Die Komplexität verwalten: Regulatorische Hürden am Standort Deutschland

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veröffentlicht am 12. März 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Der Standort Deutschland hört sich immer etwas nach „Old Economy“ an. Dabei zieht die Bundesrepublik direkt Investitionen aus der ganzen Welt an. Die Gründe sind vielfältig, die möglichen Fehler beim Set-up einer Gesellschaft allerdings ebenfalls. Wir wollen einige Aspekte und Fallstricke beim Aufbau einer Gesellschaft oder Niederlassung in Deutschland im Bereich der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung betrachten.


Es sind nicht immer die (Produktions-)Kosten, die Unternehmen umtreiben, wenn sie sich nach neuen Märkten umschauen und auch nicht nur die Kosten für das Erschließen neuer Absatzmärkte. Es treten mittlerweile Faktoren wie die Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern in den Vordergrund. Ideal ist eine Kombination aus allen drei Faktoren, also ein akzeptables Kostenniveau, ein Absatzmarkt für die eigenen Produkte sowie die Möglichkeit, Mitarbeiter für Vertrieb, Entwicklung und Forschung zu finden. Diese Konstellation zieht Unter­nehmen aus der ganzen Welt in die größte Volkswirtschaft Europas und so gründen chinesische oder indische Produzenten (um nur zwei Beispiele zu nennen) regelmäßig Niederlassungen und Tochtergesell­schaften in Deutschland.

Bei den ersten Gesprächen zum Thema Rechnungswesen, Buchhaltung und Tax Compliance fällt jedoch immer wieder auf, dass die deutschen Anforderungen zu den komplexesten der Welt zählen. Viele Maßnahmen sind erklärungsbedürftig und beratungsintensiv.

Erster Schritt bei der Gestaltung des Rechnungswesens für eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft ist in der Regel die Make-or-Buy-Entscheidung. Möchte man eine interne Buchhaltung aufbauen? Hat man schon irgendwo auf der Welt Ressourcen, die unter Umständen die wenigen Buchungen, die bei einem Start-up zunächst anfallen, mit abdecken können? Vielleicht nutzt das Unternehmen bereits vermeintlich globale Platt­formen wie Microsoft D365 und SAP und möchte das neue Land dort einfach als zusätzlichen Buchungs­kreis anlegen. Bei so einem Inhouse-Szenario empfiehlt es sich, bereits zu Anfang einen externen Partner mit ins Boot zu holen, der fachlich in der Lage ist, die gewählte Lösung daraufhin zu beurteilen, ob und in wie weit sie mit den deutschen gesetzlichen Anforderungen übereinstimmt. Das Ergebnis ist dann meist eine Fit-Gap-Analyse, deren Punkte abgearbeitet werden müssen, bevor das System für Deutschland „compliant“ ist.

Den typischen deutschen Ansatz, bei dem internes und externes Rechnungswesen sowie die gesamte Tax Compliance höchst integriert in Systemen abgebildet werden, verwenden viele Länder nicht. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Integrationstiefe auch in den ERP-Systemen nicht berücksichtigt wird. Der Investor, der mit seinem SAP-System einen Buchungskreis für Deutschland aufsetzt, geht davon aus, dass es ausreicht, einen deutschen Steuersatz zu hinterlegen, um die Buchungen in der Umsatzsteuer korrekt abzubilden. Den Rest soll dann ein lokaler Berater „richten“.  Dass es in Deutschland oft übliche Praxis ist, sämtliche für die Steuer relevanten Buchungen gleich im Buchungskreis vorzubereiten und auch die Bilanzierung direkt weitest­gehend im Buchungskreis zu erledigen, ist eine unübliche Praxis in vielen anderen Ländern.

Diese Vorgehensweise stellt grundsätzlich zwar kein Problem dar, da der Steuerberater mit zugelieferten Daten seinen Teil der Wertschöpfung auch nachgelagert erledigen kann. Jedoch stößt dieses Vorgehen immer dann auf Grenzen, wenn ein Unternehmen gleichzeitig versucht, einen Fast-Close umzusetzen und die Zeit einfach knapp wird: Export und Import von Daten, Mapping in das System, aus dem die Deklaration abgegeben wird, Rückmeldung und Integration der Steuerberechnung in die Abschlüsse, Rückfragen und gegebenenfalls Übersetzungen zum Buchungsstoff. In so einem Fall hilft dann schon mal die Verfahrensdokumentation, die nach den GoBD zwingend vorliegen muss. So eine Dokumentation in Form einer sogenannten „Segregation of Duties“ (SoD) kann schon im Vorfeld Problemfälle und Risiken in den Prozessen aufdecken.

Die andere Variante wäre, die lokale Buchhaltung an einen externen Partner zu übergeben. Im Rahmen eines Business-Process-Outsourcing-Projektes wird ebenfalls eine SoD erstellt und auch eine Verfahrensdokumen­tation ist hier notwendig. In der Regel können diese Komponenten dann in einem Service Level Agreement zusammengefasst werden. Die Herausforderungen bleiben die gleichen: Wie kommen die Daten in die nach­gelagerten (Controlling-)Systeme des Unternehmens? Wie können Freigabeworkflows oder Reisekosten­tools des Unternehmens integriert werden? Wie sieht der Ablauf von der letzten Buchung des Jahres bis zur Offen­legung der Abschlüsse aus?

Eine wichtige Rolle bei jeder Variante spielt dabei die Frage, wo das eigentliche Management sitzt. Neben Konsequenzen bezüglich möglichen (Geschäftsführungs-)Betriebstätten stellt sich hier auch die rein praktische Frage, wer eigentlich Rechnungen oder Reisekosten freigibt und ganz allgemein Entscheidungen für die Tochter oder Niederlassung trifft. Eine Frage, die idealerweise noch vor der Entscheidung zur Investition in Deutschland getroffen werden muss.

Aus dem Entrepreneur

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Ulrich Schäfer

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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