Internationale Mitarbeitereinsätze: Auswirkungen des Brexits und der Covid-19-Pandemie

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten
von Susanne Hierl und Carina Schobert


Internationale Mitarbeitereinsätze haben im Lauf der letzten Jahre aufgrund der stetigen Globalisierung immer mehr zugenommen. Sie erfordern bei der Umsetzung die Beachtung diverser Regelungen, insbesondere der aufenthalts-, vertrags-, steuer- sowie sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Das hat gerade durch die Covid-19-Pandemie noch einmal einen besonderen Fokus erfahren. Ständig neue Regelungen in den jeweiligen Ländern, v.a. mit Blick auf die Einreisebestimmungen und Quaran­täne­pflichten, erschweren die Durchführung von Auslandseinsätzen – ja Unternehmen sind teilweise dazu gezwungen vorerst komplett davon abzusehen.


Innerhalb Europas kam der Austritt Großbritanniens aus der EU hinzu. Auch dadurch entstanden große Unsicherheiten darüber, wie künftige Mitarbeitereinsätze umsetzbar sein werden.


Alle Themenkomplexe nehmen wir zum Anlass über die Auswirkungen und Folgen in den unterschiedlichen Rechtsbereichen zu berichten und die zum großen Teil unbeantworteten Fragen einer praxistauglichen Lösung zuzuführen. Der Beitrag versucht einen Überblick über die entstandenen Problemfelder und Schwerpunkte im Bereich Global Mobility zu geben und über die wichtigsten Neuerungen im Aufenthalts-, Arbeits-, Sozialver­sicherungs- sowie Steuerrecht zu informieren.

 


Aufenthaltsrecht

Auswirkungen durch Corona

In den Fokus gerückt sind v.a. die Ein- und Ausreisebeschränkungen bzw. Verbote der jeweiligen Länder. Betroffen sind dadurch nicht nur Urlaubsreisen im privaten Bereich, sondern auch berufsbedingte Einsätze von Mitarbeitern im Ausland. Insbesondere werden die Arbeitgeber vor die Schwierigkeit gestellt, sich im Vorfeld darüber zu informieren, ob zu dem geplanten Einreisedatum die Einreise des „Expats“ in das jeweilige Land überhaupt möglich ist. Oftmals ändern sich die Bestimmungen in den einzelnen Ländern wöchentlich und so gestaltet sich die Planung als schwierig.

Bei bereits erteilten Visa muss sichergestellt werden, dass sie noch Gültigkeit besitzen, wenn der Auslands­einsatz tatsächlich stattfinden kann. Aber auch bei bereits laufenden Einsätzen muss das Visum stets im Blick behalten werden, wenn der Auslandseinsatz z.B. aufgrund der vorherrschenden schwierigen Lage im Ausland unterbrochen wird und erst einige Monate später fortgeführt wird. Sollte der Abstand zwischen Aus- und Einreise zu groß sein, kann es in vielen Ländern vorkommen, dass das Visum erneut beantragt werden muss und eine schnelle Rückkehr in den Tätigkeitsstaat für den Mitarbeiter nicht möglich ist.

Umgekehrt drängt sich die Frage auf, ob die Rückholung von im Ausland eingesetzten Personal möglich ist. Gerade die enorme Einschränkung des Flugverkehrs macht das teils unmöglich und birgt die Gefahr, dass das Visum abläuft, bevor eine Rückreise Corona-bedingt überhaupt wieder möglich wird. Geschlossene Behörden und Ministerien erschweren den Prozess teils zusätzlich. Zudem verzögern sich die Bearbeitungsprozesse durch eine Überlastung der Behörden erheblich.

Eine Planungssicherheit ist nur noch schwerlich vorhanden, besonders vor dem Hintergrund, dass sich die Infektionslage täglich ändern kann und die Regierungen entsprechend spontan reagieren müssen. Letztlich ist bis zum Tag der Abreise nicht sichergestellt, ob der Einsatz durchgeführt werden kann oder nicht. Deutschland betreffend sind die Anweisungen des Auswärtigen Amts bezüglich Quarantänevorschriften, Meldepflichten bei Einreise sowie Testpflichten zu berücksichtigen.


Auswirkungen durch den Brexit

Das Aufenthaltsrecht ist vergangenes Jahr neben dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Brexit-bedingt in den Fokus gerückt. Sowohl bei Einsätzen von deutschen Staatsangehörigen in das Vereinte Königreich (UK) als auch bei Einsätzen von britischen Staatsangehörigen in Deutschland sind seit dem offiziellen Austritt Großbritanniens aus der EU aufenthaltsrechtliche Vorschriften des jeweiligen Landes zu beachten. Gerade, weil durch den Austritt das europarechtlich gewährleistete Freizügigkeitsgrundrecht weggefallen ist, sollte vor jedem Einsatz genau geprüft werden, welche Einreisevorschriften im jeweiligen Land gelten. Das Partner­schafts­abkommen hält sich hinsichtlich aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen kurz. So wurde vereinbart, dass keine Visumspflicht bei Einreise nach Deutschland oder Großbritannien besteht, wenn es sich um einen Kurzaufenthalt von bis zu sechs Monaten handelt.

Unter Kurzaufenthalte fallen nicht nur private Reisen, sondern auch arbeitsbedingte Aufenthalte. Letztere unterliegen aber einer Einschränkung: Sobald es sich nicht lediglich um kurzweilige Geschäftsreisen oder Messebesuche handelt, sondern tatsächlich Arbeitsleistung erbracht wird, gilt die Befreiung nicht. Die Aufnahme der Tätigkeit ist damit nicht mehr wie bisher visumsfrei möglich. Zudem muss das Aufenthaltsrecht des jeweiligen Landes geprüft werden. Da Großbritannien durch den Brexit zum Drittstaat geworden ist, kann eine Tätigkeit nicht mehr ohne Aufenthaltstitel aufgenommen werden.


Arbeitsrecht

Durch die Umsetzung der Entsenderichtlinie 2018/957 in das nationale Recht haben sich arbeitsrechtlich viele Änderungen ergeben. Für ausführliche Informationen lesen Sie bitte unseren Artikel „Die Berechnung von Entsendezeiträumen im Sinne der EU-Entsenderichtlinie 2018/957”.


Sozialversicherungsrecht

Auswirkungen durch Corona: Homeoffice

Insbesondere bei Grenzgängern war die Thematik zu klären, wie sich Grenzschließungen auf das anwendbare Sozialversicherungsrecht auswirken. Viele Arbeitgeber haben die Mitarbeiter zwangsläufig im Homeoffice beschäftigen müssen, weil die Grenze ins Nachbarland geschlossen und damit der Weg zum Arbeitsplatz nicht mehr möglich war. Da nach der Verordnung (EG) 883/2004 grundsätzlich das Territorialitätsprinzip gilt und damit für das anwendbare Recht ausschlaggebend ist, wo die Arbeitstätigkeit physisch ausgeübt wird, würde die Homeoffice-Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Grenzpendlers somit grundsätzlich dazu führen, dass die Rechtsvorschriften dieses Landes gelten. Dafür wurde seitens des GKV-Spitzenverbands die Regelung getroffen, dass der vorübergehend geänderte Arbeitsort für bis zu 24 Monate keine Auswirkung auf die Beurteilung des anwendbaren Rechts haben darf, gerade wenn die Situation aufgrund von Corona besteht.

Auch wurde sich über die Folgen von Unterbrechungen und/oder Verschiebungen des Einsatzes in einem anderen Mitglieds- oder Abkommensstaats in Bezug auf die Gültigkeit ausgestellter Bescheinigungen ausgesprochen und wann Handlungsbedarf besteht.


Auswirkungen durch den Brexit

Bis kurz vor dem Jahreswechsel war die vertragliche Beziehung zum Vereinigten Königreich noch nicht in trockenen Tüchern. Am 24. Dezember 2020 wurde nun ein Partnerschaftsabkommen ausgehandelt, das auch Regelungen zur Sozialversicherung enthält und damit einen nahtlosen Übergang für grenzüberschreitende Neufälle noch rechtzeitig gewährleistet hat. Erfreulich ist v.a., dass die Koordinierung der Sozialversicherungs­systeme im Partnerschaftsabkommen den Regelungen der VO (EG) 883/2004 sowie deren Durchführungs­verordnung 987/2009 folgt. Damit wird in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht Großbritannien so gestellt, als wäre es weiterhin ein EU-Mitgliedstaat. Nichtsdestotrotz gilt es einige Abweichungen und Besonderheiten zu beachten, weshalb der Einsatz eines Mitarbeiters in Großbritannien genau vorbereitet und geprüft sein mag.


Steuerrecht

Auswirkungen durch Corona

Die Fragestellungen im Steuerrecht im Zusammenhang mit Corona beziehen sich besonders auf die Fälle, in denen Arbeitnehmer aus den unterschiedlichsten Gründen und Motiven nicht an dem ursprünglich geplanten Einsatzort tätig werden konnten und können.

Im Hinblick auf das nationale Steuerrecht hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seitdem vergangenen Jahr 2020 viele eingeführte Vergünstigungen und Sonderregelungen in einem BMF-Schreiben zusammengestellt (FAQ „Corona” Steuern). Der Fragebogen wird fortlaufend ergänzt und aktualisiert und liefert viele Antworten auf die drängendsten Fragen für Unternehmen und deren Mitarbeiter. Für die internationalen Mitarbeitereinsätze finden sich kurze Passagen zur Begründung von Betriebsstätten und zur Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses (ATE) mit Übergangsregelungen.

Im internationalen Kontext hat Deutschland mit einigen Anrainerstaaten Konsultationsvereinbarungen geschlossen – überwiegend im Zusammenhang mit der Frage der steuerlichen Behandlung von Grenzgängern. Solche Vereinbarungen gibt es mit Polen, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Österreich und Luxemburg.

Weiter hat die OECD mit Datum vom 21. Januar 2021 ihre Ausführungen zum Umgang mit Doppelbesteuerungs­abkommen in der Pandemie ergänzt bzw. aktualisiert. Die Ausführungen sind lediglich als Empfehlungen für die Vertragsstaaten zu werten und geben den Hinweis, Regelungen in die nationalen Gesetze mit aufzunehmen. Es gibt Empfehlungen zum Umgang mit der Begründung von Betriebsstätten und auch der Entscheidung über die Ansässigkeit natürlicher Personen.

Dass dieser Wunsch nach Abstimmung in der Praxis nicht immer greift, zeigt sich am Beispiel China. Sofern ein Arbeitnehmer mit chinesischem Vertrag (oder Weiterbelastung des Arbeitslohns nach China) in Deutschland „gestrandet” ist und dort ansässig und damit steuerpflichtig ist, besteuert China nach nationalem Recht den Mitarbeiter weiter, unabhängig von den Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens. Von der Besteuerung kann nur abgesehen werden sofern der Arbeitsvertrag aufgehoben bzw. die Weiterberechnung gestoppt wird.

In der täglichen Praxis ist zu beobachten, dass Forderungen von im Ausland lebenden Arbeitnehmern zunehmen, weiter im Homeoffice zu arbeiten und nicht wieder nach Deutschland zurückzukehren, da die Tätigkeit vor Ort am Wohnort genauso gut funktioniert. Das stellt die Unternehmen aber vor weitere Herausforderungen wie den Themen der Betriebsstättenbegründung oder den Registrierungspflichten wegen Sozialversicherung und Lohnsteuer.


Auswirkungen durch den Brexit

Das zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland bestehende Doppelbesteuerungsabkommen gilt unabhängig vom Austritt Englands aus der EU weiter. Zu beachten ist jedoch, dass es keine Sonderbehandlung betreffend der Anwendung familienbezogener Steuervergünstigungen nach § 1a EStG (z.B. gemeinsame Veranlagung) mehr gibt. Sie sind den in der EU bzw. EWR ansässigen Steuerpflichtigen vorbehalten.


Fazit

Unserer Erfahrung nach ist der Trend zu langfristigen Auslandseinsätzen ungebrochen – wenn auch momentan ausgebremst. Abzuwarten bleibt, ob kürzere Dienstreisen ggf. zugunsten längerer Einsätze weichen und dafür mehr moderne Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Auf jeden Fall wird sich ein Umbruch in der täglichen Arbeitsweise ergeben, die die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen und die Diskrepanz zwischen unserer modernen Arbeitswelt und der Art zu arbeiten sowie den steuerlichen bzw. rechtlichen Antworten darauf noch weiter zu Tage treten lassen wird.

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Thorsten Beduhn

Rechtsanwalt, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

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