Ansprüche bei ungerechtfertigter Kündigung unter dem neuen Arbeitsgesetz der VAE

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veröffentlicht am 20. Juli 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

Mit Inkrafttreten des neuen Arbeitsgesetzes (Federal Decree Law No. 33/2021) am 2. Februar 2022 hat der Gesetzgeber vergangenes Jahr neue umfassende Regelungen zu Arbeitsverhältnissen in den VAE geschaffen. Dem Gesetzeszweck kann entnommen werden, dass die neuen Normen unter anderem der Regelung von Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien oder auch dem rechtlichen Schutz derer dienen sollen. 

   

 

 

Eine wesentliche Thematik mit hoher Relevanz stellen dabei seit jeher die Ansprüche des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Insbesondere bei einer ungerechtfertigten Kündigung tritt regelmäßig die Frage nach den Entschädigungsansprüchen des Arbeitnehmers auf. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber – vermutlich bewusst – eine zwar im Vergleich zur vorherigen Rechtslage minimale Änderung im Wortlaut des Gesetzes vorgenommen, die freilich Klarheit im Rahmen der Auslegung herbeiführt und daher wohl auch dem Gesetzeszweck entspricht. Gleichzeitig bringt diese Änderung voraussichtlich weitreichende Folgen zulasten der Arbeitnehmer mit sich und schränkt hierdurch den Arbeitnehmerschutz nicht unwesentlich ein.
 

Ausgangslage

Bevor in die eigentliche Thematik hinsichtlich der Schadensersatzansprüche von Arbeitnehmern in den VAE bei ungerechtfertigten Kündigungen eingegangen wird, soll zunächst klargestellt werden, dass in den VAE, sowie auch im Großteil der weiteren Golfstaaten, insbesondere für ausländische Arbeitnehmer, kein der im deutsch­sprachigen Raum bekannten Kündigungsschutzklage, vergleichbares Rechtsmittel vorgesehen ist. Folglich richtet sich ein Rechtsmittel eines Arbeitnehmers im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung – zumindest im Klageantrag – nicht auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, sondern einzig auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch. 
 
Die Voraussetzungen genau dieses Schadensersatzanspruches hat der Gesetzgeber im Rahmen des Erlasses des neuen Arbeitsgesetzes (Federal Decree Law No. 33/2021) nun neu definiert und – zumindest auf den ersten Blick – innerhalb der Anspruchsvoraussetzungen zulasten der Arbeitnehmer weitgehend eingeschränkt.
 

Rechtslage unter dem alten Arbeitsgesetz Federal Law No. 8/1980

Art. 123 a) des alten Arbeitsgesetzes stellte dabei in der Vergangenheit die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung dar. Demnach kann das Gericht den Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von maximal drei Monatsgehältern verurteilen, wobei als Berechnungsgrundlage für diesen Schadensersatzanspruch das gesamte Gehalt, und nicht wie beim gesetz­lichen Abfindungsanspruch das Basic-Salary, zugrunde gelegt wird. Maßgeblich für die Höhe des Anspruchs sind dabei Faktoren wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Position des Arbeitnehmers oder auch der dem Arbeitnehmer entstandene Schaden. 
 
Fraglich ist nun jedoch was unter einer „ungerechtfertigten Kündigung“ in diesem Sinne zu verstehen war, die einen solchen Anspruch begründete. Hierfür lieferte Art. 122 eine Legaldefinition für dieses Tatbestands­merk­mal. Demnach war eine Arbeitgeberkündigung als ungerechtfertigt anzusehen, wenn der Kündigungsgrund nicht in Zusammenhang mit der Arbeit bzw. dem Arbeitsverhältnis stand, insbesondere, wenn die Kündigung aufgrund der Einreichung einer ernsthaften Beschwerde gegen den Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde – eine solche ist vor tatsächlicher Klagerhebung beim zuständigen Gericht grundsätzlich zwingend erforderlich – ausgesprochen wurde oder der Kündigung eine erfolgreiche, gerichtliche Geltendmachung einer Forderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber voranging. 
 
Zwar lieferte Art. 122 in der Vergangenheit mit der „Beschwerde bei der zuständigen Behörde“ zum einen, und der „gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs durch den Arbeitnehmer“ zum anderen, zwei Regelbeispiele für die Legaldefinition, bei welchen der Kündigungsgrund als „nicht im Zusammenhang mit der Arbeit stehend“ und daher als ungerechtfertigt subsumiert werden sollte. Jedoch handelte es sich hierbei um eine nicht abschließende Aufzählung, sodass dem Gericht im Übrigen Spielraum zur Auslegung des Begriffs zukam und diesen auch zugunsten des Arbeitnehmers ausüben konnte, da eine Bindung an diese nicht abschließende Aufzählung eben nicht gegeben war. Insofern waren auch weitere Sachverhalte nicht ausgeschlossen, bei denen ein Kündigungsgrund als „nicht im Zusammenhang mit der Arbeit stehend“ und daher als ungerecht­fertigt anzusehen waren.
 

Rechtslage unter dem neuen Arbeitsgesetz Federal Decree Law No. 33/2021

Auch das neue Arbeitsgesetz sieht in Art. 47 Nr. 2 diesen Schadensersatzanspruch zugunsten des Arbeit­nehmers im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung vor. Auch ist dieser wiederum in der Höhe auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt, wobei – wie auch vormals – Faktoren wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Position des Arbeitnehmers oder auch der dem Arbeitnehmer entstandene Schaden in die Abwägung miteinbezogen werden. 
 
Weiterhin liefert Art. 47 Nr. 1 ebenso eine Legaldefinition für den Rechtsbegriff einer ungerechtfertigten Kündigung, die sich auf den ersten Blick kaum vom früheren Wortlaut unterscheidet. So weit so gut!
 
Betrachtet man den Wortlaut des Art. 47 Nr. 1 jedoch im Detail, fällt auf, dass es diesem nun an dem Merkmal „im Zusammenhang mit der Arbeit stehend“ mangelt und die Kündigung einzig dann als ungerechtfertigt anzusehen ist, wenn diese eben aufgrund der Einreichung einer ernsthaften Beschwerde bei der zuständigen Behörde oder einer erfolgreichen, gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, erfolgt. Folglich hat der Gesetzgeber – wohl bewusst – darauf verzichtet, den Gerichten weiterhin Raum zur (arbeitnehmerfreundlichen) Auslegung zukommen zu lassen. Stattdessen soll eine ungerechtfertigte Kündigung und daher das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausdrücklich auf die zwei genannten Möglichkeiten im Rahmen der abschließenden Aufzählung des Art. 47 Nr. 1 beschränkt sein. 
 
Insofern erfordert der Gesetzgeber sozusagen ein gewisses Moment der Vergeltung seitens des Arbeitgebers für eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme des Arbeitnehmers. Praktisch gesehen dürfte daher bei einer wortlautgetreuen Anwendung kaum mehr Sachverhalte existieren, die einen solchen Anspruch auslösen.
 

Weitere Unklarheiten als Resultat 

Unter Berücksichtigung der Änderung der Anspruchsvoraussetzungen sind nun weitere, in diesem Zusammen­hang stehende, gesetzliche Unklarheiten augenscheinlich. Insbesondere sei hier auf Art. 43, der die Voraus­setzungen einer ordentlichen Kündigung darstellt, hingewiesen. 
 
Gem. Art. 43 Nr. 1 kann sowohl der Arbeitgeber, als auch der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung der vereinbarten Kündigungsfrist ordentlich kündigen. Eine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals „wichtiger Grund” liefert das Gesetz nicht, sodass hier an sich eine Interessenabwägung vorzunehmen wäre. 
 
Bezugnehmend auf Art. 47 ist nun an sich fraglich, welche Rolle die Voraussetzung des wichtigen Grunds i.S.d. Art. 43 Nr. 1 zukommt, wenn doch ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 47 ohnehin lediglich bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen entstehen soll, jedoch entsprechend des Wortlauts von Art. 47 nicht bei dem Mangel eines wichtigen Grunds i.S.d. Art. 43. 
 
Wenngleich das Gesetz ausdrücklich festlegt, dass bei Missachten der Kündigungsfrist dem Vertragspartner eine Entschädigung in Höhe des Gehalts der Kündigungsfrist zusteht, auch wenn diesem keinerlei Schaden entstanden ist, bleibt die Rolle des Tatbestandsmerkmal „wichtiger Grund“ weitestgehend unklar, als, dass bei wortlautgetreuer Anwendung des Arbeitsgesetzes keinerlei negative Folgen oder Schadensersatzzahlungen bei Missachtung, also Kündigung ohne Kündigungsgrund, zu erwarten sind. 
 
Folgerichtig bliebe dem Vertragspartner einzig die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch Berufen auf Ansprüche aus dem Bürgerliche Gesetzbuch (Civil Code) auf Grundlage einer vertraglichen Haftung, wobei hier wiederum ein Schaden nachgewiesen werden müsste. 
 

Zusammenfassung

Durch Abänderung und gleichzeitiger Beschränkung der Legaldefinition des Begriffs „ungerechtfertigte Kündigung“ ist der Gesetzgeber wohl zum einem dem Zweck des neuen Arbeitsgesetzes i.S.d. Art. 2 Nr. 2, also der klaren Regelung des Arbeitsverhältnisses sowie der Festlegung der Pflichten und Rechte nachgekommen. Gleichzeitig widerspricht dies an sich der in der Vergangenheit zu erkennenden Tendenz einer arbeit­neh­mer­freundlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung, indem man den Gerichten die Befugnis zur arbeitnehmer­freundlichen Auslegung einer ungerechtfertigten Kündigung nimmt. Dies hat dabei auf den ersten Blick weitreichende Folgen, als, dass weder das Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. Art. 43 im Zusammen­hang mit einer ordentlichen Kündigung, noch der Mangel einer der abschließenden Gründe i.S.d. Art. 44 im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, einen Schadensersatzanspruch aus dem Arbeitsgesetz auslöst.
 
Beruft man sich auf den Wortlaut des neuen Arbeitsgesetzes, kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der vereinbarten Kündigungsfrist – jederzeit ohne finanzielle Gegen­an­sprüche aus dem Arbeitsgesetz einseitig beenden, sofern der Arbeitnehmer nicht zuvor etwaige behördliche oder gerichtliche Maßnahmen gegen seinen Arbeitgeber ergriffen hatte. Erwartet der Arbeitnehmer eine solche Kündigung jedoch nicht bereits im Voraus, erscheint dieser Sachverhalt an sich doch als selten einzuschätzen zu sein, da auch zu diesen Maßnahmen eine Beschwer bzw. Klagegrund durch den Arbeitnehmer vorgetragen werden muss. 
 
Auf den zweiten Blick bleiben dem Arbeitnehmer jedoch weiterhin Abhilfemöglichkeiten gegen ungerecht­fertigte Kündigungen ohne wichtigen Grund oder sonstiger Verstöße seitens des Arbeitgebers, unter Berufung auf die Anspruchsgrundlagen aus vertraglicher Haftung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Civil Code). Aller­dings bedarf es hier jeweils zwingend den Nachweis eines erlittenen Schadens, was sich unter Umständen als hohe Hürde für den Arbeitnehmer darstellen dürfte. Zudem handelt es sich bei derartigen Ansprüchen um allgemeine, haftungsrechtliche, jedoch eben nicht auf arbeitsrechtliche Streitigkeiten ausgerichtete Ansprüche, sodass die Durchsetzung dieser Ansprüche erhebliche Schwierigkeiten für den Arbeitnehmer mit sich bringen kann. Als Vorteil erscheint hingegen, dass derartige Ansprüche, entgegen dem Schadensersatzanspruch aus dem Arbeitsgesetz, nicht in der Höhe beschränkt sind, sondern sich auf den vollständigen Schaden beziehen. 
 
Schlussendlich bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hinsichtlich dieser Ansprüche entwickelt, wenngleich den Gerichten – wie dargestellt – kaum Auslegungsspielraum zukommen dürfte. Zweifelhaft bleibt zudem weiterhin, ob die dargestellten Auswirkungen tatsächlich im Sinne des Gesetzgebers stehen.
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