Strombilanzkreis für Gebietskörperschaften – Diskussion der strategischen, wirtschaftlichen und operativen Herausforderungen

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veröffentlicht am 2. Januar 2025


Der Ausbau Erneuerbarer Energien geht auch auf kommunaler Ebene und aufseiten öffentlicher Unternehmen stetig voran. Ziel ist dabei oftmals den selbst erzeugten Strom über die Kundenanlage hinaus auch selbst zu nutzen. Die Eigenstromverwendung oder Stromlieferung über das Netz stellt dabei eine besondere Herausforderung an die Kenntnis energiewirtschaftlicher Prozesse und Verfahren dar. Mit dem richtigen Vorgehen und/oder kompetenten Partnern kann dies jedoch gelingen und wirtschaftlich-ökologische Ziele wie die verbesserte Grünstromnutzung können erreicht werden.​​​​​​​

Zahlreiche Städte, Gemeinden, Kreise und andere öffentliche Institutionen haben sich entschieden, ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Hierbei spielen die Energieversorgung und insbesondere die nachhaltige Stromversorgung eine entscheidende Rolle.

Um diese Ziele zu erreichen, wurde in der Vergangenheit die Strombeschaffung auf den Bezug von Ökostrom mit Herkunftsnachweisen ausgerichtet. Die Kernfrage war dabei oft, in welcher Qualität die Herkunftsnachweise beschafft werden. 

Inzwischen gewinnt die Ökostromproduktion mit eigenen Anlagen (insbesondere Photovoltaik und Windkraft) an Bedeutung. Während dies bisher meist über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vermarktet wurde, wird zunehmend die Nutzung des selbst produzierten Stroms für die Substitution des Stromeinkaufs angestrebt.

Im Folgenden wird erläutert, welche strategischen, wirtschaftlichen und operativen Herausforderungen damit verbunden sind und ob bzw. in welchem Umfang hier ein eigener Strombilanzkreis dazu beitragen kann, eine klimaneutrale Stromversorgung zu realisieren.

Was ist ein Strombilanzkreis?

​Strombilanzkreise werden klassischerweise von Energieversorgungsunternehmen genutzt, um Erzeugung und Verbrauch in Einklang zu bringen. Denn Stromvertriebsunternehmen müssen nachweisen, dass diese für den an die Kunden verkauften Strom gleichzeitig und in identischem Umfang (Menge bzw. Leistung) Strom beschafft haben. Die Stromversorgung kann nur sicher betrieben werden, wenn Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht sind. Ansonsten würde – bezogen auf das gesamte Versorgungssystem bei zu viel oder zu wenig Erzeugung im Vergleich zum Verbrauch – die Stromversorgung zusammenbrechen. 

Um dies sicherzustellen, müssen Energieversorgungsunternehmen einem Bilanzkreis zugeordnet sein oder selbst Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) sein. Letztlich müssen diese gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern nachweisen, dass die beschafften und verkauften Strommengen immer im Gleichgewicht sind. Es soll ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung bzw. Bezug und tatsächlichem Verbrauch hergestellt werden. Dafür sind die Übertragungsnetzbetreiber zuständig, die kontinuierlich das Stromnetz monitoren und sicherstellen, dass Netzspannung und Netzfrequenz innerhalb der vorgeschriebenen Bandbreiten liegen. Das Diagramm gibt eine vereinfachte Übersicht über die Leistungsbeziehungen eines Strombilanzkreises.

Strombilanzkreis für Gebietskörperschaften

​Um die klimaneutrale Stromversorgung zu realisieren, kann es daher von Interesse sein, dass Gebietskörperschaften mit eigenen Stromerzeugungsanlagen und Stromverbrauchern einen eigenen Bilanzkreis aufbauen bzw. einen Bilanzkreis von einem BKV führen lassen, mit dem die eigenen Erzeugungsanlagen den Strombezug substituieren und letztlich eine viertelstundenscharfe Bilanzierung vornehmen können. Welche Chancen und Risiken aber auch Herausforderungen damit verbunden sind, wird im Folgenden erläutert.

Wirtschaftlichkeit der eigenen Stromerzeugung

​Für die Wirtschaftlichkeit von eigenen Stromerzeugungsanlagen (Photovoltaik, Windkraft etc.) stellen sich primär die folgenden Fragen:

  • In welchem Umfang kann der erzeugte Strom für die Eigenstromversorgung vor Ort genutzt werden und muss nicht ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden? 
  • Kommt für erzeugten Strom der Bau einer Direktleitung infrage?
  • Kann bei Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung eine Stromsteuerbefreiung in Anspruch genommen werden?
  • Welche Vergütung kann bei EEG-Direktvermarktung im Vergleich zur substituierten Strombeschaffung realisiert werden?

Für den wirtschaftlichen Betrieb von EE-Stromerzeugungsanlagen gelten die folgenden Thesen:

  • Eigenstromlösungen sind aufgrund der Einsparung von Netzentgelten und Umlagen meist zu favorisieren.
  • Die Stromsteuerbefreiung aus Anlagen unter 2 MW(el) kann im Falle von Eigenstromnutzungen oder Direktlieferungen von Erzeuger an Verbraucher erreicht werden, wenn bei Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung der räumliche Zusammenhang (max. 4,5 km Entfernung) gegeben ist.
  • Mit der geförderten EEG-Direktvermarktung oder der Einspeisevergütung über den EEG-Bilanzkreis wird meist eine höhere Vergütung für den Anlagenbetreiber erwirtschaftet als mit der sonstigen Vermarktung über den Spotmarkt an der Strombörse. Für die Realisierung dieser wirtschaftlichen Vorteile ist nicht zwingend ein Strombilanzkreis erforderlich, sondern stattdessen müssen die rechtlichen Anforderungen der jeweiligen Anwendungsfelder erfüllt werden.

Diskussion 

​Wenn eine Gebietskörperschaft überlegt, einen Strombilanzkreis für die eigenen Stromverbraucher und Stromerzeuger zu realisieren, sollte die Machbarkeit geprüft und die wirtschaftlichen Effekte im Detail abgebildet werden. Dabei sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:

  • Mit einer Eigenverbrauchslösung innerhalb einer Kundenanlage können Stromnebenkosten (Netzentgelte, Umlagen, Stromsteuer) eingespart werden. Mit einer Eigenverbrauchslösung im räumlichen Zusammenhang mit Netznutzung kann die Stromsteuer eingespart werden. 
  • Im Hinblick auf den Energiepreis begrenzt sich in den meisten Fällen die Kosteneinsparung auf den Strommarktwert am Spotmarkt.
  • Es muss davon ausgegangen werden, dass der Preis des beschafften Stroms für Reststrommengen nach Abzug der Eigenerzeugung höher ist als der Strompreis ohne Eigenerzeugung. Hintergrund ist, dass die EE-Anlagen zu Zeiten einspeisen, wenn gleichzeitig viele andere Anlagen einspeisen und dann die Strompreise niedrig sind –​ der verbleibende Strombedarf daher (je nach Menge und Beschaffungsmodell) teurer.
  • Die EEG-Direktvermarktung im Marktprämienmodell der eigenen Erzeugungsanlagen ermöglicht eine sichere wirtschaftliche Basis mit einer langfristigen stabilen Vergütung und sichert dabei gegen langfristige Unsicherheiten der Strombörsenpreisentwicklung ab.
  • Die Kosten für den Aufbau und Betrieb des Strombilanzkreises sowie die erforderliche Umsetzung passender Messkonzepte ist nicht zu vernachlässigen.
  • Bei Umsetzung eines Strombilanzkreises im Rahmen eines Konzerns mit Tochtergesellschaften sind steuerliche Effekte (steuerliche Organschaft, Ertragsteuer, Umsatzsteuer) zu berücksichtigen.

Fazit

Strombilanzkreise bieten die Chance, die Nutzung der eigenen Stromerzeugungsanlagen im Rahmen der Stromversorgung von Liegenschaften von Gebietskörperschaften transparent zu machen. Bevor ein Strombilanzkreis umgesetzt wird, sollte im Detail geprüft werden, welche wirtschaftlichen, steuerlichen und operativen Effekte sich ergeben, denn die Vorteilhaftigkeit ist keine Selbstverständlichkeit. Es sollten wirtschaftliche Nachteile durch die nicht-optimale Vermarktung des selbst erzeugten Stroms vermieden werden. In welchem Umfang die Kosten eines Strombilanzkreises durch Zusatzerlöse aufgewogen werden, hängt vom Einzelfall ab. 

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass ein Strombilanzkreis eine Transparenz der eigenen Stromversorgung ermöglicht. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass ein Strombilanzkreis zu insgesamt höheren Stromkosten führt und kein relevanter Beitrag zur CO2-Minderung erreicht wird.

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