CO2-Zertifikatssystem – Regelungsbereich und Auswirkung auf mittelständische Unternehmen

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veröffentlicht am 17. April 2020 / Lesedauer ca. 5 Minuten
 

2019 war von großer Unsicherheit geprägt, mit welchem Instrument die Bundes­regierung einen Preis für CO2 einführen und somit die Einhaltung der Pariser Klima­schutzziele verfolgen wird. Es gab zahlreiche Diskussionen und Publikationen wirtschaftswissenschaftlicher Institute, die die Vor- und Nachteile eines CO2-Zerti­fikats­­systems und einer CO2-Steuer miteinander abwogen. Am Ende entschied man sich in Berlin für ein Zertifikatssystem für die Sektoren Verkehr und Wärme, die vom Europäischen Zertifikatssystem nicht erfasst sind und damit gegen eine CO2-Steuer.

   

  

Am 14. November 2019 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf für das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) zur Einführung eines nationalen Zertifikatehandels für Brennstoffemissionen beschlossen. Damit will Deutschland seiner sanktionsbewehrten, europarechtlichen Verpflichtung zur Senkung deutscher CO2-Emis­sionen um 38 Prozent bis zum Jahr 2030 nachkommen und langfristig das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 erreichen.

 

Die Gründe, warum sich die Regierung für ein nationales Zertifikatshandelssystem entschieden hat, liegen womöglich in der zielgenauen Wirkung eines Zertifikatesystems und der Möglichkeit, es künftig mit dem europäischen ETS (Emission Trade System, kurz: EU-ETS) zusammenzuführen. Es gilt als zielgerichteter, da bei einem Zertifikatshandel die Einsparungen automatisch in dem Gewerbe erreicht werden, in denen der Einsatz bzw. die Einsparung von Brennstoffen (volks-)wirtschaftlich am vorteilhaftesten zu erreichen ist (sprich bei niedrigsten CO2-Vermeidungskosten). Zudem ist durch die zunächst kostenpflichtige Ausgabe von Zertifikaten und dem nachfolgenden Handel eine sehr gute Steuerung der Emissionen möglich. Bei einer CO2-Steuer kann zwar auch kurzfristig über Erhöhung und Absenkung nachgesteuert werden, aber die genauen Reduktions­effekte stellen sich erst verzögert ein und können nur durch eine weitere Anpassung der Steuer wieder beeinflusst werden.

 

Wirkung eines CO2-Preises

Letztlich stellt ein Preis für CO2 (wie bereits beim EU-ETS) eine Internalisierung von Umweltkosten dar. Unternehmen, die fossile Brennstoffe verbrauchen, werden durch den CO2-Preis nach Maß ihrer Emissionen belastet. Viele Umweltbelastungen werden – ökonomisch betrachtet – eben nur verursacht, weil die anfallen­den externen Kosten der Umweltschäden in den Preisen von Gütern und Dienstleistungen nicht berücksichtigt werden; es entsteht damit ein sog. „Marktversagen”. Dem ist nur durch eine Bepreisung der Emissionen zu begegnen. Dadurch wirkt eine Bepreisung in allen Wertschöpfungsstufen von Produkten in dem Moment, in dem Emissionen anfallen. Da sich diese Kosten auf den Produktpreis auswirken, erreichen Produkte mit niedrigeren Emissionen einen Wettbewerbsvorteil bzw. werden Produzenten überhaupt erst durch die Bepreisung in die Lage versetzt, Investitionen in Energieeffizienz oder Brennstoffwechsel auch finanziell darzustellen.

 

Interessant sind auch CO2-Preis-Konzepte, die einen direkten Rückfluss der Einnahmen an die Bürger vorsehen, die dann belastet werden. Diese sog. „Pigout-Steuer”, die bereits als Idee für Reduktion von Umwelteinflüssen im Jahr 1920 vom britischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou formuliert wurde, hat keine fiskalische Wirkung, sondern möchte lediglich das Lenkungsprinzip von Steuern bzw. Abgaben nutzen. Eine CO2-Steuer dieser Art wurde in der Schweiz erfolgreich eingeführt. Die Rückzahlung ist dort über die Krankenkasse organisiert.

 

Betroffene Unternehmen

Zurück zum BEHG, das für ca. 4.000 Unternehmen zunächst eine weitere administrative Belastung sowie auch Compliance-Fragen aufwirft: Die Unternehmen müssen in unmittelbar sowie mittelbar betroffene Unternehmen eingeteilt werden.

 

Zur Kategorie der unmittelbar betroffenen zählen Unternehmen, die Energieerzeugnisse (die unter das BEHG fallen) in den Verkehr bringen – also Unternehmen der Mineralöl- und Gasbranche. Sie werden sich auf zahlreiche neue Verpflichtungen ab 2021 einstellen müssen.

 
Mittelbar sind alle Unternehmen der deutschen Industrie tangiert, die nicht dem bereits oben erwähnten EU-ETS unterliegen sowie Unternehmen der Gebäudewirtschaft und Verkehrsunternehmen. Nur eine schrittweise Reduktion von fossilen Brennstoffen (höhere Energie-Effizienz) oder der Umstieg auf Erneuerbare Energien wird bei ihnen eine ansteigende Belastung abfangen können.

 

Die unmittelbar betroffenen Unternehmen werden zum Kauf von Emissionszertifikaten bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (beim Umweltbundesamt angesiedelt) verpflichtet. Die entsprechenden Mengen müssen die Unternehmen zunächst ermitteln und extern auditieren lassen. Für die ermittelte Menge muss erstmals zum 31. August 2022 (im Folgenden jährlich) die entsprechende Zertifikatsmenge abgegeben werden. Während der fünf Jahre dauernden Einführungsphase werden die Zertifikate zu einem Festpreis veräußert. Dieser Einstiegspreis und dessen weitere Entwicklung war Gegenstand zahlreicher politischer Diskussionen – Umweltverbände plädierten für einen viel höheren Wert, als die zunächst angesetzten 10 Euro – die Industrie befürchtete eine zu hohe Belastung. Bund und Länder einigten sich im Vermittlungsausschuss darauf, den CO2-Preis ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro pro Tonne festzulegen. Im Anschluss steigt der Preis schrittweise bis zu 55 Euro im Jahr 2025 an. Für das Jahr 2026, ab dem die Zertifikate dann frei versteigert werden, soll ein Preiskorridor von mind. 55 und höchstens 65 Euro gelten. Eine Klarstellung wie die konkrete Umsetzung in den vielen Details erfolgen soll, ist allerdings zeitlich nach hinten geschoben worden. Dazu sind 14 Verordnungsermächtigungen vorgesehen, die u. a. die Regelungen des Versteigerungsverfahren, die Festlegung von jährlichen Emissionsmengen oder die Vermeidung von „Carbon Leakage” (Auslagern von emissionsintensiven Prozessen ins Ausland) festlegen sollen. Erheblich dürfte auch der Regelungsbedarf werden, um Doppelbelastungen bei Unternehmen zu vermeiden (explizit im § 7 Abs. 5 erklärt), die bereits im EU-ETS erfasst sind.

 

Auswirkungen auf die mittelständische Industrie

Dazu betrachten wir die Mehrkosten bezogen auf Diesel und Gas, die durch die entsprechenden Zertifikats­preise im Endproduktpreis zusätzlich abzubilden sind. In der folgenden Tabelle ist die Berechnung von Zusatzkosten dargestellt. Die Werte bilden sich ab 2026 nach dem Marktpreis.

 

 

  

 

Um die Mehrbelastung greifbarer zu machen, ergibt es Sinn die Belastung auf einen Fuhrpark vereinfacht zu berechnen. Ein Unternehmen mit einem Fuhrpark von 20 Fahrzeugen (Diesel-PKWs) verbraucht pro Jahr ca. 30.000 Liter Diesel – somit ergibt sich (netto) bei einem CO2-Preis von 65 Euro eine Mehrbelastung von 5.220 Euro pro Jahr. Für Fuhrparks oder Betriebe mit einer energieintensiven Produktion, die noch nicht im EU-ETS erfasst sind, folgen daraus Belastungen, die durch höhere Effizienz, (wenn möglich) Umstellung des Brenn­stoffes oder Umsteigen auf Elektromobilität beherrschbar werden. Durch den gegebenen Zeitraum von 2021 bis 2026 erstreckt sich die Phase für eine weitere Anpassung der eigenen Prozesse auf einen ausreichenden Zeitraum.

 

Gravierend dürfte auch sein, dass ein sinkender Zertifikatspreis künftig nicht zu erwarten ist. Das wäre erst der Fall, wenn die Nachfrage nach Zertifikaten für die Verbrennung von fossilen Brennstoffen deutlich unter dem Angebot liegt. Somit wird die vielbesagte Lenkungswirkung erreicht werden, da Unternehmen sich intensiv mit ihrem CO2-Fußabdruck beschäftigen werden müssen.

 

Handlungsbedarf für das Management

Jedes Unternehmen ist aufgefordert, den eigenen CO2-Fußabdruck zu analysieren und Minderungsmaßnahmen zu ergreifen. Eine Analyse sollte nicht nur die unmittelbaren Emissionen umfassen, bspw. den Treibstoff­verbrauch, sondern auch vorgelagerte Prozesse bei Zulieferunternehmen von Halbfertigprodukten mit ein­beziehen. Jede Tonne CO2 macht sich am Ende beim Endkundenpreis bemerkbar.

 

Nach einer Analyse sind sukzessive Maßnahmen zu ergreifen, die vielfältig sein können und oftmals bereits bekannt sind; ihre Umsetzung wurde aber bislang auf die lange Bank geschoben:

  1. Höhere Energieeffizienz durch Modernisierung von Industrieanlagen und Gebäuden
  2. Einführung eines Energiemanagements bzw. Umsetzung von Maßnahmen zur Energieeffizienz
  3. Umsetzung von Investitionen in Eigenerzeugung
  4. Umstellung von Fuhrparks auf Elektromobilität
  5. Umstellung auf CO2-neutrale Brennstoffe

  
Gerade beim letzten Punkt wird auch die deutsche Energiewirtschaft liefern müssen. Dazu gibt es diverse Ansätze – wie die Elektrifizierung von Prozessen und somit das Vermeiden von Verbrennungsvorgängen oder die Umstellung auf „grünes“ Methan (als Ersatz für Erdgas) bzw. künftig grünen Wasserstoff („grün“ bedeutet dabei, dass die Produktion aus regenerativen Energien erfolgt und nicht als Abspaltungsprodukt von CH4).

 

Es ist nicht zu erwarten, dass der deutsche Mittelstand binnen einer Dekade vollständig dekarbonisiert werden kann. Jedoch zählt jede Maßnahme wirtschaftlich wie auch ökologisch und wird sukzessive durch den Gesetz­geber mit Fördermitteln und -kredite unterstützt werden. Auf die bestmögliche Umstellung der Prozesse auf eine dekarbonisierte Wirtschaft gründet sich dann das Fundament einer weiteren nachhaltigen Geschäfts­tätigkeit.

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