Das deutsche Lieferkettengesetz: Kontrolle der Arbeitsstandards und des Umweltschutzes in Marokko

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veröffentlicht am 8. Mai | Lesedauer ca. 3 Minuten

von Dr. Christian Steiner

 

 

Investitionsstandort Marokko

 

 

Marokko hat sich im vergangenen Jahrzehnt zu einem wichtigen Industriezentrum für Investoren aus der ganzen Welt entwickelt. In unmittelbarer Nähe zu Europa ist das Land außerdem ein interessanter Logistikstandort. Das Land lockt ausländische Unternehmen mit einer guten Infrastruktur und steuerlichen Anreizen. Marokko schlägt sich sehr gut im regionalen Wettbewerb Nordafrikas und gilt als einer der attraktivsten Investitionsstandorte des Kontinents. Das Königreich bietet politische Stabilität, eine stetig wachsende Wirtschaft und staatliche Förderungen für Inves­to­ren. Dank einer wirtschaftsfreundlichen Reformpolitik und einer modernen Infra­struk­tur – jedenfalls in den relevanten Landesteilen – liegt das Land im oberen Viertel des Doing-Business-Index der Weltbank.

 

Zwischen Marokko und Deutschland bestehen signifikante Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. So belegte Deutschland in der marokkanischen Handelsbilanz 2021 den 6. Platz; es importierte aus Marokko Waren im Wert von 1,6 Mrd. Euro.
 

Tendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung des Königreichs Marokko

Marokko entwickelt sich von einem Niedriglohnstandort qualitativ weiter und bietet so Anknüpfungspunkte für Offshoring von Engineering-Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung. Besonders stark vertreten sind der Automobilsektor und die Flugzeugindustrie. Traditionell spielt in der Außenwirtschaft zwar weiterhin die Textilindustrie eine wichtige Rolle, zunehmend aber auch die Landwirtschaft. Auch im Dienst­leis­tungs­be­reich hat sich Marokko, neben dem seit jeher bedeutsamen Tourismus, zu einem wichtigen Finanzstandort für unternehmerische Aktivitäten Richtung Afrika südlich der Sahara entwickelt.
 
Der Staat möchte über verstärkte private Investitionen in Marokko einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung erreichen. Mit der sog. Investitionscharta (Charte d’Investissement) wurde das Ziel formuliert, den Anteil der privaten Investitionen am Gesamtinvestitionsvolumen im Königreich deutlich zu erhöhen. Derzeit stammen etwa zwei Drittel der Kapitalanlagen aus dem öffentlichen Sektor. Gleichzeitig sollen die Investitionen in Zu­kunft möglichst alle Landesteile außerhalb der Ballungs- und schon bestehenden Industriezentren erreichen. 
 

Welche Herausforderungen bestehen in Marokko mit Blick auf die Überwachung der Lieferketten?

Obschon Menschenrechte eine immer wichtigere Rolle im politischen Bewusstsein Marokkos einnehmen, wird die praktische Anwendung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes (LkSG) ein erhöhtes Maß an Risikoanalyse und -management verlangen. Die Anforderungen an die Wahrung von Menschrechten, ihren Standards und die sich hieran anknüpfenden Unternehmenspflichten sind in Marokko noch nicht mit denen Deutschlands oder anderer europäischer Staaten vergleichbar. Als ehrgeiziges Schwellenland ohne nennens­werte Rohstoffvorkommen (mit Ausnahme des Phosphats), die eine Rentenökonomie erlauben würden, muss das Land wirtschaftlichen Wohlstand als Voraussetzung für die Konsolidierung sozialer Sicherungsnetze, Umweltstandards und anderer ESG-Ziele mit Fleiß und gutem Management erarbeiten. Rund 20 Prozent der Bevölkerung leben noch unter der nationalen Armutsgrenze; davon gut 70 Prozent in ländlichen Gebieten. 
 

Kritische Branchen in der Lieferkette in Marokko

Der Grad der Regulierung in den LkSG-sensiblen Bereichen ist auch in Marokko relativ hoch, wenngleich nicht so weit ausdifferenziert wie in den meisten Staaten der EU. Das Arbeitsrecht etwa sieht strenge Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern vor, etwa mit Blick auf Diskriminierung, die maximale Arbeitszeit pro Tag/Woche/ Jahr, Mutterschutz, Schutz von Minderjährigen, Urlaub, Kündigungsschutz oder Sicherheit am Arbeitsplatz. Arbeitsinspektoren und Arbeitsgerichte nehmen ihre Aufgabe ernst. Verstöße sind daher wahrscheinlicher in kleineren Unternehmen außerhalb der industriellen Hubs. Die Arbeitsbedingungen in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit entsprechen abseits des Blickes der Aufsichtsorgane nicht immer den gesetzlich vorge­schrie­be­nen Standards. Vor diesem Hintergrund sollte etwa in Sektoren wie der Landwirtschaft, der Textilbranche, der Elektrozubehör- und Autoindustrie, aber auch im Bergbau (insbesondere bei der Phosphat-Gewinnung) auf die Einhaltung der anwendbaren Standards in der Lieferkette geachtet werden.
 
Beim Abbau von Rohstoffen, gerade von Phosphat, spielt die Einhaltung von Umweltstandards eine besonders wichtige Rolle. In dem phosphatreichsten Land weltweit schlummern 70 Prozent der heute bekannten Reser­ven; zugleich ist Marokko der größte Phosphat-Exporteur der Welt. Ohne Phosphate für die Düngung ist die moderen Landwirtschaft nicht denkbar. Auf Marokko entfallen 40 Prozent der europäischen Phosphatein­fuhren. Der Abbau von Phosphat setzt Fluor in toxischen Dosen frei, welches sowohl Vieh als auch Menschen kontaminiert und das Risiko schafft, an Silikose, also einer Staublunge, zu erkranken. Die in den im Landes­inneren liegenden Minen Beschäftigten sind naturgemäß Anwohner in den umliegenden Dörfern. Diese, sowie die unmittelbare Umwelt, sind den Emissionen der Düngerindustrie stark ausgesetzt. 
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