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veröffentlicht am 12. August 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten
Der deutsche Gesetzgeber versucht, dem steuerlich motivierten Wegzug natürlicher Personen ins niedrig besteuernde Ausland und dem damit verbundenen Verlust an Steuersubstrat entgegenzuwirken. Neben der einmaligen Wegzugsbesteuerung im Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels wird deshalb unter bestimmten Voraussetzungen die „normale” beschränkte Steuerpflicht des Weggezogenen erweitert, um Steuervorteile zu begrenzen, die durch den Wegzug ins Ausland erzielt werden können.Im folgenden Beitrag wird ein Überblick zum Anwendungsbereich der im Außensteuergesetz (AStG) geregelten erweiterten beschränkten Steuerpflicht gegeben, die steuerliche Folgen aufgezeigt und darauf basierend erläutert, worauf unbeschränkt Steuerpflichtige bei einem geplanten Wegzug aus Deutschland achten sollten.
Unter den komplexen Anwendungsbereich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht fallen
Der Auswanderer muss nach seinem Ausscheiden aus der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht im niedrig besteuernden Ausland ansässig werden. Bei der Bestimmung der Ansässigkeit sind die Anknüpfungsmerkmale des ausländischen Steuerrechts maßgebend. Während viele Länder so wie Deutschland auf den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt abstellen, knüpfen andere Länder die Ansässigkeit (zusätzlich) an die Verweildauer oder Staatsangehörigkeit.Zur Bestimmung, ob es sich beim neuen Ansässigkeitsstaat um ein Niedrigsteuergebiet handelt, sieht der deutsche Gesetzgeber einen abstrakten und konkreten Belastungsvergleich vor. Beim abstrakten Belastungsvergleich wird für den Steuerpflichtigen pauschalierend ein Einkommen von 77.000 Euro angenommen. Ist bei der Einkommenshöhe die Einkommensteuerbelastung nach dem Steuersystem des neuen Ansässigkeitsstaats um mehr als ein Drittel geringer als die korrespondierende Belastung nach dem deutschen Einkommensteuersystem, wird eine niedrige Besteuerung unterstellt. Bei einem Einkommen i.H.v. 77.000 Euro beträgt die Einkommensteuerbelastung in Deutschland in 2020 ca. 30,3 Prozent. Damit wird aktuell eine niedrige Besteuerung im neuen Ansässigkeitsstaat des Auswanderers angenommen, wenn die dort erhobene Einkommensteuer zu einer Belastung von unter 20,2 Prozent führt.Darüber hinaus wird eine niedrige Besteuerung im Ausland unterstellt, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer Vorzugsbesteuerung seine Steuerbelastung im Vergleich zum Normalniveau erheblich mindern kann. Der Begriff der Vorzugsbesteuerung wird im Gesetz nicht definiert, allgemein ist darunter jedoch jegliche Art persönlicher Steuervergünstigungen zu verstehen, die dem Auswanderer gewährt werden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dem Auswanderer die Vorzugsbesteuerung auch tatsächlich gewährt wird, die bloße Möglichkeit ist ausreichend. Allerdings ist nicht jede Steuerminderung unmittelbar als relevante Vorzugsbesteuerung einzustufen, sie muss vielmehr erheblich sein, sodass Interpretationsspielraum besteht.Dem Steuerpflichtigen obliegt die Möglichkeit, die beiden gesetzlichen Vermutungen einer niedrigen Besteuerung im Ausland durch einen konkreten Belastungsvergleich im Kontext einer Schattenveranlagung zu widerlegen. Dazu muss der Weggezogene selbst darlegen, dass seine gesamte Steuerbelastung nach Wegzug (= Ist-Besteuerung) mind. zwei Drittel seiner Belastung bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland (= Soll-Besteuerung) erreicht.
Neben den vorgenannten Voraussetzungen kommt die erweiterte beschränkte Steuerpflicht jedoch nur zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat. Solche werden für den Weggezogenen anhand von drei Fallgruppen angenommen, nämlich falls er
Ist der Anwendungsbereich eröffnet, wird die „normale” beschränkte Steuerpflicht des Auswanderers in Deutschland für das Wegzugsjahr und die darauffolgenden zehn Jahre modifiziert, indem
Im Vergleich zur normalen beschränkten Steuerpflicht unterwirft Deutschland bei der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zusätzlich alle Einkünfte der Besteuerung, für die es bei Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht ein ausschließliches, keine Entlastungen wegen ausländischer Steuern zulassendes Besteuerungsrecht hat (= Zusatzeinkünfte). In Verbindung mit § 5 AStG werden auch die Zusatzeinkünfte von ausländischen Zwischengesellschaften dem Steuerpflichtigen zugerechnet.Einen ausführlichen Katalog der Zusatzeinkünfte enthält das zugehörige Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung. Besonders groß ist der Anwendungsbereich dabei für Kapitaleinkünfte. So sind bspw. dinglich ungesicherte Darlehen erfasst, wenn der Schuldner im Inland ansässig ist. Im Umkehrschluss wird auch ein gewisses Gestaltungspotenzial eröffnet, da eine Besteuerung der korrespondierenden Zinsen in Deutschland u.a. vermieden werden kann, indem das Darlehen mit ausländischem Grundbesitz besichert wird.
§ 2 AStG sieht zudem einen Progressionsvorbehalt vor, der bei der normalen beschränkten Steuerpflicht nicht enthalten ist. Demnach wird auf die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte der durchschnittliche Steuersatz angewendet, der sich für das Welteinkommen des Steuerpflichtigen ergibt. Das den Finanzbehörden offenzulegende Welteinkommen ist dabei bei einer Schattenveranlagung nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln und der Steuersatz nach dem Einkommensteuergrundtarif (max. 45 Prozent).
Der Beitrag zeigt, dass die Vorschriften zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht äußerst umfangreich und komplex sind. Sie beinhalten unbestimmte Rechtsbegriffe (z.B. „erhebliche Vorzugsbesteuerung”), erlegen dem Steuerpflichtigen eine aufwendige Nachweiserbringung auf (z.B. Erstellung einer Schattenrechnung) und erfordern i.d.R. eine konkrete Einzelfallprüfung. So spielen insbesondere die Art der Einkünfte des Steuerpflichtigen, das nationale Steuerrecht des ausländischen Zuzugslandes (z.B. die Anknüpfungsmerkmale an die unbeschränkte Steuerpflicht) und das ggf. abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen eine wichtige Rolle. Die Anwendung ist in manchen solcher Abkommen Deutschlands nämlich ausgeschlossen.Des Weiteren obliegt dem Auswanderer die Möglichkeit, durch entsprechende vorausschauende Gestaltungen und ggf. Vermögensumschichtungen keine wesentlichen Inlandsinteressen mehr innezuhaben und mithin den Rechtsfolgen des § 2 AStG zu entgehen, selbst wenn der Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet erfolgt. Deshalb empfiehlt es sich vor einem geplanten Wegzug ins Ausland frühzeitig Kontakt zu einem fachkundigen Steuerberater aufzunehmen, um ungewollte Steuerfolgen zu vermeiden.
Florian Kaiser
Steuerberater, Diplom-Kaufmann
Partner
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