Standort Deutschland: Eine Einschätzung zur aktuellen Lage

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veröffentlicht am 12. März 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Dr. Hans Weggenmann, Geschäftsführender Partner, Antwortet




Der Standort Deutschland gerät zunehmend unter Druck und verliert an Attraktivität. Was sind hierfür die Hauptgründe?


Es dürfte nicht überraschen, wenn ich als Steuerberater zuallererst das hohe Steuerniveau sowie die gerade in den letzten Jahren überbordende Bürokratie nenne. Letztere schreckt viele Investoren ab, vor allem wenn es um komplizierte und aufwändige Genehmigungsverfahren geht. Zudem ist auch der Fachkräftemangel in Deutsch­land inzwischen zu einem Dauerthema geworden. Das zieht sich durch alle Branchen und war eigentlich abseh­bar. Die abrupte und bisher nicht zu Ende gedachte Energiewende lässt außerdem die Kosten explodieren. Das schwächt nicht nur den Konsumenten, sondern auch die Industrie, die zunächst die gestiegenen Kosten an den Markt weitergibt, dann aber auch in den Umbau für die Versorgung mit effizienter und klimaneutraler erneuer­barer Energie investieren muss. Obwohl es inzwischen wie eine Phrase erscheint – auch der Digitalisierung wur­de in Deutschland bisher zu wenig Beachtung geschenkt. In diesem Kontext ist insbesondere der Politik ein Vorwurf zu machen, weil man hier schon lange die Grundlagen hätte schaffen müssen. Es wird großer Anstren­gungen bedürfen, um das Feld wieder einzuholen.

Wer sind ihrer Meinung nach die Hauptkonkurrenten Deutschlands im Wettbewerb und was können wir von ihnen lernen?


Gemessen am BIP (2023) zählt Deutschland nach wie vor zu den drei größten Volkswirtschaften und steht damit im Wettbewerb zu den USA und China, gefolgt von Japan, Indien, Großbritannien und Frankreich. Als sehr er­folgreiche Exportnation hat vor allem Deutschland vom EU-Binnenmarkt sehr profitiert. Alle vorher genannten Nicht-EU-Länder haben immer auf ihre Standortpolitik geachtet und je nach Wirtschaftslage konsequent da­nach gehandelt. Zuletzt sieht man in den USA, wie sehr doch der sog. Inflation Reduction Act das Investitions­interesse angekurbelt und für die Wirtschaft die richtigen Signale gesetzt hat. Er setzt die wirtschaftspolitisch gewünschten Anreize für eine Transformation hin zu erneuerbaren Energien und lockt damit vor allem diese Zukunftsindustrie ins Land. Einen derartig großen Wurf hätte man sich von Deutschland oder noch besser von der EU auch gewünscht.

Gerade Industrieunternehmen erwägen aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen offenbar Teile ihrer Wertschöpfungsketten ins Ausland zu verlegen. Ist dieser Schritt sinnvoll?


Diese Frage stellt sich immer. Bei jeder Investitionsentscheidung ist auch die Standortfrage abzuwägen. Anreize wie u.a. Investitionszuschüsse, eine gute Infrastruktur, günstige Grundstücksbeschaffung, gute Fachkräfte, kur­ze Genehmigungsverfahren, ein verlässliches Rechtssystem, der Marktwettbewerb oder ein attraktives Steuer­regime bilden beispielhaft Parameter dafür. Es ist zu befürchten, dass Deutschland bei vielen dieser Punkte weniger gut abschneidet. Statt Windmühlen zu bauen, die dem lauen Konjunkturlüftchen Schwung verleihen, werden in Europa und Deutschland leider immer öfter Mauern gebaut. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das sog. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das sicher von der Zielsetzung gut gemeint ist, aber leider bei der Umsetzung völlig überzogene Anforderungen an die Unternehmen stellt, die Verwaltung beschäftigt und viele interne Ressourcen bindet. Ressourcen, die Richtung Markt gerichtet, viel sinnvoller eingesetzt werden könn­ten, zumal es, wie bereits erwähnt, fast überall an Fachkräften fehlt.
 

Mit dem Wachstumschancengesetz sollten Investitionen und Innovation gefördert und Bürokratieaufwände abgebaut werden. Wurde der Gesetzgeber diesem Anspruch gerecht?

 

Zunächst ist anzumerken, dass das Wachstumschancengesetz aufgrund der erneut entfachten Haushalts­de­batte nach dem BVerfG-Urteil im vergangenen Jahr nicht mehr verabschiedet wurde und lediglich die dringend­sten erforderlichen Korrekturen ins dann verabschiedete Kreditzweitmarktförderungsgesetz übernommen wur­den. Damit bleibt das große Ziel, dem Markt auch von steuerlicher Seite wieder Impulse zu geben, erstmal nicht erreicht. Das gilt insbesondere für die geplante Klimaschutzinvestitionsprämie, mit der Investitionen in das abnutzbare Anlagevermögen zur Verbesserung der Energieeffizienz gefördert werden sollten. Wie aus Berlin zu hören ist, wird dieses Projekt auf Eis gelegt. Verbesserungen bei der Verlustverrechnung und der Sonder­abschreibung für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Einführung der degressiven Abschreibung im Wohnungsbau können nicht darüber hinwegtäuschen, dass vom hoffnungsvollen „Wachstumschancengesetz“ im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern nur eine arg zurechtgestützte steuerliche Entlastung für die Unternehmen übrig bleibt. Beim Bürokratieabbau bleibt zu hoffen, dass mehr getan wird, als Freibeträge und Freigrenzen anzupassen.

Die aktuellen Herausforderungen sind enorm, die Prognosen für das neue Jahr verhalten. Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich dennoch für mittelständische Unternehmen am Standort Deutschland?

 

Als drittgrößte Volkswirtschaft dürfen wir nicht vergessen, dass wir manchmal bereits auf sehr hohem Niveau jammern. Freilich gibt es keinen Grund, sich auf dieser Position auszuruhen, dafür wird der Wettbewerb sorgen. Und genau das ist derzeit auch schon zu sehen. Viele Unternehmen, darunter Start-ups, festigen weiterhin mit innovativen Ideen ihre Marktchancen. Dabei mischen im Übrigen viele im Bereich Künstliche Intelligenz mit, wenngleich natürlich nicht in der gleichen Dimension, wie man das aus den USA kennt. Gelingt es, mehr Venture Capital oder Private Equity nach Deutschland zu locken, könnte man das in innovativen Entwicklungen schlummernde Potenzial schnell erhöhen. Insbesondere im unternehmerischen Umfeld bietet Deutschland immer noch ein sehr weltoffenes und experimentierfreudiges Klima. Hinzu kommt, dass Deutschland in vielen Wissenschaftsinstituten in Forschung und Bildung investiert und sich dabei breit aufgestellt hat. Darin ist auch weiterhin der Nährboden für künftige Marktchancen zu sehen.

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Dr. Hans Weggenmann

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