minuten
 

Ihrem Unternehmen wird eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bekanntgegeben? Kein Grund zur Sorge für die Unternehmen mit gut aufgestellter Lohn- und Finanzbuchhaltung bzw. Personalabteilung. Oder? Was kann schon schief gehen? ​Leider theoretisch eine ganze Menge. Zwar lassen sich derartige Prüfungen in der Regel gut vor- bzw. nachbereiten; der Teufel steckt allerdings – wie so oft – im Detail. Es bestehen regelmäßig mehr rechtliche Risiken, als betroffenen Unternehmen bzw. deren Verantwortlichen auf den ersten Blick bewusst ist. Im Folgenden daher ein kurzer Überblick:

 

 

Prüfungsumfang und Prüfungsschwerpunkte der DRV​​

Betriebsprüfungen der DRV werden häufig durch Informationsaustausch mit anderen Behörden, insbesondere Finanzamt oder Zoll, ausgelöst. Diese sind gesetzlich verpflichtet, auffällige Sachverhalte und sozialversicherungsrechtliche Verstöße, die sie im Rahmen ihrer eigenen Prüfungen identifizieren, an die DRV weiterzuleiten. Zudem können interne Meldungen, etwa durch Whistleblower, oder sonstige anonyme Hinweise, oftmals infolge des Ausscheidens von Mitarbeitenden, Anlass für eine Prüfung sein. 

Auch ohne konkreten Verdacht führen die Rentenversicherungsträger nahezu routinemäßig in vielen Unternehmen mindestens alle vier Jahre eine Betriebsprüfung zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch. In der Regel werden die betroffenen Unternehmen einige Wochen vor der Prüfung telefonisch kontaktiert und erhalten spätestens 14 Tage vor Prüfbeginn eine schriftliche Prüfankündigung. 

Für Unternehmen, die einer Rentenversicherungsprüfung unterzogen werden, besteht neben dem Risiko beträchtlicher Nachzahlungsforderungen der Sozialversicherungsträger die Gefahr der Aufdeckung strafrechtlich relevanter Sachverhalte. Genauer droht die Verfolgung verantwortlich handelnder Personen wegen Zuwenig- bzw. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a StGB. 

Allgemein bergen bestimmte sozialversicherungsrechtliche Themengebiete für alle Arbeitgeber ein besonders hohes Fehlerpotenzial. Dazu gehören unternehmensseitig vorgenommene Beurteilungen zur Versicherungspflicht bzw. -freiheit von Beschäftigungsverhältnissen, weshalb diese in den letzten Jahren besonders im Fokus stehen. Die häufigsten Risikoquellen sollen im Folgenden kurz skizziert werden:

Scheinselbstständigkeit​​

Typischerweise liegt ein Schwerpunkt der DRV-Prüfung auf der Klärung des Erwerbsstatus von Personen, also der Feststellung, ob diese als selbstständig oder abhängig beschäftigt zu qualifizieren sind, und in diesem Zusammenhang, ob pflichtwidrig Beiträge an die Sozialversicherungsträger nicht entrichtet wurden. Die DRV fordert regelmäßig das Buchungskonto „Fremdleistungen“ an, um z.B. alle Zahlungen an Honorarkräfte identifizieren zu können. Ist bisher eine fehlerhafte Einstufung erfolgt und liegt damit sog. Scheinselbständigkeit vor, muss der Arbeitgeber sowohl seinen als auch den Arbeitnehmeranteil rückwirkend tragen.

Zum Thema der Scheinselbstständigen stellt die jüngere BSG-Rechtsprechung (BSG, 20.07.2023 – B 12 R 15/21 R) klar: Bei der Zusammenarbeit mit Ein-Personen-GmbHs ist besondere Vorsicht geboten. Zwar schließt die Beauftragung einer juristischen Person ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich aus; anders jedoch, wenn die tatsächliche Durchführung von Weisungsgebundenheit und persönlicher Eingliederung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers gekennzeichnet ist. Die Ein-Personen-GmbH schützt somit nicht automatisch vor dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit und den daraus folgenden Nachzahlungspflichten und Strafbarkeitsrisiken. 


​Geringfügig Beschäftigte ​

Daneben liegt ein besonderes Augenmerk innerhalb der Prüfung auf geringfügig Beschäftigten bzw. sog. „Minijobbern“. Häufig werden Überstunden in unzulässiger Weise aufgebaut, aufgezeichnet oder ausgeglichen. So kommt es möglicherweise zur Entstehung von sog. „Phantomlohn“, einem fiktiven Sozialversicherungs-Brutto, welches schon im Zeitpunkt der Entstehung des Lohanspruchs als Grundlage für die Verbeitragung heranzuziehen gewesen wäre. Oftmals kommt es zu Überschreitungen der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenzen. Dies führt über die Jahre zu erheblichen Differenzbeträge zwischen den tatsächlich abgeführten, pauschalen Sozialversicherungsbeiträgen und den eigentlich fälligen auf, ohne, dass die Beteiligten sich des Problems bewusst sind.


Ausgangspunkt für weitere Erm​ittlungen

​Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer stehen, wie dargestellt, zudem in diesen Konstellationen regelmäßig im Austausch mit Behörden, wie Finanzämtern oder dem Zoll. Sie sind mitunter verpflichtet, auffällige Prüfungsfeststellungen an die Behörden weiterzugeben. Die Betriebsprüfung im vorgenannten Sinn ist mithin häufig nur das „Einfallstor“ für weiterführende Ermittlungen und lösen weitere Konsequenzen aus. 


Lohnsteuer​​

Bei ihren Betriebsprüfungen steht die DRV regelmäßig im engen Austausch mit dem zuständigen Lohnsteuerfinanzamt. Sachverhalte, die aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht als problematisch erachtet werden, haben regelmäßig auch lohnsteuerliche Relevanz.

Die geschäftsführenden Personen können sich daher nach durchgeführter DRV-Prüfung – z.B. wegen der Beschäftigung von Scheinselbstständigen oder unzulässigem Aufbau von Überstundensalden durch Minijobber – dem Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung ausgesetzt sehen. Außerdem müssen neben der Geschäftsleitung auch Angestellte, die das Unternehmen bei der Erledigung steuerlicher Aufgaben unterstützen, mit der Verhängung eines Bußgelds wegen leichtfertiger Steuerverkürzung rechnen. Eine Verletzung von Aufsichtspflichten kann dann zu einer weitergehenden Ahndung der Unternehmensinhaber führen. 


Umsatzsteuer​

Neben die lohnsteuerliche Dimension tritt nicht selten auch eine umsatzsteuerliche. Dies gilt z.B. bei bestimmten Sachzuwendungen durch den Arbeitgeber. Bei festgestellter Scheinselbstständigkeit beispielsweise kommt es aufgrund falsch gestellter Rechnungen häufig zu unberechtigterweise erstatteten Vorsteuerrückzahlungen, weshalb auch eine Korrektur in dieser Hinsicht erforderlich wird, um eine Strafbarkeit wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu vermeiden.


„Schwarzarbeit“​

Im Fall entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte informieren Prüferinnen und Prüfer gegebenenfalls auch das zuständige (Haupt-)Zollamt. Insoweit hat der Gesetzgeber der Zollverwaltung weitreichende eigene Prüfungs- und Ermittlungsbefugnisse eingeräumt (sog. Finanz-kontrolle Schwarzarbeit – FKS). Zu den Prüfungsaufgaben nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) gehören neben der Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit Dienst- und Werkverträgen u.a. die Einhaltung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes, der Arbeitnehmerüberlassung und des Mindestlohns. Im Fall des Verstoßes kann der Zoll selbst Ermittlungsverfahren einleiten; zahlreiche der vorgenannten Vorschriften sind mit Strafe oder zumindest mit Geldbuße bewehrt. 


Arbeitszeit

Auch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind mitunter straf- oder bußgeldbewährt. Sie treten typischerweise im Rahmen von Betriebsprüfungen der DRV oder des Zoll zutage, da sich die geprüften Unterlagen (z.B. beim Mindestlohn) de facto überscheiden. Zuständig zur Überwachung der Einhaltung sind die nach dem jeweiligen Landesrecht zuständigen Behörden, üblicherweise die Gewerbeaufsichtsämter der Regierungen.


Mitwirkungspflicht vs. Auskunftsverweigerungsrecht​

Im Rahmen der vorgenannten Prüfungssituationen sind Betroffene üblicherweise zur Mitwirkung verpflichtet. Erforderliche Angaben müssen gemacht, angefragte Unterlagen vorgelegt werden. Das gesamte Prozedere wird folglich dauerhaft von der latenten Gefahr überschattet, wegen Rechtsverstößen durch (Geld- oder sogar Freiheits-)Strafe oder Bußgeld zur Verantwortung gezogen zu werden. Die „Verantwortung“ in diesem Sinn, trifft dabei in erster Linie die Geschäftsleitung. Entsprechende Prozesse und Compliance-Strukturen können zwar in gewissem Umfang entlastend wirken; dazu müssen sie aber in den Augen der Prüferin bzw. des Prüfers nicht nur angemessen, sondern auch wirksam sein. 

In bestimmten Situationen können Auskünfte auch berechtigterweise verweigert werden, wenn etwa die Gefahr bestünde, sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen. Die Grenze zwischen Mitwirkungspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht ist indessen fließend. Der genaue Verlauf ist auch Prüferinnen und Prüfern häufig nicht bekannt. Umso wichtiger ist es, die eigenen Rechte in jedem Verfahrensstadium zu kennen. Dabei sollte stets auch das Risiko einer unangekündigten Durchsuchung durch Ermittlungsbehörden, wie das Finanz- oder Hauptzollamt, angemessen abgewogen werden.

Rolle der „Selbstanzeige“

Hier gilt: Nach der Prüfung ist vor der Prüfung. Insbesondere sind alle Erkenntnisse in den Folgejahren umzusetzen. Spätestens mit der Anfrage bzw. Abstimmung eines Prüfungstermins gilt es sich auf die nächste Prüfung vorzubereiten und die bisherige Praxis zu hinterfragen. Hierbei ist zu beachten, dass die Prüfungsanordnung eine steuerliche Korrektur in Form einer Selbstanzeige für die Prüfungsjahre sperrt und insoweit nicht mehr strafbefreiend abgegeben werden kann. Im Fall einer Korrektur bei der Sozialversicherung sind die Fristen sehr knapp und üblicherweise bereits abgelaufen. Um dann eine entsprechende Strategie des Vorgehens in beider Hinsicht festlegen zu können, ist eine gründliche Sachverhaltsaufarbeitung im Vorfeld von doppelter Bedeutung ist: einerseits Vorbereitung der künftigen Betriebsprüfung und andererseits Aufarbeitung etwaiger Fehler in der Vergangenheit.

Außerhalb des Steuerverfahrens gibt es im Übrigen grundsätzlich keine gesetzlich geregelte strafbefreiende Selbstanzeige. Ob bzw. inwieweit eine „Selbstanzeige“ gleichwohl auch in den anderen vorgenannten Bereichen in Betracht kommt, kann nur im Einzelfall nach sorgfältiger Prüfung entschieden werden. 

Fazit und Handlungsempfehlung

​Geht einem Unternehmen die Ankündigung einer Betriebsprüfung durch die DRV zu, haben dessen Verantwortliche bzw. Beschäftigte regelmäßig arbeitssame Wochen vor sich – denn schiefgehen kann, wie dargestellt, eine ganze Menge. Bei der Vorbereitung auf die einzelnen Teilbereiche der Prüfung sowie der entsprechenden Unterlagen, sollten die vorgenannten typischen Risiken für den eigenen Betrieb ermittelt, analysiert und entsprechend adressiert werden. Eine sorgfältige Vorbereitung ist mitunter zeitaufwändig und – abhängig von Art und Umfang etwaiger Findings und des entsprechenden Korrekturbedarfs – unter anderem auch nervenaufreibend. Es ist also unerlässlich, die Prüfungsanordnung nicht „auf die lange Bank zu schieben“, sondern die Themen möglichst frühzeitig und unter Rückgriff auf rechtliche Unterstützung anzugehen.​​

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