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Cloud Computing Vereinbarungen, insbesondere in der beliebten Ausgestaltungsform Software as a Service (SaaS), finden immer mehr Anklang in der Unternehmenspraxis. Damit verbunden stellt sich für die betroffenen IFRS-Anwender die Frage, wie diese Vereinbarungen bilanziell zu behandeln sind. Der Standard selbst liefert hierzu keine unmittelbare Regelung, jedoch beschäftigte sich das IFRS Interpretations Committee zuletzt gleich zweimal mit dieser Thematik und veröffentlichte im März 2019 eine grundlegende Einschätzung zur bilanziellen Abbildung von SaaS-Vereinbarungen und im April 2021 eine Entscheidung in Bezug auf damit zusammenhängende Customizing-Kosten. Diese Veröffentlichungen bringen für viele Bilanzierer Licht ins Dunkel.
Um die Frage nach der bilanziellen Abbildung von als SaaS ausgestalteten Cloud Computing Vereinbarungen zu beantworten, wird auf die Ausführungen des IFRS Interpretations Committee zurückgegriffen. Diese beschäftigen sich zunächst mit der Frage, ob es sich bei der Cloud Computing Vereinbarung um einen zu kontrollierenden Vermögenswert oder um einen Servicevertrag handelt. Hierfür ist zu klären, welcher Standard einschlägig ist. In die nähere Auswahl kommen IFRS 16 „Leasingverhältnisse” und IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte” sowie die Einstufung als „normales” Dauerschuldverhältnis.
Zunächst wird betrachtet, ob die entgeltliche Nutzung einer Cloud ein Leasingverhältnis im Sinne des IFRS 16 darstellt. Nach IFRS 16.A ist ein Leasingverhältnis ein Vertrag, der das Recht einräumt, einen Vermögenswert während eines bestimmten Zeitraums gegen Entgelt zu nutzen.
Die Kriterien zur Beurteilung dieser Einschätzung werden in IFRS 16.B9 spezifiziert. Demnach enthält ein Vertrag das Recht zur Nutzung, wenn der Anwender während der gesamten Nutzungsdauer über Folgendes verfügt:
Cloud Nutzer haben meistens lediglich ein Recht die Funktionalität der Software zu nutzen. Das Recht auf einen Zugang zur Software des Anbieters, welche auf der Cloud-Infrastruktur des Anbieters läuft, gibt dem Nutzer jedoch keine Entscheidungsbefugnis darüber, zu steuern für welchen Zweck die Software verwendet wird. So hat der Nutzer beispielsweise kein Recht darüber zu entscheiden, wie und wann die Software upgedated oder konfiguriert wird. Das IFRS Interpretations Committee schlussfolgert aufgrund der Nichterfüllung des Kriteriums, dass derartige Nutzungsrechte nicht in den Anwendungsbereich von IFRS 16 fallen.
Da oftmals mehrere Nutzer existieren, ist auch das Recht, den gesamten wirtschaftlichen Nutzen aus einer Verwendung zu ziehen (IFRS 16.B21) nicht erfüllt. Daneben ist es in vielen Fällen auch fraglich, ob überhaupt ein identifizierter Vermögenswert gemäß IFRS 16.B13 vorliegt. Der Nutzer erhält zwar einen Zugang zur Software, jedoch oftmals keine ihm direkt zuordenbare Lizenz.
Fällt eine Cloud Computing Vereinbarung, die als SaaS ausgestaltet ist aber in den Anwendungsbereich von IAS 38? Für einen Ansatz als immateriellen Vermögenswert muss nach IAS 38 zum einen zunächst ein identifizierbarer Vermögenswert vorliegen. Zum anderen muss das bilanzierende Unternehmen Verfügungsmacht über diesen Vermögenswert haben (Beherrschung).
Damit ein Vermögenswert identifizierbar ist, muss er separierbar oder über vertragliche Rechte identifizierbar sein. An der Separierbarkeit kann bei Cloud Computing Vereinbarungen durchaus gezweifelt werden. Diese ist jedoch nicht entscheidend, da die vertragliche Vereinbarung in der Regel bei Cloud-Anbieter rechtlich identifizierbar ist.
Daneben muss jedoch auch das Beherrschungskriterium erfüllt werden. Gemäß IAS 38.13 hat ein Unternehmen Kontrolle bzw. Beherrschung über einen immateriellen Vermögenswert, wenn es die Verfügungsgewalt innehat. Verfügungsgewalt liegt vor, wenn der Nutzer die Macht hat, den zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen aus der zugrunde liegenden Ressource zu ziehen und den Zugang anderer zu diesem Nutzen einzuschränken. Alleine der Zugang zu einer Software begründet also keine Beherrschung durch den Nutzer. Im Falle einer öffentlichen Cloud ist das Beherrschungskriterium als nicht erfüllt anzusehen, da in diesem Fall ein Ausschluss Dritter von vorneherein nicht existiert. Daher scheidet eine Klassifizierung als immaterieller Vermögenswert im Sinne des IAS 38 in solchen Fällen aus.
Liegt dem Kunden hingegen ein exklusives Nutzungsrecht beispielsweise in Form einer privaten Cloud vor, so ist die Beurteilung abweichend vorzunehmen. Kontrolle über die Ressource aufgrund der Gewährung eines exklusiven Nutzungsrechts erfolgt bei SaaS Vereinbarungen jedoch nur in Ausnahmefällen.
In Fällen, in denen es unklar ist, ob Beherrschung nach IFRS vorliegt, bietet auch ein Blick in die US-GAAP Hilfestellung. Der Verlautbarung ASU 2015-05 zufolge liegt ein immaterieller Vermögenswert vor, wenn der Kunde das Recht hat, die genutzte Software während der Laufzeit der Vereinbarung ohne erhebliche Vertragsstrafe in Besitz zu nehmen und er die Software entweder auf seiner eigenen Hardware einsetzen kann oder den Betrieb auf eine andere, nicht mit dem bisherigen Anbieter verbundene Partei überleiten darf.
Strittig ist weiterhin, ob eine signifikante Anpassung oder Konfiguration der Anwendungssoftware zu einer Klassifikation als immaterieller Vermögenswert führt. Es gibt Stimmen, die argumentieren, dass bei einer signifikanten Anpassung ein Vermögenswert entsteht, der durch den Kunden kontrolliert wird. Dies hätte zur Folge, dass das Beherrschungskriterium des IAS 38 zu bejahen wäre. Alternativ kann argumentiert werden, dass eine Anpassung nicht der Hauptindikator für Kontrolle ist, da der Anbieter die Möglichkeit hat, Dritten die Software in gleicher Ausführung anzubieten.In Summe ergibt sich, dass eine als SaaS ausgestaltete Cloud Computing Vereinbarung in einigen Fällen durchaus als immaterieller Vermögenswert einzustufen sein kann. Liegt nach sorgfältiger Prüfung der Vertragsbedingungen ein immaterieller Vermögenswert vor, so hat der Ansatz zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erfolgen.
Erfüllt die Cloud Computing Vereinbarung nicht die Ansatzvoraussetzungen des IAS 38, da lediglich das Recht auf einen Zugang zur Anwendung besteht, ist die Vereinbarung als Servicevertrag zu werten. Der Kunde erhält als Dienstleistung den Zugang zu der Software während der Vertragslaufzeit. Die mit einem Servicevertrag in Verbindung stehenden Ausgaben sind als betrieblicher Aufwand zu erfassen (vgl. IAS 38.68). Oft fallen nicht nur die monatlichen Raten, sondern auch weitere interne und externe Kosten im Zusammenhang mit der Implementierung an. Implementierungskosten sind bei einer als Servicevertrag qualifizierenden Cloud Computing Vereinbarung in der Regel als laufender Aufwand zu erfassen (mehr dazu im Folgenden). Als Vermögenswert werden nach den Vorschriften des IAS 38.70 jedoch getätigte Vorauszahlungen bilanziert.
Christian Landgraf
Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)
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