Green Claims oder Greenwashing? – Zur Zulässigkeit grüner und nachhaltiger Werbung – Status Quo

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​​zuletzt aktualisiert am 25. Juni 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


In einer Zeit zunehmenden Umweltbewusstseins bei Konsumenten und Unternehmen gewinnen umweltbezogene und nachhaltige Merkmale in der Werbung und Unternehmenskommunikation stetig an Bedeutung. Ob es sich um Produkte, Dienstleistungen oder die Geschäftstätigkeit insgesamt handelt – die Integration dieser Aspekte bietet nicht nur Chancen, sondern bringt auch eine Vielzahl komplexer rechtlicher Anforderungen mit sich. Angesichts der sich schnell verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen ist es entscheidend, dass Sie sich als werbendes Unternehmen versiert und proaktiv rechtlich absichern. In diesem Beitrag erläutern unsere Spezialisten die aktuelle Rechtslage zu Green Claims und Nach­haltig­keits­werbung, um Ihr Unternehmen durch die sich ständig verändernden regulatorischen Anforderungen zu führen. Wir wollen Sie damit dabei unterstützen, dass Ihre Nach­haltigkeitsinitiativen nicht nur wirkungsvoll, sondern auch im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben sind.



Rechtsrahmen für Green Claims und Sustainability Claims – Status Quo

In einer Ära, in der Verbraucher und Unternehmen ein verstärktes Umweltbewusstsein zeigen, sind umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Aussagen wichtiger denn je. Diese Entwicklungen spiegeln sich in der Werbung und der Kommunikation von Produkten und Dienstleistungen wider. Unternehmen müssen dabei den Wahrheitsgehalt, die Nachvollziehbarkeit und die Nachweisbarkeit ihrer umweltbezogenen Aussagen gewährleisten, da regulatorische Anforderungen zunehmend strenger werden.


Bis vor kurzem waren spezifische Rahmenbedingungen für „Green Claims“ und „Sustainable Claims“ kaum definiert. Vielmehr werden die allgemeinen Lauterkeits- und Wettbewerbsregeln auch auf umwelt- und nach­haltigkeitsbezogene Aussagen angewandt. Diese umfassen die Richtlinie über unlautere Geschäfts­praktiken (2005/29/EG) und die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (2006/114/EG), ergänzt durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Deutschland. (Richtlinie 2005/29/EG über Unlautere Geschäftspraktiken – UGP-RL; Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung 2006/114/EG; Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG). Darüber hinaus kann die EU-Leitlinien zur Auslegung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Leitlinien zur Auslegung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über Unlautere Geschäftspraktiken) als nicht-bindende, rechtliche Auslegungshilfe dienen. 

Die diesbezüglichen Vorgaben sind klar: Umweltbezogene Aussagen müssen wahr, spezifisch und un­miss­ver­ständlich sein, um keine Irreführung zu verursachen. 


Green Claims, die klar und zutreffend formuliert sind, werden als wertvoll erachtet, weil sie den Verbrauchern ermöglichen, informierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Allerdings, wenn diese Aussagen irre­führend oder unklar sind, wird dies als „Greenwashing“ angesehen, eine Praxis, die unlauter und verboten ist​.


Verbot unlauterer Geschäftspraktiken – Irreführung durch umwelt- und nach­haltig­keits­be­zogene​ Aussagen/Werbung

Nach dem europäischen und nationalen Lauterkeitsrecht (Art. 2 lit. b UGP-RL und § 5 UWG) ist eine Ge­schäfts­handlung irreführend und damit unzulässig, wenn sie auf falschen oder nicht verifizierbaren Aussagen basiert, die Konsumenten zu einer Entscheidung veranlassen könnten, die sie sonst nicht getroffen hätten.


Zum Beispiel ist das Anpreisen von Verpackungsmaterialien als „biologisch abbaubar“, „kompostierbar“, „recyclebar“ oder „CO2-neutral“, ohne dass diese Eigenschaften zutreffend und nachweisbar sind, eine solche irreführende Praxis. Ebenso ist die Behauptung, ein Material sei „100 Prozent ​recycelt“, wenn dies nicht ein­deutig belegt werden kann, nicht zulässig. 

Auch objektiv richtige Umweltaussagen können irreführend sein. Beispielsweise, wenn ein Produkt aufgrund einer spezifischen Eigenschaft als umweltfreundlich beworben wird, gleichzeitig jedoch andere, umwelt­schäd­liche Merkmale aufweist, die nicht erwähnt werden. Vage Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ sind oft mehrdeutig und können die Verbraucher in die Irre führen.

Irreführung kann auch durch Unterlassung entstehen, besonders wenn allgemeine Behauptungen zum Umweltschutz nicht durch klare und verständliche Informationen zu den spezifischen Umweltauswirkungen des Produkts ergänzt werden (Art. 7 UGP-RL/§ 5a UWG). Es ist ratsam, ergänzende Informationen auf Unter­nehmens­web­seiten oder anderen Kommunikationsplattformen bereitzustellen, um die Klarheit zu erhöhen und Missverständnisse zu vermeiden.

Wenn Umweltclaims darauf abzielen, ein Produkt als weniger umweltschädlich im Vergleich zu Kon­kur­renz­pro­dukten darzustellen, müssen die strengen Regeln der vergleichenden Werbung beachtet werden (Art. 2 UGP-RL/§ 6 UWG). Dabei ist sicherzustellen, dass der Vergleich auf einer einheitlichen Bewertungsmethode basiert und Produkte derselben Kategorie einbezieht.

Die Einhaltung dieser rechtlichen Vorgaben ist entscheidend, um Vertrauen bei den Verbrauchern zu schaffen und rechtliche Risiken zu vermeiden. Unternehmen müssen daher ihre Werbeaussagen sorgfältig prüfen und durch verlässliche Informationen stützen, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden​.

Vermeiden Sie rechtliche Fallstricke: Beurteilung der Irreführungsgefahr in Ihrer Kommunikation

Ob tatsächlich eine verbotene, irreführende umweltbezogene Werbung vorliegt, ist stets eine Einzelfall­entscheidung, es sei denn es handelt sich um eine Geschäftspraktik der sog. „Schwarzen Liste” im Anhang I UGP-RL. bzw. im Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG, die absolut untersagt sind:

  • Falschbehauptung, zu den Unterzeichnern eines Unternehmens-Verhaltenskodex zu gehören
  • Unbefugte Verwendung von Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen
  • Hervorhebung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots (z.B. bzgl. um­welt­freundlicher Eigenschaften), die bereits für alle Produkte derselben Kategorie gelten (sog. „Verbot der Wer­bung mit Selbstverständlichkeiten”)

Mit der sog. „ECGT-Richtlinie​“ (Empowering Consumers for the Green Transition-RL (EU) 2024/825, alternativ auch „EmpCo-RL“) werden zukünftig auch spezifische umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Tatbestände in die Schwarze Liste aufgenommen, u.a. ein absolutes Verbot für allgemein gehaltene Umweltaussagen und für bestimmte Aussagen bzgl. Kompensation von Treibhausgasemissionen. 

Wenn diese absoluten Verbote nicht greifen, muss genau untersucht werden, wie eine Werbeaussage von den Zielgruppen oder einem durchschnittlichen Verbraucher verstanden wird und ob dieses Verständnis von den nachweisbaren umweltbezogenen Tatsachen (z.B. Produkteigenschaften) abweicht.


Dies ermitteln die Gerichte im Streitfall i.d.R. aus eigener Sachkunde und Urteilskraft. Sach­ver­ständigen­gut­achten und Meinungsumfragen sind nur ausnahmsweise im Falle „besonderer Schwierigkeiten” bei der Feststellung der Irreführung notwendig (vgl. EuGH, Urt. v. 13. Januar 2000, Rs. C-220/98). Die Entscheidung liegt damit im Ermessen der Verwaltungsbehörden und Gerichte, auch wenn sie dabei sowohl nationale als auch EuGH-Rechtsprechung berücksichtigen müssen. Dies kann zu Rechtsunsicherheit führen. Deshalb ist es für Ihr werbendes Unternehmen unerlässlich, diese Rechtsvorschriften zu kennen und bei der Beurteilung fachkundigen Rechtsrat einzuholen, um sicherzustellen, dass Ihre umwelt- oder nachhaltigkeitsbezogenen Aussagen rechtmäßig sind und keine rechtlichen Risiken bergen.

 
Technische Normen, wie die DIN EN ISO 14021:2016-07, gewinnen bei der Bewertung von Umweltaussagen ebenfalls an Bedeutung. Diese Norm legt allgemeine Anforderungen und spezifische Green Claims (z.B. kompostierbar, recyclingfähig, Rezyklatgehalt, nachhaltig, Treibhausgasemissionen) fest. Obwohl die Anwendung freiwillig ist, kann sie die Rechtsanwendung vereinfachen, da alle umweltrelevanten Aspekte des Produktlebenswegs berücksichtigt werden.


Konkretisierung der Anforderungen an grüne und nachhaltige Werbung durch die Rechtsprechung

In der deutschen Rechtsprechung wurde eine umfangreiche Kasuistik zur Zulässigkeit einzelner umwelt­bezogener Aussagen entwickelt. Gemeinsamer Nenner ist hierbei immer wieder die erläuternde Aufklärung der Verbraucher über den Grad und Ausmaß der positiven Eigenschaften und der konkrete Bezug zwischen Aussage und Produkt, Verpackung, Dienstleistung oder gesamtem Unternehmen. Ging es in der Vergangenheit um Aussagen wie „aus Altpapier“, „umweltfreundlich“, „schadstofffrei“, stehen aktuell vor allem klimabezogene Green Claims im Fokus, wie „klimafreundlich“, „klimaneutral” oder „CO2-neutral“ und „CO2-reduziert“​. Hier entwickelt sich aktuell eine umfangreiche Kasuistik mit der allmählichen Herausarbeitung der Kriterien, in welcher Art und Weise und mit welchen Inhalten eine „Klimaneutralität“ beworben werden darf. Allerdings hat sich noch keine einheitliche obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung gefestigt. Aber auch die Claims „nachhaltig“ „ressourcenfreundlich“ und „kurze Lieferwege“ waren jüngst Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

  

Auch in anderen europäischen Ländern werden die gesetzlichen Anforderungen an Green Claims durch die Gerichte bzw. durch die Entscheidungsorgane der Selbstkontrolle der Werbewirtschaft konkretisiert. So rügte kürzlich die Schweizer Lauterkeitskommission (Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft) die Bewerbung von Heizöl als „klimaneutral“ und Babynahrung als „klimapositiv". In Österreich wurden die Aussagen für „CO2​ neutral gebrautes“ Bier und „CO2​-neutral fliegen“ einer Fluggesellschaft gerichtlich als irreführend eingestuft. In Italien geht der Verbraucherschutzverband Codici derzeit mit Verbandklagen gerichtlich gegen zahlreiche Unternehmen vor, die sich und ihre Produkte in irreführender Weise als „BCorp“ zertifiziert bewerben und weitere irreführende Green Claims verwenden. 

Ausblick

Einen Schritt weiter geht bereits seit Anfang 2023 Frankreich mit einer gesetzlichen Regelung der klimabezogenen Werbung. Demnach müssen bzgl. solcher Aussagen jährlich aktualisierte Treibhausgas-Bilanzen (Lebenszyklus) nach „ISO 14067:2018 — Carbon Footprint von Produkten“ erstellt und veröffentlicht werden. Weiterhin wird eine eindeutige Handlungshierarchie vorgegeben („vorrangig vermieden, dann reduziert und schließlich kompensiert“). Die Werbung für fossile Energieträger sowie die Aussagen „biologisch abbaubar“, „umweltfreundlich“ bzw. vergleichbare Claims auf Verpackungen und Produkten ist gänzlich untersagt. 

Neben der bereits erlassenen ECGT-RL mit vereinzelten Neuregelungen zu umweltbezogener Werbung, wird in nicht allzu weiter Zukunft die sog. „Green Claims-Richtlinie“ verabschiedet werden, die Mindestanforderungen für die Verwendung von Umweltaussagen und Umweltzeichen (-siegel, -logos) inkl. deren Zu­läs­sig­keits-Über­prüfung aufstellen wird.  

Fazit

Im Bereich Green und Sustainability Claims und Nachhaltigkeitskommunikation ist derzeit europaweit viel im Gange, sowohl auf Ebene der Rechtsdurchsetzung anhand des Stauts quo, als auch auf gesetzgeberischer Ebene.. Als Unternehmer ist es daher wichtig, die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen mitzuverfolgen. Die kürzlich in Kraft getretene ECGT-RL sowie die zu erwartende Green Claims-RL werden den Bereich grüner und nachhaltiger Werbung auf einen EU-weit einheitlichen gesetzlichen Standard stellen, gleichzeitig aber auch nicht unerhebliche Änderungen im Vergleich zum Status quo bringen. ​

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