Im Zeichen der Covid-19-Pandemie – Finanzbericht­er­stattung über das Geschäftsjahr 2020

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  veröffentlicht am 15. Dezember 2020 / Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Selten war ein Kalenderjahr so stark durch ein globales Ereignis geprägt wie 2020 durch die Covid-19-Pandemie. Der Ausbruch des neuartigen Virus hatte weitreichende Auswirkungen für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft weltweit. Dementspre­chend ist Covid-19 nicht nur in der Berichterstattung in Presse, Rundfunk und Fernsehen allgegenwärtig, sondern wird auch zu einem dominierenden Faktor in der Finanzberichterstattung über das Geschäftsjahr 2020.

  

  

 

Der rasante Anstieg der Infektionszahlen verbunden mit der Entwicklung hin zur weltweiten Pandemie erfolgte im ersten Quartal 2020. Zu der Zeit waren die Unternehmen größtenteils noch mit der Erstellung und Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse für das Geschäftsjahr 2019 beschäftigt. Mit der sich aufdrängenden Frage, inwiefern die neuen Entwicklungen Berücksichtigung finden sollten, befasste sich das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) und veröffentlichte dazu einen fachlichen Hinweis. Demnach handelt es sich bei der Covid-19-Pandemie nicht um ein wertaufhellendes Ereignis, das bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 2019 zu berücksichtigen gewesen wäre, sondern um ein wertbegründendes Ereignis, das sich erst in den Jahres- und Konzernabschlüssen der Folgeperioden niederschlägt.    
 
Während das die Erstellung der Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2019 erleichterte, schlagen sich die ökonomischen Folgen nunmehr 2020 in den Büchern nieder. Bereits in etwaigen unterjährigen Finanzberichten waren die vielfältigen möglichen Auswirkungen auf das Zahlenwerk der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigen. Spätestens zum Ende des Geschäftsjahres 2020 unterliegen die Auswirkungen der Pandemie auf das Bilanzbild dann regelmäßig der Prüfung durch den Abschlussprüfer.
 

Werthaltigkeitsbeurteilungen

Im Fokus der Erstellung und Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen für das Geschäftsjahr 2020 stehen bei vielen Unternehmen Werthaltigkeitsprüfungen. Die durch die Covid-19-Pandemie bedingten ökonomischen Einbrüche können sich negativ auf die Werthaltigkeit von unterschiedlichen Aktiva (z.B. Sachanlagen, Finanzanlagen, Vorräte oder Forderungen) auswirken. Sowohl nach HGB als auch IFRS ist daher die Erfordernis etwaiger ergebniswirksam zu erfassender Wertminderungen zu prüfen.
 
Einen besonderen Schwerpunkt stellt vor dem Hintergrund der Pandemie die Beurteilung der Werthaltigkeit des auch als Goodwill bezeichneten Geschäfts- oder Firmenwerts v.a. in Konzernabschlüssen dar, die ohnehin häufig umstritten ist. Während der Goodwill nach HGB planmäßig abgeschrieben wird (aber dennoch auf etwaige Wertminderungen hin zu überprüfen ist), gilt nach IFRS der sog. „Impairment-Only-Ansatz”, wonach lediglich außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden. Dazu ist mindestens jährlich eine Wertminderungsprüfung vorzunehmen. Aufgrund der hohen Ermessensspielräume wurde bereits in der Vergangenheit häufig Kritik an dem Ansatz geübt, da erforderliche Wertminderungen möglicherweise nicht rechtzeitig berücksichtigt werden und stattdessen in spätere Perioden „verschoben“ werden. Die aus einer solchen Bilanzierungspraxis resultierenden hohen Goodwill-Bestände bergen ein hohes Abwertungsrisiko in sich. Im Krisenjahr 2020 könnten sich daher vermehrt hohe Wertminderungsaufwendungen ergeben.
 
Die Covid-19-Pandemie könnte sich somit zum „Lackmustest“ für die Goodwill-Bilanzierung nach IFRS erweisen. Bereits im vergangenen Jahr forderten viele Stimmen eine Wiedereinführung planmäßiger Abschreibungen. Diese Diskussion könnte im Kontext der globalen Pandemie nochmals Fahrt aufnehmen.
 

Bilanzierung von Stützungsmaßnahmen

Nicht nur bei der Bewertung bereits bestehender Aktiva ergibt sich Handlungsbedarf; vielmehr produziert die Krise auch eigene Bilanzierungsfragen, etwa in Zusammenhang mit den Stützungsmaßnahmen, die Regierungen weltweit zur Abmilderung der ökonomischen Folgen der Pandemie einführten. Die Unterstützungsleistungen können von sofortigen Liquiditätshilfen über an Bedingungen geknüpfte Zuschüsse bis hin zu (vergünstigten) Kreditgewährungen reichen.
 
Die unterschiedlichen Stützungsmaßnahmen dienen i.d.R. dazu, einen kurzfristigen Liquiditätsengpass von Unternehmen auszugleichen. Ob sich darüber hinaus auch eine (sofortige) positive Erfolgswirkung einstellt, hängt von den konkreten Ausgestaltungen und Bedingungen ab. Sowohl nach HGB als auch nach IFRS ist eine entsprechende Berücksichtigung nur dann vorzunehmen, wenn sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme erfüllt sind und ein entsprechender Antrag bereits gestellt ist oder mit einer angemessenen Sicherheit gestellt werden wird. Eine finale Prüfung der gewährenden Behörde steht einer Realisierung grundsätzlich nicht entgegen. Bei Zuwendungen, die zur Kompensation von Aufwendungen für künftige Perioden gewährt werden, ist zudem zu beachten, dass die Erfolgswirkung periodengerecht zu verteilen ist.
 

Weitere materielle Auswirkungen auf das Zahlenwerk

Daneben können sich diverse weitere Auswirkungen auf das Bilanzbild ergeben. So könnte auf der Passivseite bspw. die Bildung weiterer Rückstellungen geboten sein. Zu prüfen ist, ob aus schwebenden Geschäften bzw. belastenden Verträgen drohende Verluste resultieren. Zudem könnte sich durch Restrukturierungsmaßnahmen, die aufgrund der Pandemie beschlossen wurden, ebenfalls ein Rückstellungsbedarf ergeben. Auch im Bereich der Verbindlichkeiten können Effekte auftreten. Zu nennen ist insbesondere eine mögliche Änderung der Zahlungsfrist durch die Nichteinhaltung von Kreditklauseln (Covenants).
 

Angaben im Anhang und Lageberichterstattung

Neben den materiellen Auswirkungen auf die Bilanz bzw. die Gewinn- und Verlustrechnung sind auch die erforderlichen Angaben im Anhang sowie die Lageberichterstattung zu beachten. Solche Angabepflichten bestanden bereits für das Geschäftsjahr 2019. Durch die dynamische Entwicklung rund um die Covid-19-Pandemie sind die getätigten Annahmen und Schätzungen fortwährend zu überwachen und ggf. anzupassen.
 
Nahezu alle Bereiche des Lageberichts können durch die Auswirkungen der Pandemie betroffen sein. So können sich z.B. Änderungen der Ziele und Strategien des Unternehmens oder Auswirkungen auf die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ergeben. In Extremfällen können sich auch ganze Geschäftsmodelle ändern. Erheblichen Einfluss dürfte Covid-19 zudem auf die Darstellung des Geschäftsverlaufs sowie der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Lagebericht für 2020 nehmen.
 
Ein besonderes Augenmerk im Bereich der Lageberichterstattung liegt auf dem Prognosebericht. Die Covid-19-Pandemie wird 2020 die Erstellung von Prognosen aufgrund der hohen Unsicherheit der weiteren Entwicklungen deutlich erschweren. Analog dem Vorjahr dürfte die Inanspruchnahme von Erleichterungen bei der Prognoseberichterstattung auch für das Geschäftsjahr 2020 vielfach möglich sein. So genügen in Zeiten hoher Unsicherheit komparative Prognosen ohne Einbezug der Intensität (z.B. „höher“ oder „niedriger“). Ein vollständiger Verzicht auf die Erstellung und Darstellung von Prognosen scheidet jedoch aus.
 
Die Unsicherheit der künftigen Entwicklungen rund um das Coronavirus dürfte zudem regelmäßig als ein wesentlicher Faktor bei der Risikoberichterstattung zu berücksichtigen sein. Besonders kritisch wird es, wenn sich die Risiken als bestandsgefährdend erweisen. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob sich die Annahme der Unternehmensfortführung (Going-Concern) aufrechterhalten lässt, auf deren Basis die Erstellung der Jahres- und Konzernabschlüsse nach HGB und IFRS grundsätzlich erfolgt. Auf etwaige wesentliche Unsicherheiten bei der Fortführungsfähigkeit ist in angemessener Art und Weise hinzuweisen.
 

Fazit

Das Geschäftsjahr 2020 ist geprägt durch die Covid-19-Pandemie. Dementsprechend schlägt sie sich auf unterschiedliche Art und Weise auch in der Finanzberichterstattung nieder und zieht sich wie ein roter Faden sowohl durch die Zahlenwerte als auch durch die verbalen Erläuterungen in Anhang und Lagebericht. Ebenso wie die ökonomischen Auswirkungen auf Unternehmen sind auch die damit zusammenhängenden Berichtserfordernisse unternehmensindividuell und müssen im Einzelfall analysiert werden. Aufgrund der dynamischen Entwicklung rund um die Ausbreitung des Coronavirus und der entsprechenden wirtschaftlichen Konsequenzen ist eine fortlaufende Überprüfung und etwaige Anpassung der getroffenen Annahmen und Schätzungen erforderlich, um eine sachgerechte und aussagekräftige Informationsversorgung der Abschlussadressaten sicherzustellen.

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