Die Gründung einer Kapitalgesellschaft in der Türkei

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veröffentlicht am 12. April 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Das türkische Handelsgesetzbuch kennt drei Formen der Kapitalgesellschaft. Diese sind die AG, die GmbH und die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Nachfolgend werden die Gesellschaftsformen AG und GmbH einer näheren Betrachtung unter­zo­gen. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien wird außen vor gelassen, da sie aufgrund von Haftungsfragen kaum bevorzugt wird. Die Gründung einer Ein-Mann-Gesellschaft durch eine ausländische natürliche oder juristische Person ist möglich. Dabei lässt sich die Gründung in drei Phasen einteilen: Vorgründung, Gründung und Nach­grün­dung. 


Vorgründungsphase

Vorgründungsphase ist die Phase, in der die geeignete Rechtsform festgestellt wird. 
 

Feststellung der geeigneten Rechtsform

Bei der Entscheidungsfindung für die geeignete Rechtsform werden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt. Je nach Geschäftsmodell kommen sie unterschiedlich schwer zum Tragen. Unten aufgeführte Kriterien sind nicht abschließend und dienen dazu, die wesentlichen Unterscheide zwischen den beiden Gesellschaftsformen auf­zuzeigen. Vorab sei gesagt, dass beide Kapitalgesellschaften in Folge der Reformierung des türkischen Handels­gesetzbuches, das am 1. Juli 2012 in Kraft getreten ist, sehr ähnlich gestrickt sind. Zahlreiche Vor­schriften zur AG finden auch Anwendung auf die GmbH. 
 

Organe der Kapitalgesellschaft 

Die zwingenden Organe einer türkischen GmbH sind die Gesellschafterversammlung und die Geschäfts­führung. Bei einer türkischen AG sind diese die Hauptversammlung und der Vorstand. Den Aufsichtsrat kennt das türkische Handelsgesetzbuch nicht. 
 

Gesellschafterstruktur

Obgleich die Gründung mit einer einzigen natürlichen Person möglich ist, erscheint es sinnvoll, die Gründung mit einer ausländischen juristischen Person zu vollziehen. Denn im Lichte des Präsidentschaftsdekrets Nr. 32 zum Schutz des Werts der türkischen Lira, das im Grunde ein Vertragsverbot in Fremdwährung vorsieht, fallen Gesellschaften mit ausländischen juristischen Gesellschaftern in der Regel unter den Anwendungsbereich von von den Ausnahmetatbeständen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so ist auch die Vergabe eines Gesell­schafter­darlehen in Fremdwährung möglich. Ferner kommen steuerliche Vorteile gemäß den Bestimmungen möglicher Doppelbesteuerungsabkommen in Betracht.   
 

Beschlussfassungen

Gesellschafterbeschlüsse und Geschäftsführerratsbeschlüsse einer GmbH können grundsätzlich im Umlauf­verfahren gefasst werden. Je nachdem, ob es sich um eine Einpersonengesellschaft oder Mehr­personen­gesellschaft handelt, unterliegt die Abhaltung der Hauptversammlung einer AG besonderen Form­vorschriften. Bei Mehrpersonengesellschaften muss unter Umständen ein Vorstandsmitglied und ein Ministeriums­vertreter an der Hauptversammlung teilnehmen, z.B. dann, wenn bestimmte Tagesordnungspunkte wie Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkapitals, Änderung des Zweck und Gegenstands der Gesellschaft, Fusion, Abspaltung unter Beschluss gefasst werden sollen. Die Einhaltung der Formalie zur Einladung der Aktionäre zur Hauptversammlung durch den Vorstand kann an Bedeutung gewinnen, wenn das Grundkapital nicht zu 100 Prozent an der Hauptversammlung vertreten ist. Vorstandsbeschlüsse können grundsätzlich im Umlauf­verfahren gefasst werden.
 

Geschäftsführungsstruktur

Es ist eine Besonderheit des türkischen Handelsgesetzbuches, dass bei einer GmbH mindestens ein Gesell­schafter zum uneingeschränkt vertretungsberechtigten Geschäftsführer der türkischen Gesellschaft ernannt werden muss. Ist der geschäftsführende Gesellschafter eine juristische Person, so muss er sich in seiner Funktion als Geschäftsführer der türkischen Gesellschaft zwingend durch eine einzige natürliche Person vertreten lassen, um seine Geschäftsführertätigkeiten ausüben zu können. Diese natürliche Person kann jede geschäftsfähige Person sein. Türkische Staatsbürgerschaft oder ständiger Wohnsitz in der Türkei sind nicht erforderlich. 
 
Für die AG besteht eine solche Erfordernis nicht. Es ist also nicht zwingend erforderlich, dass mindestens ein Aktionär zum Vorstand der Gesellschaft bestellt wird. Die Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers und des Vorstands können grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. 
 
Sollen bestimmten Personen nur bestimmte Vertretungsbefugnisse eingeräumt werden, sollen also die Vertretungsbefugnisse eingeschränkt werden, so muss eine eintragungs- und bekanntmachungspflichtige Geschäftsordnung erlassen werden. Gestützt auf die in der Geschäftsordnung genannten Befugnisse erfolgt die Bestellung von sogenannten Zeichnungsberechtigten mit beschränkten Vertretungsbefugnissen. Diese Zeichnungsberechtigten werden ggf. gruppiert, z.B. Zeichnungsberechtigte der Gruppe A, Zeichnungs­berechtigte der Gruppe B et cetera. Rechtsgeschäfte und Handlungen, die nicht in der Geschäftsordnung aufgelistet sind, dürfen nicht ausgeübt werden. Zwar definiert das Gesetz diese Personen als Zeichnungs­berechtigte mit beschränkten Vertretungsbefugnissen, doch können diese Personen in der Geschäftsordnung anders bezeichnet werden (z.B. als „General Manager“, „Finanzdirektor“ oder „Office Manager“).
 

Haftung

Als juristische Person haftet die Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kommt grundsätzlich in Betracht. Eine Ausnahme bilden jedoch die öffentlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, hierzu zählen z.B. Steuerschulden und Sozial­versicherungs­prämien. Für sie haftet der Vertreter der Gesellschaft (das ist bei einer GmbH der Geschäfts­führer, bei einer Aktiengesellschaft der vertretungsberechtigte Vorstand) mit dem eigenen Vermögen, wenn die Forderung nicht von der Gesellschaft beigetrieben werden kann. Somit kommt bei einer GmbH die Haftung des geschäftsführenden Gesellschafters für öffentliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Betracht, wenn sie nicht von der Gesellschaft beigetrieben werden können. 
 

Kapital

Das Stammkapital einer GmbH muss mindestens 10.000 TRY betragen, wohingegen das Grundkapital einer AG mindestens 50.000 TRY betragen muss. In jedem Fall sollte das Kapital im angemessenen Verhältnis zum Geschäftsvorhaben stehen. Ansonsten droht eine Unterkapitalisierung und es muss nach Finanzierungs­möglichkeiten (z.B. Kapitalerhöhung, Gesellschafterdarlehen) gesucht werden. Soll eine Arbeitserlaubnis beantragt werden, so muss das eingezahlte Kapital mindestens 100.000 TRY betragen.
 

Anwaltszwang

Für die GmbH besteht keine Pflicht zur Beziehung von anwaltlichen Dienstleistungen. Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von mindestens 250.000 TRY hingegen sind dazu verpflichtet, die Beziehung von anwaltlichen Dienstleistungen nachzuweisen. Dies macht den Abschluss eines Dienstleistungsvertrages mit einem in der Türkei zugelassenen Anwalt erforderlich.
 

Prüfungspflicht

Nach derzeitigen Regelungen unterliegen Kapitalgesellschaften einer Prüfungspflicht, wenn zwei der unten angegebenen Höchstgrenzen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden: 
  • die Gesellschaft beschäftigt 150 Arbeitnehmer oder mehr
  • die Bilanzsumme ist 75.000.000 TRY oder mehr
  • die Umsatzsumme ist 150.000.000 TRY oder mehr
Die Schwellenwerte werden alljährlich durch Beschluss des Staatspräsidenten revidiert. Die freiwillige Bestellung eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers ist auch möglich. 
 

Gründungsphase

Ist die Entscheidung über die Rechtsform getroffen, so gilt es, mit den Gründungsvorbereitungen zu beginnen. In dieser Phase werden sämtliche für die Gründung erforderliche Dokumente, unter anderem ein Beschluss des Gründers, der Tätigkeitsnachweis des Gründers, die Unterschriftenprobe und Amtsannahmeerklärung des Geschäftsführers etc. erstellt und, sofern es sich um einen ausländischen Gründer handelt, im Ausland notariell beglaubigt und mit Apostille versehen. Das ist auch die Phase, in welcher der später vor dem zuständigen Handelsregisteramt ggf. in Vertretung zu unterzeichnende Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung ausgearbeitet wird. Die Sitzadresse der zu gründenden Gesellschaft muss bereits in diesem Stadium feststehen. 
 
Die Erstellung der Gründungsdokumente in Konformität mit den Anforderungen des türkischen Handels­gesetzbuches und dem zuständigen Handelsregisteramt erlangt hier eine besondere Bedeutung, denn jegliche Nichtkonformität, z.B. ungültiger Firmenname, Nichterfüllung der Mindestanforderungen an den Gesellschafts­vertrag bzw. an die Satzung, führt zur Ablehnung des Gründungsantrages.
 
Liegen alle Gründungsdokumente, inklusive die notariell beglaubigt und mit Apostille versehenen Dokumente vor, so müssen sie in der Türkei durch einen vereidigten Dolmetscher übersetzt und örtlich notariell beglaubigt werden. Demzufolge erfolgt die elektronische Voranmeldung der Gesellschaft über MERSIS, dem türkischen zentralen Datenerfassungssystem. Schließlich wird bei der zuständigen Handelsregisterbehörde ein Termin reserviert. Bei diesem Termin müssen die Gründungsdokumente vollständig eingereicht und der Gesellschafts­vertrag bzw. die Satzung vor dem Sachbearbeiter ggf. in Vertretung unterzeichnet werden. Für den Vollzug der Gründung ist eine Anwesenheit des Gründers nicht erforderlich, wenn eine Person vor Ort anhand einer entsprechenden Gründungsvollmacht im Namen des Gründers agiert.
 
Mit Eintragung der Gründung im Handelsregister erlangt die türkische Gesellschaft eine eigene Rechts­persön­lichkeit. Die Bekanntgabe der Gründung in der türkischen Handelsregisterzeitung erfolgt in der Regel am selben Tag der Eintragung. 
 

Nachgründungsphase

Nachdem die Gesellschaft gegründet ist, muss sie fristgerecht beim Finanzamt und beim Sozial­ver­sicherungs­amt angemeldet werden. Ferner muss dafür Sorge getragen werden, dass die unangekündigte finanzamtliche Besichtigung der Büroräumlichkeiten abgewickelt und in diesem Zusammenhang das Besichtigungsprotokoll ggf. in Vertretung unterzeichnet wird. Demzufolge erstellt das Finanzamt für die gegründete Gesellschaft eine Urkunde über die steuerliche Anmeldung aus.
 
Die Nachgründungsphase ist auch die Phase, in der für die geschäftsführenden Personen ein sogenanntes Unterschriftenzirkular, das die Vertretungsbefugnisse dieser Person gemäß den Handelsregistereintragungen wiedergibt und bei Abschluss von Rechtsgeschäften in der Regel von der Gegenseite beansprucht wird, erstellt werden. 
 
Sind diese Schritte erledigt, so muss für die gegründete Gesellschaft ggf. in Vertretung ein Bankkonto eröffnet werden. Die Korrespondenz mit der Bank und die Zurverfügungstellung der angeforderten, Gründungs­doku­mente, unter anderem die Handelsregisterzeitung, die Urkunde über die steuerliche Anmeldung, das Unter­schriftenzirkular, ggf. eine entsprechende Bankvollmacht, erfordert ein gewisses Praxiswissen, um diese Ange­legenheiten zügig abzuwickeln. 
 
Ist das Bankkonto eröffnet, so kann das Kapital der Gesellschaft eingezahlt werden. Bei einer GmbH muss das Stammkapital innerhalb von 24 Monaten nach Gründung der Gesellschaft eingezahlt werden. Bei einer AG hingegen muss mindestens ein Viertel des Grundkapitals bereits vor Gründung eingezahlt werden, was zumindest die Eröffnung eines Kapitaleinzahlungskontos bereits vor Gründung erforderlich macht. 
 
Schließlich müssen weitere für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Erlaubnisse und Lizenzen beantragt werden (z.B. Gewerbeerlaubnis).
 
Kommt der Gründer seinen Mitwirkungspflichten (hauptsächlich die Zurverfügungstellung der für die Gründung erforderlichen Informationen, die Einholung der notariellen Beglaubigung und Apostille im Ausland) nach, so ist die Gründung in der Regel insgesamt innerhalb von 4 Wochen vollzogen. 
 

Fazit

Ein nahtloser Übergang zwischen der Gründungsphase und der Nachgründungsphase ist für die Sicherstellung des Abschlusses eines reibungslosen Gründungsverfahrens von zentraler Bedeutung.
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