Interview mit Martin Wambach

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. September 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten
Die sog. Nachhaltigkeitsberichterstattung ist zentraler Teil des sog. Green Deals der Europäischen Union. Grundlage hierfür ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs zum CSRD-Umsetzungsgesetz am 24. Juli 2024 entsteht Klarheit über Inhalt, Umfang und Ver­ant​­wortlichkeiten bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. 

Die Verpflichtung zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nach Unter­nehmensklassen bzw. -größen zeitlich gestaffelt.



​​Martin Wambach, Geschäftsführender Partner, ​Antwortet




Herr Wambach, was umfasst der Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD nun konkret?​


Der Regierungsentwurf sendet drei wesentliche Botschaften aus: 

​Die erste gute Nachricht ist, dass mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs zum CSRD-Umsetzungs­gesetz am 24. Juli 2024 klar wird, dass die Regierung unverändert plant, die CSRD weitestgehend eins zu eins ins deutsche Handelsrecht (HGB) umzu­setzen; ein Hinausgehen über europäische Vorgaben ist nicht vorge​­sehen. Inhaltlich ergibt sich neben einigen übergeordneten Angabepflichten zum Zusammenspiel von Nach­haltigkeit und Geschäftsmodell oder der Be​­rück­sichtigung von Nachhaltigkeit in Unternehmenspolitik und -zielen, der Großteil der Berichts­an­for­derungen aus den Standards für die Nachhaltigkeits­bericht​­er­stattung (die European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS). Mit Blick auf die Berichterstattung sind zwei Aspekte zusätzlich von besonderer Bedeutung. Zum einen hat die Berichterstattung nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zu erfolgen. Danach müssen Unternehmen sowohl darüber berichten, wie sich Nachhaltigkeits​­themen auf ihr Geschäft auswirken ("outside-in"), als auch darüber, wie sich ihre Aktivitäten auf Gesellschaft und Umwelt auswirken ("inside-out"). Zum anderen ist der Nachhaltigkeitsbericht als Teil des Lageberichts zu erstellen. 
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Zweitens ist positiv, dass die Einreichung von Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz-Berichten für Geschäfts­jahre beginnend vor dem 1. Januar 2024 auf den 31. Dezember 2025 verschoben wurde. 
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Drittens wird klargestellt, dass die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten nur durch Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erfolgen darf. Für unseren Berufsstand ist das ein großartiger Ver­trauens­be­weis. Zum einen, dass man unserer Professionalität vertraut und zum anderen, dass die Wirtschaftsprüfer einen sinnstiftenden Beitrag zur Verbesserung einer nachhaltig agierenden Gesellschaft leisten können. Gleichzeitig bedeutet dieser Vertrauensbeweis auch eine große Herausforderung, die wir von Rödl & Partner aber sehr gerne annehmen. Unsere Mandanten können sich auf uns verlassen, dass wir sie gewohnt professionell bei der Um­setzung der Nachhaltigkeits- und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz-Berichterstattung begleiten werden. Die Weichen hierfür haben wir frühzeitig gestellt. ​

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Wie viel mehr Arbeit entsteht durch die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte?


Wir haben bereits Mandanten, die zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind und von uns erheb­li­che fachkundige Unterstützung erwarten. Von daher war es gut und richtig, dass wir uns bereits seit 2021 mit der CSRD-Thematik beschäftigt haben und entsprechende personelle Beratungs- und Prüfungskapazitäten aufgebaut haben. Die richtig große Welle erwischt uns aber ab 2025. Mehr als 400 unserer Mandanten sind dann zur Erstellung ihrer Nachhaltigkeitsberichte ab dem Geschäftsjahr 2025 verpflichtet. Ein solcher Kraftakt ist nur gemeinsam zu schaffen. Von daher haben wir sehr früh mit den Mandanten Kontakt aufgenommen und die Erwartungshaltungen abgeklärt. Für nicht börsennotierte Unternehmen ergibt sich zum Beispiel die inter­essante Perspektive der prüferischen Begleitung. Dabei stehen vor allem die erfolgskritischen Aspekte wie Wesentlichkeitsanalyse, Konzept und Implementierung sowie erstmalige Datenerhebung und Berichterstattung im Mittelpunkt. Begleitet durch den Wirtschaftsprüfer, bekommt der Mandant Prüfungssicherheit, und wir entzerren die drohende Stoßbelastung.​

Sind die Unternehmen vorbereitet?​


Wir sehen große Herausforderungen für unsere Mandanten. Es ist wichtig zu erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht allein von der Unternehmenskommunikation bewältigt werden kann. Es erfordert eine ganzheitliche Heran​­gehensweise, die alle Ebenen und Abteilungen des Unternehmens einbezieht. Weil es sich um ein gesell​­schaftlich hochrelevantes Thema handelt, erwartet die Öffentlichkeit, dass die Unternehmen bei ihrer Nach​­haltigkeitsberichterstattung und wir Prüfer mit der notwendigen Ernsthaftigkeit agieren. Die nach den Euro­päischen Nachhaltigkeitsstandards geforderten Berichts- und Prüfungsanforderungen sind wirklich anspruchs​­voll. Daher erwarte ich, dass die Umsetzung hin zu einer vollumfänglichen Berichterstattung ein Prozess sein wird. Für uns Prüfer bedeutet das, dass wir den Mandanten eine Hilfestellung geben müssen, wie hoch die Latte hängt, um zu einem guten Prüfungsurteil zu kommen.​
 

Was kostet die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte extra?​

 
Schon heute zeichnet sich ab, dass die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung einen erheblichen Zeit​­aufwand erfordern wird. Derzeit existieren nur wenige Erfahrungswerte. Aber abhängig von der Größe und Komplexität des Geschäftsmodells existieren Schätzungen in der Größenordnung von 30 bis 60 Prozent der Kosten einer klassischen Jahresabschlussprüfung.
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Auszug aus dem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung | Autor: Mark Fehr


Erhebliche Mehraufwände, Zusatzkosten – ergeben sich für Unternehmen durch die CRSD auch Chancen?


​Unabhängig von den jetzt geltenden Nachhaltigkeitsberichtsverpflichtungen müssen wir alle verstehen, dass das Thema Nachhaltigkeit gekommen ist, um zu bleiben. Seit den ersten Veröffentlichungen des Club of Rome in den 1970er Jahren wird immer stärker deutlich, dass alle Akteure unserer globalen Gesellschaft mehr Verant­wortung für eine bessere Nachhaltigkeit übernehmen müssen. Allein deshalb können sich Unternehmen bzw. die Wirtschaft als wichtige Teile der Gesellschaft nicht dauerhaft diesem Thema entziehen. Oder anders aus­gedrückt: Wer das Thema Nachhaltigkeit nachhaltig negiert, wird sehr viel geringere oder ggf. gar keine Zu​­kunfts­​­perspektiven haben. Wie richtig diese Aussage ist, zeigt sich an zwei Entwicklungen: Erstens ver­bin­den die nachrückenden Generationen ihren Anspruch an einen attraktiven Arbeitsplatz immer stärker mit der Frage nach dem Sinn und Zweck ihrer Tätigkeit. Unternehmen, die hierauf keine Antworten haben, werden sich beim Recruiting schwertun. Zweitens sehen und erleben wir schon heute, dass Investoren die Frage der Nachhaltig­keit von Unternehmen zu einem wesentlichen Aspekt der Attraktivität ihres Investments bzw. zum Gegenstand der Kaufpreisfindung machen. D.h. konkret, dass Unternehmen, die beim Thema Nachhaltigkeit schwach sind, entweder keine Investoren finden oder mit ganz erheblichen Abschlägen beim Kaufpreis rechnen müssen. Im Übrigen fließen Nachhaltigkeitsaspekte bereits heute in jedes Kredit-/Bonitätsrating ein. Auch hier gilt: Schwächen bei der Nachhaltigkeit kosten konkret Geld in Form von höheren Zinssätzen. Insofern ist die CSRD geradezu ein Weckruf, zielgerichtet am Thema Nachhaltigkeit zu arbeiten.​

Welche Rolle spielen Digitalisierung und KI im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung?​​​


Unternehmen sehen sich zwei großen Transformationen ausgesetzt. Der digitalen Transformation, die durch Künstliche Intelligenz (KI) eine enorme Beschleunigung erfährt und die Nachhaltigkeitstransformation, die durch die CSRD bzw. Nachhaltigkeitsberichterstattung beschleunigt wird. Interessanterweise stehen die bei­den großen Transformationen nicht isoliert nebeneinander, sondern wirken aufeinander und lassen sich häufig sinnvoll miteinander verbinden. Man spricht nicht umsonst von der „Twin Transformation“, also von der gegen­seitigen Hebelwirkung von digitalen und nachhaltigen Veränderungsbestrebungen in einem Unternehmen.

Mit Blick auf die Unternehmen kann man bereits heute feststellen, dass ohne gezielten Softwareeinsatz ein Erstellen von Nachhaltigkeitsberichten nicht möglich sein wird. Die durch die ESRS gesetzten bzw. notwen­di­gen Daten- und Informationspunkte in Verbindung mit dem Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit sind zu vielschichtig und komplex, um manuell zu einem guten Ergebnis zu kommen. Im Kern geht es um die Erwei­terung des klassischen (wirtschaftlichen) Accountings um die vielschichtigen Nachhaltigkeitsbereiche, für deren Erfassung und Bewertung zuverlässige Prozesse zu entwickeln sind. Der Einsatz von KI drängt sich hier geradezu auf. Insofern sollten Unternehmen mutig sein und zusammen mit den Wirtschaftsprüfern ver­trauens­wür­di­ge KI-Anwendungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickeln. Mit unseren KI-Experten sind wir für diese Aufgaben gewappnet.​

ESG ist ein sehr interdisziplinäres Thema, wie ist Rödl & Partner hier aufgestellt?​

Wir sehen das Thema Nachhaltigkeit als ganz wesentlichen Teil unserer Unternehmensstrategie. Von daher haben wir für das Themengebiet ESG und Nachhaltigkeit in den letzten Jahren ein hochprofessionelles, um­fassendes, interdisziplinäres Beratungs- und Prüfungsangebot aufgebaut, das unsere Mandanten in allen Fragestellungen von ESG-Reporting über Lieferketten, Steuern und Finanzen bis hin zum Umwelt- und Energie­bereich bestens unterstützt. Wir gehen dabei zweigleisig vor: Neben unserem ESG-Spezialistenteam unter der Leitung von Dr. Christian Maier werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsfeld Wirtschafts­prüfung bei uns zum Thema Nachhaltigkeit geschult. Hierfür haben wir beispielsweise zusammen mit der Frankfurt School of Finance and Management eine umfassende ESG-Akademie entwickelt. Dieses Fortbil­dungs­​​­programm umfasst über 100 Stunden gezielte Schulung zu allen Aspekten der Erstellung und Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Gerade haben die ersten 100 Absolventen mit dem Titel „Certified Sustainability Assurance Experts“ diese Akademie abgeschlossen; die zweite Kohorte mit wiederum 100 Teilnehmern startet am 3. September. Was mich besonders freut ist, dass unsere Anstrengungen im ESG-Bereich vom Markt aus­drücklich gewürdigt werden. Nicht umsonst sind wir bei der Analyse „Deutschlands beste Wirtschaftsprüfer“ im März 2024 in der Kategorie „Nachhaltigkeit/ESG“ auf Platz 1 gesetzt worden.


​Im Übrigen können Sie alle unsere Spezialisten auf unserem 3. ESG Tag​ am 24. September 2024 in Frankfurt treffen – kommen Sie vorbei und machen Sie sich selbst ein Bild von unserer ausgezeichneten​, inter­dis­zi­pli­nä­ren ESG-Mannschaft!​​​

Aus dem Entrepreneur

Kontakt

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Martin Wambach

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

Geschäftsführender Partner

+49 221 9499 091 00

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