CSRD in der Praxis: Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgreich umsetzen

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​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. September 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die neuen Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen Unternehmen vor große Herausforderungen und reichen von der Durchführung der Wesentlichkeits­​​​​​​­analyse über die Erstellung von Datenerhebungskonzepten bis hin zur Erstellung des Berichts. Der Großteil der betroffenen Unternehmen muss ab dem Geschäftsjahr 2025 erstmals Bericht erstatten – angesichts der hohen Komplexität und des knappen Zeit­rahmens sollten diese frühzeitig mit der Umsetzung beginnen. ​



Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen deutschlandweit nach neuesten Schätzungen gut 14.000 Unternehmen umfassende ESG-Informationen gemäß den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) offenlegen. Der Kreis der betroffenen Unternehmen wird hierbei zeitlich gestaffelt ausgeweitet – große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden müssen bereits zum Geschäftsjahr 2024 Bericht erstatten, alle anderen großen Unternehmen sind ab 2025 berichtspflichtig. Kapitalmarktorientierte KMU folgen im Jahr 2026 mit Möglichkeit zum Aufschub bis 2028. Angesichts der umfangreichen neuen Anforderungen dürften sich die meisten Unternehmen bereits mitten in der Umsetzung befinden – falls dem nicht so ist, gilt es nun, keine Zeit mehr zu verlieren und das Projekt Nach­haltigkeitsberichterstattung schnellstmöglich in die Wege zu leiten. Folgende Arbeitspakete sollten auf­grund ihres besonders hohen Einflusses auf die Qualität und Prüfbarkeit des Berichts jetzt priorisiert werden:

Wesentliche Themen bestimmen 

Um die Berichtsinhalte auf die für die Nutzer der Berichterstattung relevanten Informationen zu beschränken, muss zunächst eine Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS-Vorgaben durchgeführt werden. Die Wesentlichkeits­​­analyse ist als zentrales Strategieinstrument anzusehen und hinsichtlich ihres Zeitaufwands keinesfalls zu un­ter­schätzen. Ein Nachhaltigkeitsaspekt gilt laut ESRS als wesentlich und ist damit berichtspflichtig, wenn er entweder die Kriterien der Wesentlichkeit der Auswirkungen (Impact Materiality) oder der finanziellen We­sent­lich­keit (Financial Materiality) erfüllt, oder beide (doppelte Wesentlichkeit). Die Impact-Perspektive untersucht die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Mensch und Umwelt, während die finanzielle Perspektive Risiken und Chancen des berichtenden Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltig­​keitsaspekten be­trachtet.

Zu Beginn der Wesentlichkeitsanalyse erfolgt zunächst eine Untersuchung des Unternehmenskontexts (z.B. Standorte, Aktivitäten, Wertschöpfungskette) und die Festlegung der Stakeholder-Engagement-Strategie. Im nächsten Schritt stellt das Unternehmen seine potenziell relevanten Nachhaltigkeitsaspekte unter Berück­​sich­tigung der vorgegebenen ESRS 1 AR 16-Themenliste zusammen, die um unternehmens- und branchen­​spezi­fische Themen zu erweitern ist. Auf Basis dessen werden anschließend die nachhaltigkeitsbezogenen Auswir­kungen, Risiken und Chancen (IROs) in Verbindung mit der eigenen Geschäftstätigkeit sowie der vor- und nach­gelagerten Wertschöpfungskette identifiziert und anhand vordefinierter Kriterien bewertet. Durch die Festle­gung geeigneter Schwellenwerte werden die wesentlichen IROs abgeleitet, aus denen sich wiederum die we­sentlichen Themen ergeben. Im letzten Schritt erfolgt eine Überleitung dieser wesentlichen Themen auf die wesentlichen Datenpunkte. Ein wichtiges Instrument ist hierbei die Datenpunktliste​ der EFRAG, die einen strukturierten Überblick über die fast 1.200 ESRS-Datenpunkte bietet.

Datenerhebungskonzept erstellen und implementieren

Ein robustes Datenerhebungskonzept ist das Herzstück einer prüfsicheren Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sobald die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse vorliegen, sollte zunächst eine eindeutige Definition der Datenpunkte sowie eine systematische Bestandsaufnahme darüber erfolgen, welche Daten intern bereits vor­liegen und wo noch Lücken bestehen. Aufgrund des knappen Zeitrahmens kann es bei einigen Daten­​punk­ten auch sinnvoll sein, die Definition und Erhebung bereits unabhängig von der Wesentlich­​keitsanalyse zu be­gin​­nen. Ein Beispiel dafür sind die CO2-Emissionen (insb. Scope 3) oder Kennzahlen zur Mitarbeiterstruktur, an deren Offenlegung in der Praxis kaum ein Weg vorbeiführt.

Im Rahmen der Neudefinition bzw. Überarbeitung der Prozesse müssen Verantwortliche für die Date​n­sa​mm​­­lung, -freigabe und -validierung bestimmt werden. Anders als in der Finanzberichterstattung erfordert die Erhe­bung der Daten für den Nachhaltigkeitsbericht die Integration vieler verschiedener Unternehmensbereiche – etwa die HR-Abteilung für Mitarbeiterdaten und das Facility Management für Energiedaten. Komplexe Unter­nehmensstrukturen und eine hohe Dezentralität erschweren die Koordination zusätzlich, eine zentrale Steue­rung ist daher unverzichtbar. 

An dieser Stelle kann eine ESG-Softwarelösung Abhilfe schaffen, die eine unternehmensweit standardisierte und vollständige Datenerfassung durch systematische Integration der Tochtergesellschaften gewährleistet. Die Prüfbarkeit wird durch die softwaregestützte Dateneingabe und durch entsprechende Zusatzfunktionen, etwa das Anhängen von Nachweisen oder die automatische Dokumentation der Änderungshistorie, erheblich ver­bessert. Angesichts der hohen Anforderungen an die Berichterstattung ist die Investition in eine ESG-Software­lösung langfristig wohl kaum vermeidbar. Der Auswahl- und Implementierungsprozess sollte daher von vorn­herein im Zeitplan berücksichtigt werden.

Verbesserungspotenziale erkennen und Schwachstellen beheben

Die Implementierung der Datenerhebungskonzepte ist aufgrund der zahlreichen Anforderungen, Definitionen und Auslegungsspielräume der ESRS mit einem hohen Umsetzungsaufwand verbunden. Für die vielen Un­ter­neh­men, die ab dem Geschäftsjahr 2025 in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen und sich nun erstmals mit dem Aufbau eines derart umfassenden ESG-Berichtssystems befassen müssen, ergibt sich daraus die drin­gende Notwendigkeit zur kritischen Prüfung der implementierten Prozesse. 

Am besten eignet sich hierzu ein Testlauf vor der erstmalig verpflichtenden Berichterstattung. Dieser soll dazu dienen, frühzeitig prozessuale Lücken in der Datenerhebung aufzudecken und gezielte Abhilfemaßnahmen ergreifen zu können. Durch die Einbeziehung der Tochtergesellschaften können weiterhin standortspezifische Schwachstellen rechtzeitig identifiziert und – beispielsweise durch zusätzliche Hilfestellungen oder Dialog­​­formate – behoben werden. 

Ein häufiger Stolperstein in der Datenerhebung ist die mangelhafte Dokumentation der Nachweise. Im Zuge der verpflichtenden inhaltlichen Prüfung des Berichts wird der Prüfer stichprobenartig Nachweise für ausgewählte Datenpunkte anfordern. Fehlt bei den Datensammlern das Bewusstsein für die hohe Relevanz einer lücken­lo­sen Dokumentation über die Herkunft der Daten, so geht dies häufig mit erheblichen Zeitverzöge­​rungen und zusätzlichem Arbeitsaufwand einher. Gleichermaßen verhält es sich mit Schätzungen, deren Herleitung oft nicht nachvollziehbar dokumentiert ist. Falsch hinterlegte Formeln, uneindeutige Definitionen und un­rea­lis­ti­sche Einschätzungen des Zeitaufwands für die Sammlung und Validierung der Daten sind weitere Beispiele für Fehlerquellen, die im Zuge eines Testlaufs frühzeitig entdeckt und behoben werden können. Der Testlauf und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen können demzufolge zu einer effizienteren Datenerhebung, einer höheren Datenqualität und somit zu einem reibungsloseren Prüfungsablauf beitragen.

Den Prüfer frühzeitig einbinden 

Um all die genannten Punkte gesetzeskonform umzusetzen und unerwartete Probleme und Kosten in späteren Phasen zu vermeiden, ist eine frühzeitige Einbindung des Wirtschaftsprüfers in den Berichterstattungsprozess unerlässlich. Dies gilt unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen einen externen Berater unterstützend hinzuzieht oder nicht – letztlich wird der Prüfer nur auf Basis der vorliegenden Nachweise über das Prüfungsurteil ent­schei­den. Wird dieser erst am Ende des Berichterstattungsprozesses ins Boot geholt und identifiziert im Rah­men der Prüfung konzeptionelle oder prozessuale Schwachstellen (z.B. fehlende Datenpunkte oder unplausible Wesentlichkeitsschlussfolgerungen), können die erforderlichen Korrekturen zeit- und kosten­​intensive Schleifen und damit erhebliche Verzögerungen im Prüfungsprozess verursachen. Aufgrund der hohen Relevanz für die konkrete Ausgestaltung und die Kernbotschaften der Berichterstattung sollten daher vor allem das Vorgehen bei der Wesentlichkeitsanalyse, die Ableitung der wesentlichen Datenpunkte, das Datener­​hebungs­​konzept und das Berichtsskelett erstellungsbegleitend mit dem Prüfer abgestimmt werden. Die durch das prüferische Feed­back erreichte höhere Berichterstattungsqualität kann dann wiederum die Marktwahr­​nehmung der Nach­haltig­keits­leis­tung des Unternehmens stärken und so neue Chancen – sei es im Bereich Finanzierung, Mit­ar­bei­ter­ge­winnung oder Kundenbindung – eröffnen.

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Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

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