Indien: Kommt zusammen was zusammengehört? Unsere Reflexion zu Habecks Indienbesuch

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veröffentlicht am 11. August 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Rahul Oza und Valentin Ketterer 


Indien ist seit jeher ein wichtiger und langjähriger Wirtschaftspartner für Deutschland. Allein im letzten Jahr ist das Handelsvolumen auf rund 30 Milliarden Euro gestiegen; das macht Indien zum wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Süd- und Südost­asien. Daher hat sich auch die Partnerschaft ständig weiterentwickelt und verbessert. Am 19. Juli 2023 besuchte der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Klima­schutz zum ersten Mal seit 10 Jahren Indien. Robert Habeck, Deutschlands Vize­kanzler, hatte sich das Ziel gesetzt die Kooperation und Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen und des bevor­stehenden G20-Gipfels weiter zu verstärken. 
 

 

 

Geopolitische Herausforderungen

Einer der Einflussfaktoren ist der Krieg in der Ukraine. Seit Beginn des Konflikts haben die westlichen Länder das Vorgehen Russlands verurteilt. Indien hingegen hat die Handlungen Russlands nicht verurteilt, sondern stets eine neutrale Haltung eingenommen und sich für eine friedliche Lösung des Konflikts eingesetzt. Robert Habeck nutzte seinen Besuch unter anderem, um darüber zu sprechen. Der Vizekanzler er­wähnte jedoch auch, dass er die langjährigen Beziehungen zwischen Indien und Russland stets respektieren würde.
 
Auch die laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FTA, „Free Trade Agreement”) zwischen der EU und Indien waren ein weiterer Diskussionspunkt. Der Minister bekräftigte gegenüber der indischen Regierung, dass er das Freihandelsabkommen unterstützt und die Verhandlungen von seiner Seite aus be­schleunigen würde. Das ist zum Teil auf die jüngste Veröffentlichung der deutschen China-Strategie zurück­zuführen, die darauf abzielt, die einseitige Abhängigkeit Deutschlands von China in der asiatischen Region zu verringern. Um mit der neu formulierten Strategie Erfolg zu haben, müssen jedoch neue Wirtschaftspartner ge­funden werden, etwas wofür sich Indien angesichts seiner Zuverlässigkeit und wachsenden Wirtschaftskraft hervorragend eignen würde.
 
Der bevorstehende G20-Gipfel spielte beim Besuch des deutschen Vizekanzlers ebenso eine wichtige Rolle, da seit Anfang des Jahres Indien die Präsidentschaft innehält. Während seines dreitägigen Besuchs wurden Themen wie Nachhaltigkeit, Handel und Energiepolitik erörtert. All diese Themen stehen auf der G20-Agenda Indiens und sind von besonderem Interesse, da Indien plant, während seiner Präsidentschaft ein führendes Land für den globalen Süden zu werden.

 

Unbegrenztes Potenzial

In den letzten Jahren schuf Indien perfekte Bedingungen für zukünftiges Wachstum. In Anbetracht der aktuellen politischen Situation, welche von Russland und China geprägt ist, könnte Indien als der große Gewinner hervorgehen.

 

Eines der von der indischen Regierung ins Leben gerufenen Projekte ist die „Make in India Mittelstand!” (MIIM) Initiative. Dieses Projekt wurde von der indischen Botschaft in Berlin und dem Department for Promotion of Industry and Internal Trade (DPIIT) ins Leben gerufen und hat zum Ziel, den deutschen Mittelstand in Indien zu fördern und zu unterstützen. Aus genau diesen Gründen freuen wir uns als Rödl & Partner, dass wir dieses Vorhaben als offizieller Knowledge Partner unterstützen können. Durch dieses Projekt erhofft sich Indien weitere wirtschaftliche Investitionen in Form von Kapital, die Indiens Position als wichtiges Produktionszentrum in Südostasien fördern und unterstützen.  Die Initiative bietet ein Netzwerk und Unterstützung für Unter­neh­men, die an der Gründung oder Ausweitung ihres Geschäfts in Indien interessiert sind und bringt staatliche, gemeinnützige und private Einrichtungen für eine umfassende Unterstützung zusammen. MIIM dient auch als Wissensplattform und bietet Zugang zu einer breiten Palette von speziell kuratierten und exklusiven Branchen­berichten, Newslettern, Webinaren, Veranstaltungen und vielem mehr. Das Ziel: Sicherstellen, dass der deutsche Mittelstand gut gerüstet ist, um in Indien zu gedeihen und seine vielfältigen Chancen zu nutzen.
 
Ein weiterer Vorteil für deutsche Unternehmen ist das indische Steuerrecht. Dieses Gesetz besagt, dass Unter­nehmen in Indien nur auf der Grundlage ihres Einkommens besteuert werden. Darüber hinaus gibt es Lizenz­gebühren, Zinsen, Kapitalgewinne und viele weitere Steuern, die jedoch alle sehr günstig für ausländische In­vestitionen (FI, „Foreign Investment”) sind. Das schlagkräftigste Beispiel ist, dass die indische Regierung bei der Einfuhr von Rohstoffen auf Einfuhrsteuern verzichtet, wenn die fertigen Waren wieder exportiert und nicht im Inland verkauft werden. Das zeigt, dass Indien alles in seiner Macht Stehende tut, um ausländische Inves­titionen in Indien zu fördern, um damit den indischen Standort als Produktionsland zu festigen.
 
Neben den genannten Projekten bietet Indien verschiedene Grundlagen und Katalysatoren für wirtschaftlichen Durchbruch. Dabei spielt nicht nur die große Bevölkerung eine wichtige Rolle, sondern auch die Tatsache, dass Indien für seine zahllosen hochrangigen Universitäten bekannt ist und somit über hochqualifizierte Arbeits­kräfte verfügt. In der Verbindung mit der Bereitschaft zu Reformen und der stabilen Demokratie bilden diese Faktoren grenzenloses Potenzial. Hinzu kommt, dass das niedrigere Preisniveau zu günstigeren Gehältern als in westlichen Ländern führt. Genau aus diesen Gründen besuchte der deutsche Bundesarbeitsminister Hubertus Heil etwa zur gleichen Zeit wie Robert Habeck Indien. Gemeinsam riefen sie indische Fachkräfte aktiv dazu auf, nach Deutschland zu kommen, um den dortigen Fachkräftemangel – etwa in der Pflege – entgegenzuwirken. Sie warben mit lukrativen Löhnen und dem neu reformierten Einwanderungsgesetz, welches Fachkräften eine schnellere Einreise und einen schnelleren Zugang zu Arbeitserlaubnissen ermöglicht.

 

Weitere Herausforderungen

Trotz dieser überwältigenden positiven Aspekte Indiens muss auch festgestellt werden, dass noch einige Herausforderungen bestehen bleiben.

 

Indien hat zum Beispiel eine wachsende Wirtschaft und politische Werte, die mit denen des Westens überein­stimmen. Allerdings ist die indische Infrastruktur noch nicht so weit entwickelt wie in westlichen Ländern. Je­doch geht Indien in letzter Zeit genau dieses Problem an, etwa durch steigende Investitionen im Verkehrssektor, welche sich jüngst auf 33 Milliarden Euro pro Jahr beliefen.
 
Außerdem ist die Arbeitslosenquote relative hoch (aktuell 7,4 Prozent). Das ist jedoch maßgeblich darauf zurück­zuführen, dass Indien aktuell die größte Bevölkerung der Welt hat. Zweifelsohne bleiben zukünftige Herausforderung bestehen.

 

Ausblick

Insgesamt kann der Besuch Habecks als Meilenstein des Ausbaus der Beziehungen zwischen Indien und Deutschland gesehen werden. Die anstehende Kooperation und Zusammenarbeit werden in der Zukunft gewiss noch vertieft. Es ist auch wichtig hervorzuheben, dass andere einflussreiche deutsche Politiker in den letzten Monaten Indien besucht haben, z.B. der Verteidigungsminister Boris Pistorius. All diese Besuche unterstreichen die Tatsache, dass die strategische Bedeutung Indiens erkannt und wertgeschätzt wird. Und genau deshalb ist es ein hervorragendes Beispiel für Kooperation und Zusammenarbeit. Führt man das immense Potenzial einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht mit dem Know-how einer etablierten Wirtschaft zusammen, ergeben sich Möglichkeiten, von denen beide Nationen bisher nur hätten träumen können. 

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