Vorsteuerabzug und Holding: Neuerungen in der Rechtsprechung

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​​zuletzt aktualisiert am 22. Mai 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

In der Praxis steht der Vorsteuerabzug der Führungsholding häufig in Diskussion. Dies ist v.a. der Fall, wenn eine Funktionsholding Eingangsleistungen bezieht, die zu den Kosten ihrer allge­mei­nen Aufwendungen führen, wodurch eine Aufteilung in Bezug auf darin enthaltene Vorsteuern ver­meint­lich benötigt wird. Der EuGH hat in seinen Entscheidungen in den Rechtssachen C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva, Marenave, sowie C-320/17, Marle Partici­pations, zum Vorsteuerabzug einer sog. Führungsholding geurteilt. Aber auch den BFH beschäftigt nach wie vor weiter diese Thematik.
 
    

Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft – Grundsätze

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und BFH – und so auch von der Finanzverwaltung in Abschn. 2.3 Abs. 2 ff. UStAE übernommen – ist eine sog. Funktions- oder Führungsholding umsatzsteuerlicher Unter­nehmer i.S.d. § 2 UStG, wenn deren einziger Zweck nicht nur im Erwerb (auch Halten und Verwalten) von Beteiligungen an anderen Unternehmen besteht und sie unmittelbar in die Verwaltung sowie das operative Tagesgeschäft dieser Gesellschaften eingreift, diese steuert und führt.
 
Eine Funktionsholding ist grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit sie Leistungen für ihr Unter­nehmen und damit für ihre unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt bzw. verwendet. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug der Funktionsholding wird generell anhand eines bestehenden direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangs­leistungen festgemacht oder bei Kosten angenommen, die zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens gehören.
  

Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für die Kapitalbeschaffung

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 16.7.2015 in den verbundenen Rechtssachen C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave entschieden, dass Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen von einer Führungsholding getragen werden, als Teil der allgemeinen Aufwendungen einer Holdinggesellschaft anzusehen sind. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer ist grundsätzlich vollständig abziehbar, je nach wirtschaftlicher Gesamttätigkeit des Unternehmers.
 
Dem hat sich der BFH in seiner Nachfolgeentscheidung angeschlossen, womit er seine Auffassung aufgab, dass die Kapitalbeschaffung auch mit einem nichtwirtschaftlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zusam­menhänge und daher gegebenenfalls nur ein teilweiser Vorsteuerabzug (mit Konsequenz einer Vorsteuer​­aufteilung) möglich sei. Der Vorsteuerabzug wäre hier grundsätzlich gewährt worden, auch wenn die erklärte Umsatzsteuer aus steuerpflichtigen Umsätzen nur ca. EUR 300 betragen hat.
 
Eine betragsmäßige Relation zwischen Vorsteuer und Ausgangsumsatzsteuer, wie regelmäßig von der Finanz­verwaltung in Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für ein (volles) Vorsteuerabzugsrecht verlangt, ist nach Ansicht des 11. Senats des BFH wohl nicht mehr zwingend.    
  

Umsetzung der Rechtsprechung nur teilweise durch die Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung sieht hingegen das Recht auf Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von Kapital zur Anschaffung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung für den Unternehmer (hier die Führungsholding) als kritisch an, soweit das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu der im unter­neh­merischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht.
 
Es wird behördenseitig (immer noch) auf ein betragsmäßiges Verhältnis zwischen Eingangs- und Ausgangs­umsätzen ab­ge­stellt. An diesem Zusammenhang soll es nämlich fehlen, wenn diese in keinem (betragsmäßigen) Verhältnis zueinanderstehen, d.h. nicht in betragsmäßig gleicher Höhe „Preisbestandteile der Ausgangs­leistungen“ werden. Somit wird die Rechtsprechung des EuGH und des 11. Senats des BFH bislang nicht umgesetzt.
 
Die Finanzverwaltung bezieht sich (allein) auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BFH zu dieser Thematik. Dort wurde mit Urteil vom 6.4.2016 (Az. V R 6/14) darüber entschieden, dass Vorsteuern anteilig im Verhältnis des für Investitionen genutzten Kapitals zum vermeintlich – mangels anderer geplanter und dokumentierter Investitionen – verbliebenen Kapital aufteilt werden. Somit würde der unternehmerische Bezug von Vorsteuern von einer betragsmäßigen Größenordnung und von einer bestimmten Kosten­kategorie („Investitionskosten“) zu zeitnahen bzw. dokumentiert beabsichtigten Ausgangsumsätzen abhängig gemacht.
 

Vorsteuerabzug nach EuGH-Urteil in Rechtssache Marle Participations

Der EuGH entscheid am 5.7.2018 in der Rechtssache C-320/17, Marle Participations, dass eine Holding­gesell­schaft grundsätzlich zum vollen Vorsteuerabzug aus Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften berechtigt ist. Eine Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft eingreift und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

 
Als Eingriffe in die Verwaltung gelten neben dem Erbringen gegen Entgelt von administrativen, buch­halte­rischen, finanziellen, kaufmännischen, technischen und IT-Leistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft auch die (bei wirksamer Option) steuerpflichtigen Vermietungsleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften. 

 
Zudem – und noch entscheidender – ist festzuhalten, dass bei der Bewertung des Vorsteuerabzugsrechts einer Führungsholding weder der Umsatz, den diese Gesellschaft aus Vermietungsdienstleistungen an die Tochter­gesellschaften erbracht hat, noch ihre Einkünfte aus ihrer Beteiligung am Kapital der Tochter­gesellschaft relevant sind. D.h. der vollständige Vorsteuerabzug wird auch dann gewährt, wenn die Eingangsleistungen aus denen Vorsteuerabzug begehrt wird, betragsmäßig in einem Missverhältnis zu den steuerpflichtigen Leistungen der Tochtergesellschaften stehen, da das Recht zum Vorsteuerabzug nicht an das Ergebnis der Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmers anknüpft.

 

Aktuelle Rechtsprechung des BFH zur Unternehmereigenschaft einer Holding aus 2020 und 2024

Aber auch der BFH beschäftigt sich immer weiter mit der Unternehmereigenschaft von Holdinggesellschaften bzw. deren Recht auf Vorsteuerabzug. Hierbei folgt er in ganzer Linie der bestehenden Rechtsprechung des EuGH mit den Urteilen Larentia + Minerva und Marenave bzw. Marle Participations. Recht deutlich wurden nun vom BFH in seinem Urteil vom 12.2.2020 (XI R 24/18) bzw. dem nachfolgend mit Beschluss vom 10.1.2024 (XI B 13/22) die folgenden, lange strittigen Punkte klargestellt: 
  • Steuerbare Ausgangsleistungen einer Holdinggesellschaft müssen keine besondere „Eingriffsqualität“ aufweisen, um die Unternehmereigenschaft einer Holdinggesellschaft zu begründen. 
  • Es reicht aus, wenn die Erbringung von steuerbaren Ausgangsleistungen durch die Holdinggesellschaft in Zukunft beabsichtigt werden. 
  • Es steht einer wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. der Annahme, dass Leistungen gegen Entgelt erbracht werden, nicht entgegen, dass eine Holdinggesellschaft auch Kosten für eigene Leistungsbezüge in das von den Tochtergesellschaften zu zahlende Entgelt kalkulatorisch mit einbezieht.
    

Hinweise für die Praxis

Diese Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist sehr positiv zu werten. Sie bietet Steuerpflichtigen zunächst Klarheit darüber, in welchem Umfang eine Führungsholding in die Verwaltung der Tochtergesellschaften eingreifen muss und dass eine (entgeltliche, steuerpflichtige) Vermietung ebenso für ein grundsätzliches Vorsteuerabzugsrecht zielführend wäre. Auch soll es ausreichend sein, wenn eine derartige Tätigkeit erst in der Zukunft beabsichtigt würde. Um die Absicht für die Zukunft zu belegen und nachweisen zu können, empfehlen sich entsprechende Dokumentationen/Businesspläne bzw. Kalkulationen. 

 

Zudem stellt der EuGH in der Rechtssache Marle Participations klar, dass es für die Frage des Vorsteuerabzugs nicht auf den betragsmäßigen Umfang der an die Tochtergesellschaften ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ankommt. Ebenfalls soll es laut BFH nicht auf die „Eingriffsqualität“ der Tätigkeit ankommen. Diese Aussagen zu nicht notwendiger „Quantität und Qualität“ der Tätigkeiten einer Holdinggesellschaft sollten Diskussionen mit den Finanzbehörden erleichtern.

 

Gleichwohl bleiben in der Praxis einige Risikofelder hinsichtlich des Vorsteuerabzugs einer Holding bestehen: Fragen der Qualifikation als Unternehmerin, Zuordnung der Beteiligungsgesellschaften zu ihrem unter­neh­merischen Bereich, Bestehen von unternehmerischem und nichtunternehmerischem Bereich und damit ggf. notwen­dige Vorsteueraufteilung mit Diskussion über eine Quote, Überlegung und Dokumentation zum (beabsichtigten) Umfang und Inhalt der Geschäftstätigkeit oder auch der Einbezug in eine umsatzsteuerliche Organschaft​.

 

Idealerweise sollte bei Aufsetzen einer Holdingstruktur ebenso umsatzsteuerlich überlegt werden, welche Geschäfte in welchen Gesellschaften geführt werden und wie die Kostenstruktur und -verteilung (und Doku­mentation der Kosten z.B. als Investitionskosten) mit Blick auf einen Vorsteuerabzug geplant und gelebt ist.   

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